laut.de-Kritik

Im Reagenzglas ist die Hölle los.

Review von

Leila Arab pflegt einen Alchemismus, der die Grundannahme widerlegt, elektronische Musik sei ob ihrer Digitalität zu organischer Impression gar nicht fähig. Im Artwork sind die Zutaten ihrer Klangsynthese netterweise gleich aufgeführt. Es sind dies mit "thought", "belief", "chance" oder "nature" beschriftete Ampullen.

Die Summe der einzelnen Teile bleibt jedoch jederzeit größer als die digitale Eins. Es ist wie so oft im Leben: Pepsi kann noch so eingehend forschen. Wasser, Zucker, Kohlensäure, Zuckerkulör, Phosphorsäure und Aroma-Koffein allein ergeben lange keine Coca-Cola.

Leilas Cut-ups transzendieren Endneunziger-Trip Hop in giftgrün und violett leuchtende geistige Bilder. Ihre Hexenküche bedient sich in London wie Teheran, wuchert vom Orient zum Balkan und wächst von dort ganz Zauberbohne bis über die Wolkengrenze hinaus.

Das Exterieur weiß die gebürtige Iranerin ebenfalls konzeptionell auszukleiden. Vom Titel, der an den Grimm-Schlager Dornröschen erinnert, bis hin zu Pressefotos mit abstruser Beehive-Frisur präsentiert sie sich konsequent als Freundin des Leitmotivs Magie.

Unterdessen steigt Leila mit schöner Regelmäßigkeit auf den interstellaren Hexenbesen, um die ständig sprießenden Poptriebe per Soundflut (distorted Gitarren, Bassdrum-Stomps und Breakbeats in Tropfsteinhöhle, Geisterschloss und Dschungeldickicht) zu ertränken.

Insbesondere bei den Cantos gelingt das der Ex-Björk-Mischerin und Aphex Twin-Vertrauten nur bedingt. Etwa wenn Schwester Roya beinahe Shirley-Bassey-Soul intoniert. Den Fantasteien sind keine Grenzen gesetzt, weshalb "Blood, Looms And Blooms" nicht nur ausfallsfrei, sondern mit Vorsprung auf Ehrenrunde geht. Im Reagenzglas ist die Hölle los.

Trackliste

  1. 1. Mollie
  2. 2. Time To Blow
  3. 3. Little Acorns
  4. 4. Daisies, Cats And Spacemen
  5. 5. Mettle
  6. 6. Teases Me
  7. 7. Carplos
  8. 8. The Exotics
  9. 9. Deflect
  10. 10. Norwegian Wood
  11. 11. Lush Dolphins
  12. 12. Ur Train
  13. 13. Young Ones
  14. 14. Why Should I?

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11 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Sehr schön, dass das Album hier rezensiert wurde. Es ist momentan auch mein meistgehörtes und ich liebe es von Anfang bis Ende.
    Zwar vermisse ich ein wenig die "unvorhersehbaren" Elemente der Vorgängeralben (scheinbar mittendrin abbrechende Titel und so weiter). Blood, Looms and Blooms ist da deutlich "sauberer". Aber natürlich ist es nicht minder spannend.

    Hoffentlich verschwindet Leila dieses Mal nicht wieder für acht Jahre bis zur nächsten Veröffentlichung :).

    Kueken

  • Vor 16 Jahren

    Wow, also das was man sich da bei Myspace anhören kann gefällt mir ja auch schon mal sehr gut! Werde da wohl mal etwas genauer reinhören, hört sich auf jeden Fall sehr interessant an! =)

  • Vor 16 Jahren

    Ich hab sogar (verdrängterweise) die 2 Vorgänger Alben und muss gestehen, dass ich die ja schon eeeeeeeeeeeeewig nicht mehr gehört hab'. :sweat:

    Danke für die Errinnerung.

    Werd' mich mit dem aktuellen Album auch mal noch befassen müssen. :)

  • Vor 16 Jahren

    @Jan Dilba («
    Leider gab es auch nervtötende Momente ("Mettle"), ein Woge aus vollkommen schrägem Noise-Chaos, das sehr anstrengend zu hören ist. »):

    Ist ja lustig, gerade der Song hat's mir total angetan, während ich vielen anderen derzeit auch nur bedingt was abgewinnen kann, aber klingt auf jeden Fall weiterhin trotzdem sehr interessant, ich glaub ich mag's ;)

  • Vor 16 Jahren

    In dem Falle kann ich nur noch sagen: jedem das seine. ;)
    Bei diesem Album hier hab ich mich auf Grund der Rezension über den Inhalt täuschen lassen wie selten zuvor. :whiz:
    Diese Musik ist nicht meins, wird es nie sein.

  • Vor 16 Jahren

    @Jan Dilba (« Heute Mittag. Plattendealer meines Vertrauens hatte das Album.
    Blind wollte ich kaufen. Er fragte:"bist Du sicher?"
    Ich zögerte (er kennt mich gut).
    Er sagte: "nimm sie mit für heute Abend, morgen bringst Du sie mir sowieso wieder".
    Der Mann wird Recht behalten.

    Abenteuerlich, was Leila hier auf Platte bannt. Exzentrisch, avantgardistsich, experimentell, fast schon androgyn. Auf jeden Fall Noise pur.
    Musik für Menschen, die neonbeleuchteten Stahlskeletten wohnen. Es ist eine kalte Musik, wie geschaffen für einen abgespacten SciFi-Film. Monoton oft und doch von seltsamen Geräuschen durchdrungen. Man sieht im Geiste Menschen in Lack und Leder durch cool gestylte Großstadtbars ziehen, Androiden gleich, perfekt gestylt und doch ohne Seele.

    Es ist so ziemlich die experimentierfreudigste und phantasievollste Musik, die ich seit Jahren aus diesem Electronoise-Bereich gehört habe.
    Aber es ist nicht meine Musik, sie hinterlässt nach dem Verklingen der letzten Töne eine kalte Leere, nichts ist geblieben, nichts bleibt haften. Es ist Musik für ein paar Augenblicke des gespannten Hinhörens.
    Leider gab es auch nervtötende Momente ("Mettle"), ein Woge aus vollkommen schrägem Noise-Chaos, das sehr anstrengend zu hören ist.
    Dagegen lauscht sich "Carpios" richtig nach Mainstream an, fast lugt hier JM Jarre um die Ecke.

    Ich enthalte mich bewusst einer Wertung, weil es Musik ist, deren künstlerisches Potential bzw. das seiner "Erschafferin" ich anerkenne, die ich aber nur in sehr begrenztem Ausmaß in dieser Dosis ertragen kann. »):
    was schreibst du eigentlich für einen BULLSHIT? stoppe doch mal für einen moment sprache bis ins übelste misszugestalten und hör dir dieses wunderbar leichtfüßige album an.

    danke an dieser stelle nochmal an huluvu.