laut.de-Kritik
Doo-Wop von der Anti-Barbie für die Musicalbühne.
Review von Magnus HesseWann kommt Zac Efron mit nach hinten geklatschter Glitsch-Tolle fingerschnipsend um die Ecke getanzt und kämmt sich in einer ausschweifenden Handbewegung die Strähne aus der Stirn? Das zumindest fragt man sich beim Anspielen von "Title", das wie die vertonte Neuauflage des Musicals "Hairspray" mit Meghan Trainor in der Hauptrolle daherkommt.
Trällernd spaziert die Göre als Primadonna-Gegenentwurf auf dem Schulweg über den blitzblanken Broadway-Bordstein an den freundlich grüßenden Ladenbesitzern und Straßenkehrern vorbei und träumt laut und mit verschmitztem Grinsen von ihrem Schwarm. So oder so ähnlich stellt man sich die Spotlight-Szenerie vor, die die retro-swingenden Show-Einlagen auf "Title" unmittelbar evozieren.
Wie eine etwas flapsigere Version von Adele spielt Trainor darin die selbstbestimmte Biene, die den Herzbuben mal zeigt, wo die Himbeeren hängen. In der High-School-Powerballade "Dear Future Husband" dürfen potentielle Anwärter schon mal den Stift zücken und sich notieren, auf welcher Bettseite Miss Meghan später gerne liegen würde. Hier greifen die Sängerin und Komponist Kevin Kadish sogar zu Trick 17 und kauen den Refrain zwischendurch noch mal ganz in Gassenschlager-Tradition einen Ganzton höher durch. Erwähnenswert an dieser Stelle, dass die gleichermaßen kompositionserprobte Trainor bei jedem Song mit Feder führte und sich nicht dem Produzenten-Team auslieferte.
Ganz im Stile ihres als Hymne gegen den Schlankheitswahn junger Frauen interpretierten Mega-Hits "All About That Bass" groovt die Newcomerin oft mit angehobener Augenbraue über bluesigen Kontrabass-Läufen, eingebettet in Bläser-Pomp. Im schmachtenden "What If I" sonnen sich Streicher und die verführerisch aufgelegte Stimme Trainors im Glanz kuschelrockender Glam-Gitarren in Abschlussball-Atmosphäre.
Ähnlich soft landet "Like I'm Gonna Lose You" in Zuckerwatten-R'n'B mit einem John Legend, der wie gewohnt dahinschmilzt wie Sahnetorte in der Sonne. "Bang Dem Sticks" soll das Pendel dann noch mal in Richtung Hip-Hop herumreißen, aber mit Kesha-Rap und einigermaßen uncoolem 90er-Beat ruft das eher Erinnerungen an "Emanuela" wach.
Da die Anti-Barbie aber eigentlich unserem Zeitalter angehört, das nun mal von Pop-Püppchen wie Katy Perry, Hashtags und Emoticons dominiert wird, entlarvt sich ihre Souligkeit letztlich doch als gar nicht so neue Masche, um Chart-Mukke etwas mehr Boogie unterzuschieben.
Denn insgesamt geht die Platte zu viele Kompromisse ein und lässt Trainor etwas im Taumel zwischen Doo-Wop-Hommage und Wuppdich-Pop zurück. Ihre überproduzierte Stimme leiht sie leichtfertig Songs, die sich nur selten vom Pseudo-Vintage-Status emanzipieren können. So lassen diese Ohrwurm-Tracks vor allem gutmütige Hobby-Blueser das Hüftgold schwingen, ohne dabei musikalisch so anzuecken wie offensichtlich ihre Texte, denen manch einer eine Feminismus-Debatte abgewinnen kann.
9 Kommentare mit einer Antwort
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Würde der Platte ne 4/5 geben. Sicher, es ist nicht die beste Platte der letzten zwei Monate, aber trotzdem hat sie nen gewissen Charme und ihre Stimme hat was angenehmes.
Auch ist es ein schöner Gegenentwurf zu der normalen Popscheiße die sonst so in den Charts ist.
Ungefair so Anti Pop wie Avril Lavine in ihrer Anfangszeit
Also 'All about that bass' fand ich von der Idee her ganz cool, aber das Lied war einfach nach 3 mal hören mega nervig. Die neue Single find ich wesentlich besser, weil der Song nicht so aufdringlich ist. Das Album würd ich mir wahrscheinlich trotzdem nicht kaufen.
Ganz ganz ganz ganz ganz eklig.
Anti-Barbie? Echt jetzt? Das Gegenteil von Katy Perry? Von der Haarfarbe her vielleicht...