laut.de-Kritik
Kleinod an zurückhaltender und einfühlsamer Musik.
Review von Gregory BritschMichael Brecker, Michael Brecker, soll ich jetzt wirklich erklären, wer Michael Brecker ist? Wer bisher durchs Hörerleben kam, ohne auf Michael Brecker zu stoßen, hat mit Jazz offensichtlich nichts am Hut gehabt und wird dann mit "Nearness of You - The Ballad Book" auch nicht viel anfangen können.
Für diese Leute also die Kurzfassung: Michael Brecker ist einer der wichtigsten Saxophonisten unserer Zeit und seine Balladenplatte wirkt bei dem entsprechenden Publikum vermutlich ähnlich wie "Moon Safari" von Air bei der breiten Masse. Wer also das Herz der etwas kopflastigen Bibliotheksgehilfin erobern möchte, besucht sie an einem regnerischen Abend mit dieser Platte und einer guten Flasche Rotwein.
Zur Sache: Ob es nun wirklich nötig ist, eine reine Balladen-Platte zu produzieren, mag jeder selbst beurteilen. Wenn man neben Michael Brecker dann aber noch Herbie Hancock, Jack de Johnette, Charlie Haden, und Pat Metheny versammelt, kann man relativ sicher sein, ein Album aufzunehmen, das zum Einen musikalisch über jeden Zweifel erhaben ist, und zum Anderen schon aufgrund der großen Namen so viele Käufer anzieht, dass sich ein solches Spartenprojekt rechnet.
Heraus gekommen ist dabei allerdings ein Kleinod an zurückhaltender und einfühlsamer Musik. Die Melodien, oft mehr gehaucht als geblasenen, fordern ein Höchstmaß an Zurückhaltung und alle Beteiligten sind sensibel genug um ein filigranes musikalisches Netz zu spinnen, das dem Hörer fast schon ein Gefühl von Intimität vermittelt. Die Musiker spielen mit traumwandlerischer Sicherheit zusammen (Wer hätte etwas anderes erwartet?) und liefern ein homogenes Geflecht, das aber immer genügend Lücken lässt, um dem Moment Zeit zu geben.
Wer also die halsbrecherischen Parts anderer Schaffensperioden Breckers bevorzugt, die Heerscharen von Saxophonisten in bürgerliche Berufe getrieben haben, wird hier nicht bedient. Es gibt verschiedene Wege, Virtuosität unter Beweis zu stellen. Oder zumindest mit ihr umzugehen, denn unter Beweis stellen muss Michael Brecker nichts mehr. Die zwei Stücke, bei denen James Taylor als Sänger das Quintett unterstützt, geben der Platte weitere Impulse, die ihr gut tun. Sie machen sie bunter und geben ihr mehr Bodenhaftung. Es ist natürlich eine typische Brecker-Platte, und wer ihn und seinen Stil nicht mochte, wird seine Meinung nicht ändern.
Für mich ist die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Balladenplatte hinreichend geklärt: Wenn man sie so macht, dann kann man sie ruhig machen.
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