laut.de-Kritik
Pädagogisch wertvoller Rap trifft auf Fick-deine-Mutter-Rhetorik.
Review von Dominik Lippe"Ich lauf' mit blutroten Nikes durch den Regen und mein Kopf scheppert." Massivs ohnehin stets ausgeprägter Hang zum Pathos erreicht gleich zu Beginn den dunkelroten Bereich. Zum Sound der Panflöte singt er als Indianerhäuptling ohne Stamm sein Klagelied "Die Strasse Hat Uns Nie Geliebt". An seiner Seite tritt nun erstmals auf Albumlänge Manuellsen auf, der ebenfalls eine Neigung zum theatralischen Auftritt besitzt. Glücklicherweise residieren die beiden Rapper nicht durchgehend im Jammertal, sondern wechseln auf "Ghetto" zwischen deprimierter Gemütslage und Zähnefletschen.
In "Es Tut Mir Nicht Leid" befindet sich die Stimmung etwa wieder im freien Fall. Tengobeatz und DJ Desue traktieren die Tränendrüse, während Manuellsen sich selbst reflektiert, um mit stolzgeschwellter Brust auf eigene Unzulänglichkeiten zu verweisen: "Ich weiß, wir lügen, wir betrügen, wir sind falsch und sind gefährlich. Scheiße Mann, genau das macht uns ehrlich." Auch in "Jonny Oder Henny" bleibt der Mülheimer mit seiner 'Wir-ficken-deine-Mutter'-Rhetorik etwas blass neben der hulkesken Inszenierung Massivs: "Wer geht in die Sauna mit der Lederjacke?"
"Es ist immer cooler, wenn du was Witziges mit einer harten Stimme sagst", erzählte Massiv einst im Interview. Davon macht er auf "Ghetto" erneut ausgiebig Gebrauch. Zu den Erschütterungen von "The Purge" schnaubt der dickhäutige Rapper: "Massiv schmiert sich ghettomäßig Blei auf das Toast!" Statt seine Gegner aus dem Weg zu räumen, frisst er sie in "Kulu Kizeb" gleich mit Haut und Haar: "Guck, wie wir die Rapper in die Sour Cream dippen." Und wenn der "Terminator Kanacke" doch mal Verstärkung braucht, erscheint er mit Arabern, "die sich ihre Bärte cutten mit 'ner Axt."
Neben seinem Humor hebt ihn die stets betonte Nächstenliebe von den rappenden Sozialdarwinisten ab. "Bevor ich dir 'ne Waffe in die Hand drück', umarme ich dich lieber hunderttausendmal, bis du Frieden suchst", bringt er in "Warum" auf ebenso rührende wie exemplarische Weise seinen pädagogisch wertvollen Gangsterrap auf den Punkt, "Ich liebe jeden, doch am meisten meinen Feind. Wer bin ich, wenn sogar Allah verzeiht?" Ein solches Ausmaß an Feindesliebe vermag Manuellsen im folgenden "Messerstich" nicht aufzubringen: "Fickst du mit unserer Ehre, gibt's ein' Messerstich."
Einigkeit herrscht hingegen, wenn die beiden Rapper ihr "Heimatland" hinterfragen. Gelungen skizzieren sie, wie schwierig sich der Begriff für Menschen mit Migrationsgeschichte darstellt, wenn ihnen etwa die Alteingesessenen die Akzeptanz verweigern, wie Manuellsen betont: "Fünf Sprachen, Dicka, doch sie öffnen diese Tür nicht." Und dennoch sind sie Deutschland zugeneigt. "Ich liebe dieses Land. Ich schenk' dem Land hier mein Herz", beteuert Massiv, um sogleich eine klare Grenze zum Nationalstolz zu ziehen, "Doch verlieren tut man alles, wenn man 'ne Fahne verehrt."
Wie prägend in diesem Zusammenhang Massivs Jugend-Erfahrungen in Rheinland-Pfalz gewesen sein müssen, verdeutlicht auch der kleinlaut vorgetragene Song "Jede Zeile": "Ich kam aus einem kleinen hasserfüllten Kaff. Glaub' mir, keiner hat auf mich gesetzt, dass ich es hier nach oben schaff'." Statt Rap als Abkürzung zum schnellen Geld zu sehen, nutzt er seine Genre-Leidenschaft, um frühere Verletzungen zu überwinden: "In jeder Zeile steckt 'n Teil meiner Welt. Jede Zeile ist 'ne Form, mich zu erklären. Jede Zeile kostet Geld. Jede Zeile raubt mir Zeit, all die Hasserfüllten zu verdrängen."
Massiv übernimmt somit die Aufgabe, für Zwischentöne zu sorgen. Obwohl er wie eine Dampfwalze durch die Strophen rollt, sorgt er zugleich für den Witz und die Reflexion. Manuellsen spielt wiederum seine Stärken als gefühliger Hook-Lieferant in "Warum", "Heimatland" oder "Es Tut Mir Nicht Leid" aus, rutscht in seinen Parts aber allzu oft in den 'Deine-Sis-verliert-die-Unschuld'-Modus. Das irritiert insbesondere neben dem seit Jahren betont politisch korrekt auftretenden Wahlberliner. So ergänzen sich die Rapper zwar stimmlich, doch laufen in ihren Texten nebeneinander her.
6 Kommentare mit 9 Antworten
cool, dumm und dümmer machen jetzt rap.
bruder wen hast borderlinebiatches viel in deine bed dann du weist du bist massiv
""Es ist immer cooler, wenn du was Witziges mit einer harten Stimme sagst""
Finde seine Stimme seit jeher als übertrieben gepresst, beinahe schon lächerlich.
Und dieses betont politisch korrekte wirkt auch komplett affektiert. Wollte der nicht schon vor Jahren seine Tattoos entfernen lassen, weil das ja ganz dolle Haram ist?
Ungehört 1/5, warte immernoch auf die Tipps vom gläubigen Muslim Sodibrudi.
Du solltest langsam mal wieder dazu übergehen fokussierter und zielgerichteter music zu konsumieren. Dein wahllos Konsum ist nicht zielgerichtet. Anspieltips: Terminator Kanacke, Denkmal und Luxus.
Und Dir empfehle ich einen Blick über den Tellerrand, Scheuklappen runter und dann meine Anspieltipps für Tori Amos hören: Spies, 29 Years, Swim to New York State.
Meinung zu Deinen Tipps dann heute Abend im gegenseitigen Austausch, yooo
"Manuellsen spielt wiederum seine Stärken als gefühliger Hook-Lieferant"
Aka Jammergesang für den Sondermüll.
1/5 für diesen Kernschrott ...
richtig stark geworden! habe aber nach den singles auch nix anderes erwartet. manuellsen endlich wieder raptechnisch stark und nicht nur als erfüllungsgehilfe bei den hooks. beides absolute ehrenmänner und gute rechtgläubige!
*superkusssmiley*
für alle leute die mögen us rap müssen hören diese platte qualitat von massivs raps ist noch besser als letzte mal er hat sehr viel technik und skillz gemacht auf album das klingt wie muzik aus usa
Endlich mal eine ausführliche Rezension von dir, mein Lieber. Mehr davon.
mir gefällt besonders die track by track philosophie
ja bruder phlosophie ist immer guten ansatz für rezesnione
Bin eigentlich Fan von Manuellsen's Musik, aber musikalisch betrachtet hatte ich nach diesen verstaubt klingenden singles echt das Interesse verloren.