laut.de-Kritik
Massiv ist ein Paradebeispiel für unfreiwillige Komik.
Review von Dani FrommWarum auch immer: Ghettorap boomt. So kann man den Großen im Geschäft kaum verdenken, dass sie ihr Stück vom Kuchen abbekommen möchten. Auch wenn der Zug 2007 nicht nur längst abgefahren ist sondern bereits mit Höchstgeschwindigkeit auf die Betonwand zuhält. Bei Sony BMG wollte man eben einen Gangsta-Rapper und investiert nicht gerade unerheblich in die äußerst plakative Figur Massiv.
Ein Schrank von einem Kerl, tätowiert, mit dem bösen Blick gesegnet: Fertig scheint in den Augen derer, die früher einmal Talent(!)scouts hießen, der Rap-Star. Der wird nun mit der finanziellen Macht eines Major-Labels im Rücken penetrant vermarktet. Bei dem Gedanken, wie sich das auf das ohnehin auf das übelste ramponierte Bild, das die Medien von dem komplexen Phänomen Deutschrap zeichnen, auswirken wird, möchte ich mich gepflegt übergeben. Das nur am Rande. "Das ist kein Fluch, das ist Schicksal."
"Wir Kanaken landen immer im Gerichtssaal." Mit Massiv selbst hart ins Gericht zu gehen, fällt beinahe schwer. Bei der einzigen Regung, die dieser Koloss in mir auslöst, handelt es sich erstaunlicherweise um Mitgefühl. Wie kann es sein, dass ein Junge, der in der schönen Pfalz zur Welt kam, außerstande ist, einen geraden Satz zu formulieren? Wie kann es sein, dass jemand, der unterhalten möchte (was sonst wäre das Ziel eines Rap-Musikers?), keinerlei Spaß an seiner Tätigkeit vermittelt? Wie kann es sein, dass jemand, der so krampfhaft versucht, sich mitzuteilen, nicht den Hauch einer Botschaft transportiert?
"Blut Gegen Blut" liefert nichts, als eine wirre Aneinanderreihung sich zum Teil noch stetig wiederholender Phrasen. Da wird die arabische Herkunft zelebriert, gleichzeitig aber Wedding als das eigene Revier markiert. "Das ist mein Bezirk, geh von hier nicht weg." Nee, weggegangen ist man ja bereits. Das Pflaster der Schuhmacherstadt Pirmasens war wohl nicht hart genug. Letztlich ist das ja auch egal, "weil Deutschland meine Straße ist".
Schlagwort folgt auf Schlagwort. Ein wahlloser Griff in den Topf ergibt: Blut, Krieg, Messer, Massenschlägerei, Blut, Sprengstoff, Granate, Blut, Al Qaida, Kugel, Blut, Opium, Blut, Schrotflinte, Schlagring, Kettensäge, Blut, Hungersnot, Massenhysterie, Blut, Blut, eine Magnum, Panzer, Gewalt. Erwähnte ich bereits das Blut, das entweder spritzt oder am Bordstein hängt - oder beides? "Ich hab Blut geweint" hören wir mehrfach. Taschentuch? Halt, nein. Ich brauch' es selber, um Rotz und Wasser aufzufangen, die mir die Verzweiflung ob dieser Vergewaltigung meines Lieblingsgenres aus dem Gesicht treibt.
Die Beats entsprechen der "Thematik". Tiefe Bässe und finstere Synthies grummeln um die Knöchel, ab und an gewürzt mit Stimmsamples, ein paar Streichern oder etwas Klavier. Der stechende Sound in "Ghettolied" erinnert beinahe an ein Cembalo, während der Remix der Beathovanz deutlich Piano-lastiger daher kommt. Desues melodisch-mächtige Grundlage zu "Al Massiva": astrein. Woroc, Kaisa Sosa und insbesondere Flashgordon (unter anderem für "Scheiß Auf Den Club") leisten ebenfalls ordentliche Produzenten-Arbeit, die aber, wie auch die vernachlässigbaren Gastauftritte von Sido, Basstard, B-Tight und Konsorten, von Massivs Vortrag vollkommen übertüncht werden.
"Es ist Massiv, der deutschen Rap wegradiert." Wie wahr. Was hier geboten wird, hat weder mit deutscher Sprache noch mit Rap im entferntesten zu tun. Schon im Intro ist es weniger der Titel als der grammatikalische Bock, wo mein Kopf fickt. Rap lebt von Flow, von Reimen, von Witz, von Stories - nichts von alledem findet man auf "Blut Gegen Blut". Das einzig Hörenswerte an Massivs Performance bildet - neben dem fast fränkisch gerrrollten "R" - der stellenweise aberwitzig irre Unterton, mit dem er seine Zeilen herauspresst: Wären seine Stimmbänder Augen, sie wären derart verdreht, dass nur das Weiße zu sehen ist, das gefällt. Abgesehen davon dient "Blut Gegen Blut" höchstens als Paradebeispiel unfreiwilliger Komik. "Selbstbewusst trage ich die Handschellen, mache Ramadan, bis mich jedes Land kennt."
