Porträt

laut.de-Biographie

Magma

Schonmal etwas auf Kobaïanisch formuliert? Dann hast du vermutlich bereits zu Magma gesungen. Christian Vander (Schlagzeug) und Laurent Thibault (Bass) gründen die Band 1969 in Frankreich – und mit ihr bald ein völlig neues Genre: Zeuhl.

Das Wort 'Zeuhl' entstammt ebenjener mysteriösen Sprache Kobaïanisch, die Magma erfinden, um in ihren Texten die Geschichte des fiktiven Planeten Kobaïa zu erzählen. Grundlage dafür ist Vander und dem 1970 eingestiegenen Sänger Klaus Blasquiz der im Jazz gebräuchliche Scat-Gesang. Jazz-Elemente finden sich auch in der Musik Magmas. Allerdings gemischt mit denen des aufkommenden Progressive Rock-Stils.

Auf dem Debütalbum "Magma", dessen Titel sich später zu "Kobaïa" ändert, erklingen neben der klassischen Rock-Instrumentierung auch Flöten, Trompeten, Saxophone und Klavier. Später integriert die Band auch liebend gern weibliche Stimmen in ihre teils von Carl Orff und auch John Coltrane beeinflussten Kompositionen.

Fast ebenso schwer wie einen Überblick über die verschlungen konzipierten Stücke Magmas zu behalten, ist es, die Besetzungswechsel nachzuverfolgen. Neben Vander – der einzigen Konstanten in Line-Up – spielen über die Dekaden weit mehr als 50 Musiker bei Magma. Auf dem Debüt sind außer Vander und Blasquiz (François Cahen (Klavier), Claude Engel (Flöte, Gitarre, Vocals), Teddy Lasry (Sopransaxophon, Flöte), Richard Raux (Alt- und Tenorsaxophon, Flöte), Alain Charlery (Trompete, Percussion) und Francis Moze (Bass, Kontrabass) zu hören. Gründungsmitglied Thibault beschränkt sich hier bereits auf die Produktion. Am 1971 folgenden zweiten Album "1001° Centigrades" ist er schon nicht mehr beteiligt. Er gründet das Label Thélème und rafft sich mit eigenen anderen Magmaisten zur Gruppe Univeria Zekt zusammen.

1973 tritt zum ersten Mal Vanders damalige Gattin Stella in Erscheinung, die der Band ab sofort erhalten bleibt. Ihre erste Albumperformance "Mëkanïk Dëstruktï? Kömmandöh" gilt bald als Magmas Meisterwerk und genießt in Prog-Kreisen höchstes Ansehen. Christian Vander kristallisiert sich in dieser Zeit als federführender Songwriter heraus und übernimmt im Studio - neben dem Schlagzeug - auch ab und an das Mikro und die Orgel.

Bereits in den 70ern lösen sich Magma zweimal auf. Jedoch sind die Trennungen jeweils nur von kurzer Dauer. Eine größere Lücke reißt 1984. Fortan widmet sich Vander anderen musikalischen Projekten und legt Magma auf Eis, nachdem er zuvor bereits im Bandrahmen mit Disco- und Funk-Elementen experimentiert. Daneben verlegt er sich verstärkt auf Englisch und Französisch statt auf Kobaïanisch. Zwischenzeitlich erscheinen zwar mehrere verjährte Live-Dokumente und auch eine Alternativ-Version von "Mëkanïk Dëstruktï? Kömmandöh": "Mëkanïk Kömmandöh". Richtig Leben in die Band kommt allerdings erst wieder 1996, als ein Freund Vander überzeugt, für eine Tour zurückzukommen. Zwei Jahre später erscheint mit der Single "Floe Essi/Ektah" neuer Stoff.

Zum 30-jährigen Jubiläum führen Magma bei zwei Shows ihre sogenannte "Theusz Hamtaahk"-Trilogie live auf – bestehend aus den Alben "Wurdah Ïta" und "Mekanïk Destruktïw Kommandöh" sowie "Theusz Hamtaahk", einer Stückesammlung, die zwar schon seit Anfang der 70er existierte, es aber nie ins Studio schafft. Eine zweite Trilogie – "Köhntarkösz" – findet im Lauf der 2000er ihren Abschluss. Der erste Teil, nach dem sie auch benannt ist, erschien bereits 1974. Die Teile zwei und drei folgen 2004 ("K.A.") und 2009 ("Ëmëhntëhtt-Rê"). Der Abschluss scheint der Kreativität Magmas nicht zu schaden, erscheinen doch zwischen 2012 und 2015 gleich drei weitere neue Platten: "Félicité Thösz", "Riah Sahiltaahk" und "Slag Tanz". Auch was Touren angeht, denkt der inzwischen fast 70-jährige Vander nicht daran, kürzer zu treten. 2017 kommt gar eine neue Live-DVD, auf der die 2014 aufgenommene Performance der "Köhntarkösz"-Trilogie zu sehen ist.

Auch wenn Magma nie der ganz große Erfolg und Populrität über die Genregrenzen hinaus vergönnt sind, setzen sie innerhalb dieser doch eine deutliche Duftmarke. Nicht umsonst trägt etwa Opeth-Mastermind Mikael Åkerfeldt gerne Shirts der Franzosen spazieren. Zahlreichen Playern der französischen Jazz- und Prog-Szene – etwa Jannik Top – dient Magma als Sprungbrett, bevor sie als Solokünstler oder mit anderen Projekten Anerkennung bekommen. Zwar ist die Szene des Zeuhl nur eine Nischenbewegung, doch deren Gläubige verehren Magma als Schöpfergott.

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