laut.de-Kritik

Endlich wieder ohne Autotune.

Review von

Die gute Nachricht zuerst: Nachdem er uns auf zwei Alben damit geplagt hat, verzichtet Kurt Wagner diesmal auf Autotune. Offenbar waren auch seine Bandkollegen von den Stimmexperimenten nicht begeistert, denn sie übernahmen die Kontrolle und wiesen den Lambchop-Chef den Weg.

Anstatt mal wieder auf eine finanziell verheerende Tour zu gehen, entschied Wagner, lieber ein Album aufzunehmen und die Gagen an die Mitglieder weiterzureichen. Dafür sollten alle ein Cover aussuchen, arrangieren und die Aufnahmen leiten. An jedem Tag ein Song, um den Aufwand in Grenzen zu halten. "Mein Gedanke war, zu sehen, was passiert, wenn ich mich so weit wie möglich von dem Prozess und dem Inhalt entferne. Dabei kamen Elemente zum Vorschein, die schon immer da waren, aber vielleicht von meinem Songwriting und meiner Vorgehensweise überschattet wurden", so Wagner.

Schlagzeuger Matt McCaughan entschied sich für Wilcos "Reservations" aus dessen Album "Yankee Hotel Foxtrot" (2002). Schon im Original eine Klavierballade mit eingestreuten elektronischen Klängen, bleiben Lambchop dem Original einigermaßen treu, dehnen den Song aber von sieben auf 13 Minuten aus, wobei man sich während der unnötig langen Coda immer wieder fragt, ob der stotternde Sound an der Aufnahme oder einer mal wieder dürftigen Bluetooth-Verbindung liegt. Es liegt an der Aufnahme.

Hat man das erste Stück überstanden, das ein Drittel der Laufzeit des Albums in Anspruch nimmt, geht es zielgerichteter weiter. Slide-Gitarrist Paul Niehaus wählte George Jones' Country-Klassiker "Where Grass Won't Grow", das, verlangsamt, tatsächlich nach Lambchop in ihren besseren Phasen klingt. Die größte Mühe machte sich Bassist Matt Swanson: Er wählte "Shirley" aus, das die obskure wie kurzlebige Rockformation Mirrors aus Ohio 1975 veröffentlichte. Er machte Sänger Jamie Klimek ausfindig, schrieb ihm eine Postkarte mit der Bitte, den Song aufnehmen zu dürfen und fügte seine Telefonnummer hinzu. Klimek rief tatsächlich zurück - und erteilte erfreut die Genehmigung. Rockig geht es auch in dieser Version zu, wobei sie noch mehr an Wilco erinnert als der Opener, der tatsächlich von der Band stammt.

Tour-Schlagzeuger Andy Stack machte es sich dagegen einfach und wählte mit "Golden Lady" ein Stück Stevie Wonders von 1973. Im Original eine funkige Klavierballade mit treibendem Bass, spielen es Lambchop deutlich langsamer. Auch "Love Is Here and Now You're Gone", gewählt von Pianist und Keyboarder Tony Crow, ist ein bekanntes Stück, diesmal ein Hit der Supremes. Auch bei Lambchop geht es eher gut gelaunt zu, wobei es ganz lustig ist, Wagners Grummeln im Gegensatz zu Diana Ross' kräftiger hoher Stimme zu hören.

Den letzten Track "Weather Blues" wählte der Chef höchstpersönlich aus. Es ist ein Stück seines Freundes James McNew, der Bassist von Yo La Tengo. "Er schickt mir von Zeit zu Zeit Sachen zum Anhören, und dieses Stück ist hängen geblieben. Ich habe meine Mutter etwa einen Monat vor ihrem Tod besucht. Zu diesem Zeitpunkt war sie mal bei Bewusstsein, mal nicht. Als ich den Raum betrat und neben ihr stand, schien sie sich zu freuen und sah aus wie ein Baby. Das hat mich irgendwie umgehauen. James' Lied erinnert mich an diesen Augenblick", so Wagner. Passend dazu ist das Stück nachdenklich - und ein krönender Abschluss des Albums.

Auch wenn die Band von ihrem letzten diskographischen Höhepunkt "Mr. M" von 2012 noch weit entfernt ist, hört sich "TRIP" zumindest wie eine vielversprechende Bestandsaufnahme an. Der Titel soll dabei an die nicht stattgefundene Tour erinnern, hat aber auch symbolischen Charakter. "Er scheint auch unser musikalisches Leben und die Situationen zu beschreiben, die wir in unserem Dasein als Band im Laufe der Jahre erfahren haben", so Wagner. "Es war eine Reise ...". Eine spannende, möchte man hinzufügen. Und eine, die hoffentlich noch den einen oder anderen schönen Moment bieten wird.

Trackliste

  1. 1. Reservations
  2. 2. Where Grass Won't Grow
  3. 3. Shirley
  4. 4. Golden Lady
  5. 5. Love Is Here and Now You're Gone
  6. 6. Weather Blues

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