laut.de-Kritik

James Browns Backgroundsängerin dreht Mick Hucknall eine lange Nase.

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Seit nunmehr einem Monat fluten Soul-Cover-Alben den Schreibtisch: Meshell Ndegeocello verneigt sich vor Nina Simone. Bettye LaVette bringt auf "Thankful 'N' Thoughtful" Neil Young, Tom Waits und den Black Keys den Soul bei. Mick Hucknall versaut selbst die schönsten Nummern mit seinem "American Soul" und Macy Gray covert gleich mal ein ganzes Stevie Wonder-Werk. Stellenweise überschneiden sich die einzelnen Stücke gar. Ein wenig beginne ich zu verzweifeln. Fällt denn niemandem mehr etwas Eigenes ein?

Nun gesellt sich auch Martha High in diese Reihe, ehemals hauptberufliche James Brown-Backgroundsängerin mit Ausflügen zu Aretha Franklin, Ray Charles, George Clinton und vielen weiteren Größen. Unterstützung findet sie dabei in Speedometer, einer weißen schmutzigen Soul- und Funk-Band, wie sie nach dem Erfolg von Daptone und den Dap Kings in den letzten zehn Jahren überall aus dem Boden geschossen sind. Das die Band rund um Andy Fairclough (Hammond Organ) und Leigh Gracie (Gitarre) zu den Besseren ihres Fachs gehört, stellt sie seit ihrem 2003er Debüt "This Is Speedometer" immer wieder unter Beweis.

Mit "No More Heartaches", geschrieben vom Soul Brother No. 1 und im Original von Kollegin Vicki Anderson gesungen, gelingt ein furioser Start. Gleichzeitig zeigt sich aber auch schnell, wie loyal sich Speedometer an die Arrangements der Vorlagen halten. Oft bleibt der einzige Unterschied Martha Highs Stimme. Die hat es allerdings gewaltig in sich. Schließlich überzeugte sie einst mit ihrem Organ den Godfather Of Soul und ich habe mal irgendwo gelesen, dass dieser doch ein wenig Ahnung von seinem Beruf und seiner Berufung hatte.

Erst in Aretha Franklins "Save Me" verlassen Speedometer den Weg einer einfachen Coverband. Andy Faircloughs Hammond Organ gibt dem Lied einen ganz neuen hektischen Drive, der ideal mit der energischen Stimme der Sängerin harmoniert. "Mama Feelgood" passen Speedometer ebenso mit Samthandschuhen an Martha an. Dadurch verliert der Track aber den genialen James Brown-Groove der Lyn Collins-Version. Erstmals bleibt selbst High hinter dem Original ihrer ehemaligen Kollegin zurück.

Mit "I'd Rather Go Blind" dreht Martha High dem Rotschopf Mick Hucknall die lange Nase. Während er auch auf "American Soul" noch kläglich am Etta James-Klassiker scheitert, zeigt ihm die Frau mit den platinblond gefärbten Haaren, wie man es machen sollte.

Die wirklichen Ausfälle bleiben auf "Soul Overdue" rar gesät. Nur "Trouble Man" fällt mit der Erinnerung an Marvin Gaye im Hinterkopf arg blass aus. Zudem braucht in Zeiten von Cro wohl wirklich niemand ein weiteres "Sunny". Erst recht nicht in dieser lieblichen Prilblumen-Version.

Mit "No Man Worries", "You Got Me Started" und "Dragging Me Down" befinden sich zwischen den Selbstläufern drei von Gitarristen Leigh Gracie geschriebene Stücke. Im Grunde stehen diese den anderen Stücken kaum nach. Etwas übel stößt aber auf, dass Gracie selbst hier nicht auf neue Ideen, sondern auf altbewährte Tracks aus dem eigenen Repertoire zurückgegreift.

"No Man Worries" erhält mit einem neuen Snaresound und ein paar Streichern noch einen Hauch von neuem Arrangement. Auf "You Got Me Started" scheint nur der Gesang von Ria Currie gelöscht und von Martha High ersetzt worden zu sein. Ein weiterer Unterschied fällt nicht auf. Die größte Mogelpackung bleibt "Dragging Me Down". Bereits 2010 war der Song eins zu eins und mitsamt Martha auf dem Album "The Shakedown" enthalten.

Die Protagonistin bleibt dennoch eine wundervolle Sängerin und Interpretin - und "Soul Overdue" ein warmes und traditionelles Soul-Album. Losgelöst von den Vorlagen funktioniert es wunderbar. Ein wenig mehr Mut und Experiment beim Aufwärmen der alten Kamellen hätte aber gut getan. Diesen Schuh müssen sich aber nicht die Sängerin, sondern Gracie und Fairclough von Speedometer anziehen, die für Produktion und Arrangement zuständig waren.

Trackliste

  1. 1. No More Heartaches
  2. 2. Trouble Man
  3. 3. Never Never Love A Married Man
  4. 4. I'd Rather Go Blind
  5. 5. No Man Worries
  6. 6. Sunny
  7. 7. You Got It
  8. 8. Save Me
  9. 9. You Got Me Started
  10. 10. Mama Feelgood
  11. 11. Dragging Me Down

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