Leme - " Passion'n'Patience"

Es geht rund im Schweizer Veröffentlichungszyklus. Nachdem Gölä, Nubya und Dada Ante Portas ihre Alben bereits erfolgreich am Markt platzieren konnten, steht nun der Zürcher Neo-Soul-Produzent Leme (sprich Le-Mi) mit seinem trendigen Mix aus R'n'B, Soul, 2 Step und Funk in den Startlöchern. Dem Kanada-Schweizer gelingt mit "Passion'n'Patience" ein reifer Nachfolger seines 98er Erfolgs-Debüts "What do you do?".

Zwei Jahre feilte der Sänger und Musiker an der Produktion zu "Passion'n'Patience". Für die eigenwillige Namensgebung - Leidenschaft und Geduld sind ungleiche Partnerinnen - hält Leme eine bestechend simple Antwort parat: "The passion to produce honest and prime quality music requires a great deal of patience" - die Leidenschaft, ehrliche und hochwertige Musik zu produzieren, erfordert eine Menge Geduld.

Bei genauerer Betrachtung fallen, neben den bereits vorab veröffentlichten Singleauskopplungen "Addicted To Rhythm", "Who Do You See" und "Rainy Monday", vor allem die meist kurzen, aber nicht minder interessanten instrumentalen Takes auf. Das Intro etwa baut eine gewaltige Spannung auf, die sich leider nicht in einem direkt anschließenden Song entlädt, sondern statt dessen im guten alten Fade Out mündet. Schade! Trotzdem entschädigt das folgende "Addicted to Rhythm" durch die hervorragende Stimme von Shoany White und das interessant vertrackte Programming. "Angels" feat. Gary Bardouille ist deutlich souliger angelegt und erinnert an die Funk-Soul-Dinosaurier von Kool and The Gang. Trotz dieses Phänomens und dem Einsatz verlässlicher Clavinet-, Rhodes-, Streicher- und funky Bass-Sounds klingt "Passion'n'Patience" nie altbacken.

"If They Wanna Fly Away" sucht durch treibende Beats und den gnadenlos guten Gesang von Shoany White erneut meine Aufmerksamkeit. Das chartserprobte "Rainy Monday" feat. Elisabeth Troy-Antwi entspannt sommerhit-lich. Auch "Girls Like Shoes" (mit einem kräftigen Winke-Winke der Bee Gees) und "Who Do You See" feat. Mark Anthoni fügen sich gut in den Gesamtkontext ein, obwohl beide Nummern zu den eher schwächeren Stücken des Albums gezählt werden können.

Legere Gitarrenlicks verbreiten auf "Live Your Life" nochmals eine dem Sommer entsprechende Gelassenheit. Diese wunderbar relaxte Nummer kann ich mir auch in einem 2 Step-Remix mit genretypischen Cuts oder in einer deutschsprachigen Adaption in Zusammenarbeit mit Freundeskreis vorstellen. "Finally" liefert zwar ein aufregendes Playback, bleibt mit den Gesangslinien aber leider weit hinter den Erwartungen zurück. Das zehnminütige "Outro" leitet die Platte mit Spieluhrenklängen des alten Folk-Traditionals "Hänschen klein" aus. Nein, keine Sorge, dafür braucht Leme keine zehn Minuten. Nach ein paar Sekunden des schonungslosen Auslieferns an diesen abgedroschenen Gassenhauer folgt eine Ghost-Track-Pause ...

Soulgetränkte Musik-Legenden (Kool and the Gang und die Bee Gees), Funk-Soul-Food der 80er und die anerkannten Fundmentalwerte der Popmusik (wohldosierte Melodien und Rhythmen, durchdachte Arrangements und ausgewählte VokalistInnen) bestimmen den Sound von "Passion'n'Patience". Lemes zweiter Longplayer überzeugt mit diesem Konzept über weite Strecken und lässt mich - allem eidgenössischem Patriotismus zum Trotz - voller Leidenschaft an Brasilien denken. Der Strand von Leme ist zusammen mit der weitaus berühmteren Copacabana einer der schönsten Landstriche in Rio de Janeiro. Voller Geduld pflege ich meine Plautze, bis ich mir diesen Urlaub jemals leisten kann.