laut.de-Kritik
Tausend Nadelstiche gegen den Zeitgeist.
Review von Yannik GölzEigentlich ist es ein kleines Wunder, dass MGMT immer noch bei Columbia Records unter Vertrag stehen. Entweder haben die Label-Menschen das Duo aus Brooklyn einfach irgendwie gern, oder Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser haben ihre Seelen schon lange an die oberste Instanz der Illuminaten-Echsenmenschen aus Hohlerde verkauft. Anders lässt sich kaum erklären, dass sie auch nach zwei experimentellen, formlosen Hipster's-Wet-Dream-Platten ohne jegliche kommerzielle Ambition auf den Mainstream-Durchbruch immer noch nicht vom Major-Hof gejagt worden sind.
Ausgerechnet Donald Trump soll MGMT jetzt zurück zur Popmusik bringen. "Little Dark Age" heißt das neue, zynische und tatsächlich deutlich griffigere Album der Band, die drei Jahre nach der eher durchwachsenen Self-Titled LP eine beeindruckende Rückkehr zu alter Form hinlegt. Popmusik, das ist hier allerdings auch eher relativ zu verstehen. Dass MGMT 2018 neben Acts wie Ed Sheeran oder Halsey spielen werden, das erwartet ja auch keiner.
Trotzdem fühlt sich "Little Dark Age" so rhythmisch und strukturiert an, wie die Band zuletzt auf "Oracular Spectacular" geklungen hat. Das typische Neopsychedelia-Reportoire mit Anleihen aus den späten Sechzigern reichern MGMT mit Synth Pop-Bombast an, der seltsam deutlich auf so manchen New Wave-Act der Achtziger zu verweisen scheint. Der Titeltrack nimmt eine fantastische analoge Bassline und schustert einen Refrain darauf, der dem Pop-Appel der "Electric Feel"-Tage nur in der gewissen Sturköpfigkeit nachsteht, einen zertifizierten Hit nicht ohne subversiven Rückverweis an Kraftwerk und The Cure veröffentlichen zu können.
Es gibt eine ganze Reihe bemerkenswerter Momente über die knapp vierzigminütige Laufzeit des Projekts. "Days That Got Away" fährt eine ganze Parade an Geräuschen auf, wie sie müde und melancholische Roboter in einem von Aphex Twin gedrehten Steampunk-Film aus dem Jahre 2048 machen würden, um sie gegen eine schlichte, organische Bassgitarre auszuspielen. Opener "She Works Out Too Much" klingt dagegen quirlig und klamaukig, hat fast etwas von dem guten Vaporwave-Material unserer Zeit. Musik, um sich ironisch die Haare zu shampoonieren.
Man kann an dieser Stelle die Vergleichspunkte und möglichen Referenzen nach Belieben in den Raum werfen. Alles hat etwas von allem, so ganz falsch wird auch nichts sein. "Me And Michael" klingt wie Wham! auf MDMA, "TSLAMP" samplet Michael Jacksons "Stranger in Moscow" zu einer synthetischen Ballade über die Schattenseiten moderner Zeiten. Gerade letzteres Motiv taucht immer wieder auf: Übersättigung von Swipes und Likes, Beklommenheit über all die am Handy verlorene Zeit. Was anno 2018 wie abgedroschenes Technologie-Bashing klingen könnte, nimmt im Kontext von "Little Dark Age" eine ganz andere Rolle ein.
MGMT beantworten den politischen Status Quo der Vereinigten Staaten mit ihrem bis dato zynischsten Album. Kein sperriger Anti-Trump-Protestsong, viel mehr tausend kleine Sticheleien gegen den Zeitgeist. Absurdistische Gedanken über das Sterben und die Liebe wechseln sich mit polternden Binsenweisheiten über Smartphones und Workouts ab, großer Weltschmerz suhlt sich im kleinen Drama. Als wolle man Aktivismus und Passivität von Popmusik gleichzeitig vor den Zug werfen, während sich der Sound selbst in einer nostalgischen Spirale der Referenz an vergangene Zeiten im Kreis dreht.
Tracks wie "When You Die" oder "When You're Small" - letzteres fühlt sich ein wenig wie ein komprimierter Throwback auf das "Congratulations"-Herzstück "Sibirian Breaks" an – finden in einem Beach Boy-esken Stadium der psychedelischen Popmusik statt, aber selbst die Ästhetik des Acidtrips durchdringt auf "Little Dark Age" eine gewisse postmoderne Ironie. Man kann ja auch gar nichts einfach mal in Ruhe lassen: "I'm not that nice, I'm mean and I'm evil / Don't call me nice, I'm gonna eat your heart out / I got some work to do", heißt es zum Beispiel auf "When You Die". Muss man alles nicht so ganz verstehen, kann man vermutlich auch gar nicht.
Die zehn Anspielstationen fangen dahingehend ziemlich genau ein, wie sich Leben in 2018 ohnehin anfühlt: laut, chaotisch, alle brüllen durcheinander und niemand weiß so genau, was eigentlich passiert. MGMT wirken im Tohuwabohu ihres eigenen Schaffens mehr im Einklang mit sich selbst als je zuvor. Absolut nicht Pop, aber trotzdem Pop, haareraufend Hipster und damit okay, musikalisch anspruchsvoll und voller kleiner Referenzen, aber doch intuitiv und eingängig. Verkopfte Nerd-Musik und sofortiger Spaßfaktor passieren dieses Mal endlich gleichzeitig. "Little Dark Age" nimmt den Groove von "Oracular Spectacular" und den Anspruch von "Congratulations" und liefert endlich genau das MGMT-Album, auf das Fans die ganze Zeit gewartet haben.
6 Kommentare mit einer Antwort
Geht mir soweit leider gar nicht rein.
Mir gefällts sehr gut bisher, geht wieder deutlich mehr in die Richtung des ersten Albums und klingt sehr nach 80er.
Geht mir wie erwartet mal wieder gar nicht rein, vor allem, da es wieer in Richtung des ersten Albums geht.
*wieder
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
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Fadgas.