laut.de-Kritik

1994 ist lange her: Paddy Kelly ist runter vom Hausboot.

Review von

Musik aus dem Jahr 1994? Lasst mich mal überlegen ... Scooter? Ja, stimmt. "Hyper Hyper". Was gab's noch? Ace Of Base waren dick im Geschäft. Die "Get A Grip"-Tour von Aerosmith schwirrt mir auch noch im Kopf rum. DJ Bobo? Ja, der turnte seinerzeit auch durch die größten Hallen der Republik. Und natürlich unvergessen: die Kelly Family!

Wer erinnert sich nicht an den kleinen pausbackigen Angelo und den stets grimmig dreinblickenden Joey? Auch das inbrünstig schallende Organ von Maite klingelt noch in meinen Ohren. Aber der Ober-Kelly war natürlich Paddy. Haare bis zum Hintern, ein Dauerlächeln im Gesicht: Die Mädels fielen damals reihenweise in Ohnmacht. Heute drehen sich nur noch die die eingefleischtesten von einst auf der Straße um, wenn der mittlerweile 37-jährige Michael Patrick "Paddy" Kelly sein Haus verlässt.

Die Haare sind schon lange ab. Und auch sonst erinnert nur noch wenig an den Teenie-Star vergangener Tage. Paddy ist erwachsen geworden. Ganz alleine? Nein, natürlich nicht. Einer, der ihm in den vergangenen Jahren ganz besonders treu zur Seite stand, ist der liebe Gott. Paddy verbrachte sogar sechs Jahre in einem Kloster. Dort standen dann Dinge wie Kartoffeln schälen, den Müll trennen, beten und studieren an der Tagesordnung. Was für ein Extremsportler, oder? Erst ein Leben auf der Straße, in Booten und in Schlössern. Und dann plötzlich komplett weg vom Radar. Respekt.

Ein normales Leben hat Michael Patrick Kelly nie geführt. Das soll sich nun endlich ändern. Der Sänger und Multiinstrumentalist strebt eine Balance zwischen den Extremen an. Dabei helfen soll ihm vor allem die Musik. Seine Familie bleibt allerdings außen vor. Michael Patrick Kelly will es alleine schaffen. Wobei es ihm nicht so sehr um den großen zweiten Reibach seiner Karriere geht, sondern viel mehr um das endgültige Lösen alter Ketten.

Paddys zweites Soloalbum heißt "Human". Mit fast schon entschuldigendem Blick posiert der gebürtige Ire auf dem Cover. Kein Glamour, kein Glitter, kein Tamtam. Den Spitznamen Paddy sucht man ebenfalls vergeblich. Michael Patrick Kelly steht in dicken Lettern über dem Albumtitel. Auch musikalisch präsentiert sich der ehemalige Klosterbruder gereift.

Sicher, hin und wieder scheint sie durch, die Vergangenheit im luftig bunten Altkleider-Look. Songs wie der blumige Opener "Shake Away", der klingt, als hätte James Blunt eine Tüte Gummibärchen zu viel verputzt oder die beiden Ohoho- und Tralala-Dramen "Little Giants" und "Renegade" hätten sicher auch auf "Over The Hump" eine gute Figur abgegeben. Der Rest des Albums hingegen wehrt sich mit Erfolg gegen Hausboot- und Zirkuszelt-Vergleiche.

Da wären beispielsweise die beiden zwischen Licht und Schatten pendelnden Folk-Pop-Dreieinhalbminüter "Beautiful Soul" und "Flag"; zwei Songs, die sich vor der Genre-Konkurrenz nicht verstecken müssen. Auch das von einem feinen Mandolinen-Thema getragene "Happiness" verbreitet gute Laune.

Überhaupt präsentiert sich Michael Patrick Kelly umgeben von viel Hoffnung und Vorfreude. Mit seiner immer noch markanten Stimme predigt der Sänger das Leben, die Liebe und den Zusammenhalt. Sensationell klingt sicherlich anders. Aber den Button mit der Aufschrift "solide" verdient sich "Human" allemal. Was der Alleinunterhalter mitsamt seinem Studio-Gefolge bietet, ist harmonisch arrangierter Singer/Songwriter-Pop ohne allzu viele Ecken und Kanten. Auf jeden Fall interessanter als im Schatten von Stefan Raab Plastik-Pokale anzuhäufen.

Trackliste

  1. 1. Shake Away
  2. 2. Beautiful Soul
  3. 3. Little Giants
  4. 4. Flag
  5. 5. Out Of Touch
  6. 6. Rose Of Jericho (The Waltz)
  7. 7. Renegade
  8. 8. Happiness
  9. 9. Safe Hands
  10. 10. Here To Stay
  11. 11. Beautiful Soul (Reprise)

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