laut.de-Kritik

Die Definition von kraftlosem, mausgrauem Synthiepop.

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Von all den Pop-Konkurrentinnen, mit denen La Roux 2009 verglichen wurde, hatte sie nicht nur die durchgeknallteste Frisur, sondern auch die besten Songs. Trotzdem eilte Lady Gaga karrieretechnisch an Elly Jackson vorbei, während Lily Allen Mutter wurde und Little Boots, okay, müsste ich googlen. Als das zweite La Roux-Album "Trouble In Paradise" 2014 endlich erschien, legte Lady Gaga praktisch schon ihr viertes vor. Schlimmer: Es beschlich einen beim Hören das Gefühl, dass die für eine Newcomerin durchaus respektable Entscheidung, sich fünf Jahre Zeit fürs mentale Sortieren nach dem Hype zu nehmen, nicht automatisch formidables Songwriting zeitigt.

"Supervision" lässt einen nach nun sogar sechsjähriger Schaffenspause endgültig ratlos zurück. Als sei Jackson immer noch sauer, dass ihre letzte Platte ein Jahr nach Daft Punks großem Retro-Disco-Rundumschlag "Random Access Memories" keiner mehr so richtig würdigen wollte. Clevere Idee für 2020: einfach nochmal den Nile Rodgers-Rhythmusgenerator anwerfen und alles neu verrühren. Leider bleibt schon der Opener "21st Century" Welten vom Groove des Disco-Meisters entfernt und beginnt genau wie diese Rhythmuspatterns, die auf Keyboards mit fünfzig anderen voreingestellt sind. Suche Funk, press play. Klar, dass man mit so etwas nicht auf Nile Rodgers' großem Chic-Comeback "It's About Time" reüssieren darf (sondern Lady Gaga).

Die unerwartet schrägen Akkordwechsel im Refrain verpassen "21st Century" dennoch einen gewissen Kick, unterstützt von mehrstimmigem Gesang. "Do You Feel" teleportiert einen weit weg in die 80er auf irgendeine Madonna-B-Seite, und spätestens im trägen Refrain fragt man sich, ob La Roux das wirklich ernst meint. Die Leichtfüßigkeit, die frühe Hits wie "Quicksand" oder "Bulletproof" auszeichnete, ist vollständig verschwunden. Auch vom Sommerfeeling, das 2014 zumindest Songs wie "Tropical Chancer" oder "Uptight Downtown" versprühten, keine Spur.

Wer den von Yazoo und den frühen Depeche Mode geborgten Sound ihres Debütalbums als zu eindimensional kritisierte, für den definiert Elly Jackson den Begriff freundlicherweise noch einmal neu. "Supervision" ist der Inbegriff von kraftlosem, mausgrauem Synthiepop. Ihr Talent für eingängige Hooks? In der Single "International Woman Of Leisure" und der romantischen Ballade "Gullible Fool" durchaus erkennbar.

"Otherside" dagegen ist ein quälend formelhaftes Stück cheesy Electro-Funk, das in den Händen der Scissor Sisters funkeln würde, nachzuhören auf deren Scheibe "Night Work", die - das nur nebenbei - vor zehn Jahren erschienen ist. "Everything I Live For" ist ein tragischer Totalausfall. Eine Erkenntnis allerdings, für die man die Playlist exakt im Blick haben muss, um einzelne Songs überhaupt in dieser 42 Minuten langen Kaugummi-Masse wiederzuerkennen.

"Trouble In Paradise" erschien übrigens, als noch nicht einmal das Referendum zum Brexit als gesichert galt. Nicht, dass ich von La Roux sechs Jahre später deshalb politische Texte erwarte, aber wer einen Opener hochtrabend "21st Century" nennt, schürt eine gewisse inhaltliche Erwartungshaltung. Stattdessen erzählt Elly Jackson, dass sie in ihren Zwanzigern nicht so glücklich war, dass sie aber froh ist, keinen 9-to-5-Job zu haben. Wichtig sei sowieso nur, den richtigen Song zu finden. Dann die Zeile: "But the song that's in my head it's unintentional / gotta let it go": Okay, nichts leichter als das.

Kürzlich amüsierte sie sich noch darüber, dass auf Platten von The xx alles gleich klingt, und nun legt La Roux dieses Album vor. Das muss dieser berühmte britische Humor sein.

Trackliste

  1. 1. 21st Century
  2. 2. Do You Feel
  3. 3. Automatic Driver
  4. 4. International Woman Of Leisure
  5. 5. Everything I Live For
  6. 6. Otherside
  7. 7. He Rides
  8. 8. Gullible Fool

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6 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 4 Jahren

    Debüt: 3/5 mit extrem guten Einzelsongs.
    Trouble in paradise: 4/5, durchweg tolles Album.
    Das hier: gerade so 2/5, eine riesige Enttäuschung. Ich frage mich nur, warum. Liegt es an ihr? Oder am fehlenden kreativen Input von außen? Schade drum.

  • Vor 4 Jahren

    Elly muss den Verstand verloren haben. Erst das kuriose Interview (hier veröffentlicht), wo sie sehr unsympathisch über The XX hergezogen ist und kritisiert hat, dass bei denen alles gleich klingt, nur um jetzt nach 5 langen Jahren ein völlig schwaches Album herauszuhauen, auf dem wirklich alles gleich klingt. Das ist also das Album, das die immer schon machen wollte. Schön für sie, aber sie hätte es behalten können. Schade um das Potential. 2/5

  • Vor 4 Jahren

    Jepp. Vollkommen übertriebener Hype damals, absolut undringlich heute.

  • Vor 4 Jahren

    Nichts, was hängen bleibt. Extrem schade, weil a) Vorgängeralbum großartig und b) fünf Jahre Wartezeit

  • Vor 4 Jahren

    Unterschreib ich nicht so. Mir gefällt die Scheibe als Gesamtes sogar besser als der Vorgänger, da blieb mir fast ausschliesslich nur "Let Me Down Gently" im Ohr. Der Sunshine Groove auf Supervision mit seinen Nile Rodgers-esquen Licks zieht sich mMn lässig durch das gesamte Werk - einzig der Release wäre besser im Sommer gewesen.

  • Vor 3 Jahren

    80s-Pop ohne viel neues. Aber gut gemacht. Die Songs, machen Spaß, bleiben im Ohr und fühlen sich auch nicht langweilig an, wenn man den zeitlichen Kontext außer Acht lässt. 2/5 ist da IMHO zu wenig.

    Rührt vielleicht daher, dass sie vorher andere Künstler gedisst hat. Das ist natürlich kein guter Stil, und das lässt man schon mal wenig wohlwollend in eine Bewertung mit einfließen. Wobei ich auch hier die Gegeneinschätzung nicht teilen kann, dass bei La Roux ebenfalls alles gleich klänge: Die Songs sind schon sehr unterschiedlich und unterscheidbar, nur klingt halt jeder wie eine unterschiedliche, schon mal da gewesene Facette der 80er.