laut.de-Kritik

Wer zwingt sie bloß in die Legebatterie, um widerwillig über Songs zu brüten?

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Sie sehe sich als "Gefangene in einem Vakuum zwischen Traum, Trauma und Alptraum", wie es im hochtrabenden Pressetext heißt. Nach "Mona Liza" eifert Liz nun einem weiteren Idol nach, das sich wie die Frankfurterin "in einer männerdominierten Industrie" habe beweisen müssen. Auch in ihren "Versagensängsten, ihrer ungeraden Biografie, diesem Hang zum Exzess, zum Risiko, zum Drama, dieser pochenden, kaum definierbaren, nie endenden Sehnsucht" erkenne sie sich wieder. So stellt sich vorab die Frage, wie diese jedes gesunde Maß sprengende Wichtigtuerei der jungen Rapperin helfen soll.

"Main Grau" bestätigt die geweckten Befürchtungen. PzY setzt sich hinter das Piano, Liz gießt ihre Schickeria-Schmerzen in soulig gemeinten Gesang. Jeder Mini-Erfolg dient nur als Treibstoff für eine veritable Krise, die sich mit einem Rückzug ins bürgerliche Leben lösen ließe. Sie lamentiert lieber, es sei ihr "alles hier zu bunt". "Bin ich verflucht oder gesegnet? Warum vermiss' ich Plattenbau?", trägt sie mit zitternder Stimme vor, "1.000 Meetings mit Schauspielern und Models." Ja, das Leben ist verdammt nochmal ungerecht. Erschütternd, was diese junge Künstlerin ertragen muss.

Tränenreich klingt Liz auf der "Mailbox", wenn sie von ihren täglichen Strapazen im Rampenlicht erzählt. "Fühle mich allein. Glaube, das nennt man Erfolg", schluchzt sie. Im "Louis-Schal" prangt ein Brandloch und auch sonst will sie Whitney Houston gleichen. Ihrem anderen Vorbild, "Amy Winehouze", huldigt sie wiederum, indem sie seicht durch eine Panflöten-Kulisse gleitet. "Will kein Star sein, will nur, dass Mamas Augen leuchten", insistiert der selbst erklärte "Outlaw" erneut. Wer zwingt bloß diese ganzen Newcomer in ihre Legebatterien, um widerwillig über Songs zu brüten?

Zum Glück lichten sich die Wolken alle naselang auch mal. "Gangster Tanzen Nicht" widerlegt sich mit Synthiedisco-Sound gleich selbst. Liz' Stimme fehlt zwar ein wenig von der notwendigen Leichtigkeit, aber das Experiment darf dennoch als geglückt gelten. Clubtauglich pulsiert auch "Billie Jean", das besser funktioniert als die Mainstream-Versuche auf Disarstars "Overdose". Die Rapperin fängt die elektrisierende Atmosphäre gelungen ein, auch wenn sie inhaltlich teils widersprüchliche Signale sendet: "Lauf durch den Club wie auf'm Catwalk. Sag mir, wer braucht heut' 'n Handjob?"

Liz' Stärken kommen am ehesten zur Geltung, wenn es sie in intimere Bereiche verschlägt. Für "Sie Mag Es" lädt sie Kitty Kat zum queeren Sextalk-Doppel, der sich stets noch etwas Stil bewahrt. "Ich sage, hol' noch paar Chicks, und sie mocht' es", haucht sie über das wollüstige Instrumental. In "Fahren" flüstert die Rappperin ihre Strophen regelrecht. Trotz zartem Vortrag bleibt sie dabei in der dominanten Rolle: "Ich hab' 'ne Scheide aus Gold, auch ohne ein' Schwanz bin ich King." Das soll wohl gewitzt herüberkommen, klingt aber eher nach vulgärer Weisheit am Lagerfeuer des Dschungelcamps.

"Amy Winehouze" fällt letztlich zu unentschieden aus. Mal schleift eine Akustikgitarre ihre Kanten glatt ("Souvenir"), mal unterstützt sie Harlekin Kasimir1441 bei ihrem Jahrmarktstrap ("Eins Zwei"). Symptomatisch für Liz' Stil-Verirrungen platziert sie den ersten rabiaten Rap-Song "Tochter Meiner Mutter" ans Ende. "Nicht nur Rapperin, sondern Künstlerin" sei sie, beharrt ihr Label. Manchmal reicht es aber schon, marginalisierten Mädchen mit selbstbewusstem Straßenrap ein Role Model zu bieten, ohne gleich die Augenhöhe mit Malern der Renaissance oder Weltstars des Soul zu suchen.

Trackliste

  1. 1. Main Grau
  2. 2. Billie Jean
  3. 3. Eins Zwei (mit Kasimir1441)
  4. 4. Gangster Tanzen Nicht
  5. 5. Sie Mag Es (mit Kitty Kat)
  6. 6. Souvenir
  7. 7. 100%
  8. 8. Fahren
  9. 9. 3 Gramm
  10. 10. Skit
  11. 11. Amy Winehouze
  12. 12. Auf Gott
  13. 13. Mailbox
  14. 14. Hör Auf
  15. 15. Tochter Meiner Mutter

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