laut.de-Kritik
Zurück zu alter Stärke.
Review von Giuliano BenassiMit "OH (Ohio)" stießen Lambchop 2008 zum ersten Mal in ihrer Karriere auf deutliche Kritik. Einerseits, weil sie das Album dem Rolling Stone beilegten und so bei manchen deutschen Handelsketten in Ungnade fielen, vor allem aber wegen des musikalischen Inhalts, der nicht wirklich zündete. Angesichts der Fülle an guten Platten und Konzerten, die sie seit den 90er Jahren abgeliefert hatten, kaum tragisch, aber doch ein Dämpfer.
Vier Jahre später präsentieren sich die Männer um Sänger und Songschreiber Kurt Wagner wieder in alter Frische. Ein paar Streicher, prägende erste Worte ("What the fuck") – schon die ersten Takte genügen, um jene verträumte, entrückte, zärtliche, ironische Stimmung zu erzeugen, die Lambchops beste Alben prägt.
Wagner hat wieder etwas zu erzählen. Das beginnt schon beim Titel. Eigentlich sollte der "Mr. Met" lauten, nach dem Maskottchen der Baseballmannschaft New York Mets, zu denen Fans der Sänger zählt. Das wenig lustige Baseball-Pendant zum ebenfalls wenig lustigen DFB zeigte sich jedoch alles andere als begeistert, also ließ man die Idee fallen und kürzte "Met" zu "M" ab.
Wie schon auf der Vorgänger stehen ruhige Töne im Vordergrund, wobei Gitarren nur noch eine Nebenrolle spielen. Die Slide-Gitarre von Paul Niehaus gehört ebenso der Vergangenheit an wie Ausflüge in soulige Gefilde. Zu Streichern gesellt sich immer wieder ein Klavier und weiblicher Hintergrundgesang, wobei Wagner mit seiner ruhigen Stimme im Mittelpunkt steht und doch nur eines der Instrumente stellt – stimmliche Klänge im Dienste des Ganzen.
Dass sich mit "Gar" und "Betty's Overture" zwei Instrumentals in die Tracklist schmuggeln, fällt demnach kaum auf. Die Stücke gehen ineinander über, dass es ein Genuss ist. Dabei scheut Wagner nicht den Umgang mit schwierigen Themen wie Verlust, Trauer oder Tod. Der spielt eine wichtige Rolle, denn das Album ist Vic Chesnutt gewidmet, der sich Weihnachten 2009 das Leben genommen hat.
Die Pfade Chesnutts und Lambchops hatten sich oft gekreuzt. Das tragische Ende verarbeitet Wagner gleich an Anfang in "B2B". "Ich habe die Weihnachtbeleuchtung überm Eingang abgehängt", singt er in der ersten Zeile. "Ich habe es einfach nicht geschafft, mich dran zu machen" erklärt der Sänger. "Als es mir Monate später endlich gelungen ist, war das so eine Art Durchbruch. Endlich habe ich mich mit Dingen auseinander gesetzt, die mich überfordert hatten".
Sicherlich eines der besten Stücke des Albums, gemeinsam mit dem folgenden "Gone Tomorrow", das eine schon fast experimentell anmutende Coda bietet. Doch Schwachstellen leistet sich "Mr. M" auch in der weiteren Folge nicht. Zum Abschied gibt es sogar Trost in Form von Liebe. "Jahre lang hatte ich darauf beharrt, das Wort 'Liebe' nicht in einem Song zu verwenden. Nun habe ich es geschafft. Sag niemals nie. Und es fühlt sich gut an" so Wagner.
Noch besser fühlt es sich an, dass seine Lambchop mit "Mr. M" nicht nur zu alter Stärke zurückkehren, sondern auch noch eines der besten Alben ihres nunmehr knapp 20-jährigen Bestehens abliefern.
3 Kommentare
Meine erste Lambchop-Platte. Absolut großartig. Warum ging die hier so unter? Musik passt, Review passt.
Locker eins der besten Alben in diesem Jahr, aber wahrscheinlich zu unspektakulär für die allseits beliebten Jahres-Listen...
Ebenfalls meine erste Lambchop-Platte. Ein tolles Album!!!