laut.de-Biographie
MGMT
Das Internet und besonders das interaktive Element des Web 2.0 haben schon einige Musikerkarrieren angeschoben. Auch die New Yorker Band MGMT profitiert 2007 von der weltweiten Verfügbarkeit der Blogosphäre. Bis dahin ist es jedoch ein Weg, wie ihn unzählige junge Bands gehen müssen, wenn auch ohne Happy End.
Im Jahr 2002 musizieren Ben Goldwasser und Andrew Van Wyngarden erstmals zusammen und sind von einem Hype meilenweit entfernt. Das Duo trifft sich zunächst auf dem Campus der Weleyan University in Middleton im Staat Connecticut. Sie hängen zusammen ab, spielen sich ihre Lieblingsbands vor und entdecken eine gemeinsame Vorliebe für Mystik sowie eine ähnliche Humorebene.
Mit ihrem späteren Sound haben die ersten Auftritte unter dem Namen The Management wenig gemeinsam. Goldwasser und Van Wyngarden spielen 15-minütige Performance-Shows, in denen in erster Linie Lärm und Gestik zählen. Die rein elektronischen Arrangements aus Mischpult und Computern, verbunden mit Radiotönen und Tapedeck-Schleifen, erzeugen noch keinen Szene-Alarm.
Bald selbst von diesem Konzept ermüdet, experimentiert das Duo weiter. Ein Ventil: Alle neu komponierten Songs ohne ewiges Proben sofort auf die Bühne bringen. Dabei die Intention weiter verfolgen, Leute zu irritieren.
"Viele haben das gehasst", erinnert sich die Band später. "Einige Songs schrieben wir nur, weil wir lernen wollten, wie man besonders schlecht in einem bestimmten Genre ist. Plötzlich begannen die Leute den Song zu mögen, weil sie das Genre mochten."
Zu dieser Gruppe zählen einige Studenten der New York University, die Nägel mit Köpfen machen und für die Band ein Label gründen: Cantora Records. Dort erscheint im Juni 2005 die EP "Time To Pretend", auf der auch der spätere Albumtrack "Kids" verzeichnet ist.
In ihrem Umkreis erspielen sich MGMT allmählich einen festen Fanstamm und per E-Mail trudeln immer mehr Lobpreisungen aus den entferntesten Winkeln des Landes ein, in denen MGMT-Songs über unzählige Blogzirkel mittlerweile gelandet sind. Als sie dann ins Vorprogramm von Of Montreal geladen werden, meldet sich ein Talentscout von Sony Music.
Die anfängliche Skepsis des Duos hinsichtlich eines Majordeals verfliegt schnell, als deutlich wird, dass der Konzern nicht beabsichtigt, in dem über sechsstellig dotierten Vertrag über vier Alben die Klausel der kreativen Freiheit zu streichen.
Konnten sich Goldwasser und Andrew Van Wyngarden wenige Monate zuvor noch nicht einmal vorstellen, ein ganzes Album aufzunehmen, steht plötzlich ein Karriere-Plan ins Haus. Die schrägen Vögel lecken Blut, zumal mit Flaming Lips-Produzent Dave Fridmann eine Art Bruder im Geiste auf der Kooperationsliste steht.
Bis das Debütalbum "Oracular Spectacular" im Januar 2008 offiziell in den USA erhältlich ist, spielen die Jungs noch einige Gigs, zum Beispiel auf der texanischen Branchenmesse SXSW, wo unter anderem Mitglieder der Kings Of Leon, der Von Bondies und der Wombats das Phänomen begutachten.
Noch vor dem Nachfolgerelease "Congratulations" sackt das Duo 2010 zwei Grammy-Nominierungen ein. Paul McCartney outet sich als Fan, Touren, Festivals und Auftritte in den einschlägigen Late Night-Talks der USA stehen ebenfalls auf dem Programm. Als "Congratulations" erscheint, erkennen weder Fans noch Label 'ihre' Band wieder. MGMT brechen mit allen Erwartungshaltungen. Anstatt frenetisch eingängigen Dance-Tracks à la "Kids" wenden sie sich hippieesker 60s-Psychedelica zu, ohne Rücksicht auf Kompromisse. Die Reaktion fällt entsprechend aus: Das Album verkauft sich schleppend.
Für Goldwasser und Van Wyngarden bedeutet das jedoch nur den logischen Schritt in ihrer Karriere und auf der Suche nach Experimenten. Der frühe Erfolg ihrer Musik war ja nie eingeplant. Die Hoffnung von Fans und Label auf eine spätere Hinwendung zu eingängigerem Material erfüllt das dritte Album "MGMT" ebenfalls nur unzureichend. Auch auf dem selbstbetitelten Werk verzichtet das Duo auf Radio-Smasher oder Instant-Gassenhauer.
Spätestens jetzt ist allen Beobachtern klar: MGMT geht es ums Sprengen von Formaten und das Ausloten von Schrägen. Wer auf eingängigeren Psychedelic-Rock steht, wendet sich längst den Australiern von Tame Impala zu. "MGMT" verkauft sich noch bescheidener als der Vorgänger.
Als praktisch niemand mehr damit rechnet, entdecken MGMT den Pop wieder für sich: Das vierte Album "Little Dark Age" erscheint nach mehrfacher Terminverschiebung im Februar 2018 und dürfte die Fanschar der ersten Stunde wieder versöhnen. Zwar mit zehnjähriger Verspätung, aber manche Dinge brauchen eben ihre Weile.
Noch keine Kommentare