"Mein Atem ist Stickstoff, Mann, bin ich ein Hitzkopf." Zum Glück habe ich meinem rudimentären naturwissenschaftlichen Verständnis bereis bei der Ansage "Ich bleibe ich, bis meine Lunge den Sauerstoff unterbricht" eins übergezogen, damit es Ruhe gibt. Demzufolge störe ich mich auch kaum noch an herzerfrischenden Logik-Brüchen. "Sehr streng erzogen, in meine Haut eingebrannt, ein Merkmal das von meiner Mutter stammt", heißt es in "Heimatland". Keine drei Tracks später: "Ich bin schlecht erzogen." Sieh an.
"Hör, was deine Mutter sagt: Lass die Hände weg vom Alkohol." Alkohol ist nämlich Haram. Oho! "Ich nehme egal welche Frau mit in den Wald." Haram? Kokain, anyone? "Komm, kauf ne Hand voll!" Haram? "Mit der Magnum an der Schläfe bedroh ich den DJ." Haram? Okay, das bestimmt nicht ... Aber: "Mein Schwanz ist so hart, voll automatik, direkt in dein Arsch." Ich wage, ohne Islamwissenschaftler zu sein, die Vermutung, dass wir es hierbei, wie Pillath so schön formulierte, mit Harams großem Bruder zu tun bekommen.
Also, was jetzt? Massiv ernst nehmen? Dann würden mir Zeilen wie "Scheiß auf das Menschenrecht und das Grundgesetz" doch sehr sauer aufstoßen. Ihn belächeln und bemitleiden? Oder ein bisschen Blut weinen um den verschenkten riesigen Promo-Etat, mit dem man einem jungen Rapper einen Start hätte ermöglichen können, der der angeknacksten Reputation des deutschen Hip Hop nicht noch zusätzlich einen Schlagring an den Schädel drischt? Ich nehm' Tor 3 - und brauch' jetzt erst mal ein Stück Brot.
763 Kommentare
ERSTER !!!!!!
*hähä*
und jetzt erstmal lesen...
Zitat (« "Hör, was deine Mutter sagt: Lass die Hände weg vom Alkohol." Alkohol ist nämlich Haram. Oho! "Ich nehme egal welche Frau mit in den Wald." Haram? Kokain, anyone? "Komm, kauf ne Hand voll!" Haram? "Mit der Magnum an der Schläfe bedroh ich den DJ." Haram? Okay, das bestimmt nicht ... Aber: "Mein Schwanz ist so hart, voll automatik, direkt in dein Arsch." Ich wage, ohne Islamwissenschaftler zu sein, die Vermutung, dass wir es hierbei, wie Pillath so schön formulierte, mit Harams großem Bruder zu tun bekommen. »):
ich liebe dich, frau
Zitat (« "Mein Atem ist Stickstoff, Mann, bin ich ein Hitzkopf." Zum Glück habe ich meinem rudimentären naturwissenschaftlichen Verständnis bereis bei der Ansage "Ich bleibe ich, bis meine Lunge den Sauerstoff unterbricht" eins übergezogen, damit es Ruhe gibt. Demzufolge störe ich mich auch kaum noch an herzerfrischenden Logik-Brüchen. "Sehr streng erzogen, in meine Haut eingebrannt, ein Merkmal das von meiner Mutter stammt", heißt es in "Heimatland". Keine drei Tracks später: "Ich bin schlecht erzogen." Sieh an. »):
ich auch!!!
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amysant ..und dann anderer leute wortschatz kritisieren und verallgemeinern
köstlich
@Joen Faret (« Nach so viel Medienrummel und Hype um den GermanGangsterRapper Massiv, endlich eine faire unbd Objektive Kritik! Sehr real und amysant zu lesen (finde Ich). Was passiert wenn man sich eín genre packt und ausschlachtet kann einfach nicht gut werden, und das das er keinerlei freude an dem zeigt was er tuht (passion Leidenschaft) sagt mehr als sein wortschatz (der im übrigen mit den ergebnissen von Pisa für 8klässler übereinstimmt) in der lage ist wieder zu geben! Danke für deinen Artikel...Joen Faret »):
Ganz großer Bullshit, wow.
Aber die von Garret angesprochene Wortschatzkritik mit desaströsester Rechtschreibeschwäche zu kommentieren, verdient schon irgendwo wieder Respekt.