laut.de-Kritik

Ein Liebesbrief an Stevie Wonder und den Soul.

Review von

1998 dreht Gus Van Sant eine Neuauflage des Hitchcock-Thrillers "Psycho", die sich bis auf wenige Szenen komplett an die Urfassung hält und erntet dafür vor allem verdutzte Gesichter. Über dem Projekt steht in Großbuchstaben ein einziges Wort. Ein Wort, das mich auch während Macy Grays neuem Album, einer ebenso verwirrenden Neuaufnahme des Stevie Wonder-Klassikers "Talking Book", verfolgt. Es lautet: Warum? Was soll das Ganze?

Eine schlüssige Erklärung kann uns auch die Sängerin, die Anfang des Jahres mit "Covered" bereits so manch einen Song verschandelte, nicht liefern. Sie nennt das Projekt einen Liebesbrief an Stevie Wonder. Ich persönlich käme mir etwas vergackeiert vor, einen Liebesbrief in meinen eigenen Worten zu erhalten, den ich selbst noch vor Jahrzehnten an ganz andere Personen gerichtet habe. Aber vielleicht bin ich da auch etwas kleinlich.

Doch wenigstens bewegt sich die die Sängerin mit der Wahl der Lieder auf bewährtem Terrain. Anstelle von Radiohead, Metallica oder Arcade Fire findet sie den Weg zurück zum R'n'B. Ein Umfeld, in dem die Stimme von Gray wieder wohlplatziert und aufgehoben wirkt.

Das Ergebnis muss sich nicht einmal vor der Vorlage verstecken. "Tuesday Heartbreak" scheint eh wie für Macy Gray geschrieben. "Maybe Your Baby" mutiert zu einem Monstrum mit bissigem Gitarrensolo. Ein schmissiger Beat stellt das ehemals verträumte "You've Got It Bad Girl" auf den Kopf.

Leider scheitert die Amerikanerin ausgerechnet in den wichtigsten Augenblicken. "I Believe (When I Fall In Love It Will Be Forever)" wirkt mitsamt Glockenspiel viel zu glatt und überproduziert, kann sich aber dank eines scharfkantigen Finales noch über die Ziellinie retten.

Das auffälligste neue Arrangement bekommt "Superstition" verpasst. Vielleicht auch aus Angst vor der Wucht des Originals kastriert Gray den dreckigen Funk-Bastard zu einer einschläfernden Kuscheljazz-Version für den kultivierten Großstadtveganer von heute.

Komischerweise funktioniert "Talking Book" über weite Strecken aber doch. Dies liegt zu einem kleinen Teil an der immer noch eindrucksvollen Stimme Grays, vor allem aber an der bereits vierzig Jahre alten Arbeit von Stevie Wonder. Auch ein uninspirierter zweiter Aufguss kann einer der besten Soul/Funk-Platten nichts anhaben. Einen triftigen Grund sich diese Neuauflage anstelle des Originals zu kaufen, lässt sich aber selbst bei stundenlangem Kopfkratzen nicht finden.

Trackliste

  1. 1. You Are The Sunshine Of My Life
  2. 2. Maybe Your Baby
  3. 3. You And I (We Can Conquer The World)
  4. 4. Tuesday Heartbreak
  5. 5. You've Got It Bad Girl
  6. 6. Superstition
  7. 7. Big Brother
  8. 8. Blame It On The Sun
  9. 9. Lookin' For Another Pure Love
  10. 10. I Believe (When I Fall In Love It Will Be Forever)

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