laut.de-Kritik
It's beat time, it's monk time: Hier wird Punk erfunden.
Review von Daniel StraubDie 60er Jahre waren ein revolutionäres Jahrzehnt, gerade auch in musikalischer Hinsicht. Von Großbritannien aus erfasste die Beatlemania zunächst den Kontinent und danach den Rest. Beat und Pilzkopf etablierten sich schnell als Insignien der Jugend. Von San Francisco aus traten die psychedelischen Bands der Hippie-Generation ihren Siegeszug um die Welt an.
Deutschland spielt bei all diesen Entwicklungen eine untergeordnete Rolle. Die Werte der 60er Jahre sind hier ganz andere: Berauscht vom an Fahrt gewinnenden Wirtschaftswunder konzentriert man sich vor allem darauf, den Wohlstand zu vermehren. In ganz Deutschland?
Nein! In einer kleinen deutschen Garnisonsstadt, mitten im verschlafenen Wirtschaftswunderland, nimmt eine musikalische Revolution ihren Anfang, deren wahre Tragweite erst viele Jahrzehnte später so richtig ins Bewusstsein durchdringt. Im Zentrum dieser heimlichen subkulturellen Umwälzung stehen The Monks.
Zu ihren Fans gehören heute Henry Rollins, die Beastie Boys, Jochen Irmler von der Krautrock-Band Faust, Jon Spencer, die Goldenen Zitronen und der exzentrische Performer Genesis P-Orridge (Throbbing Gristle, Psychic TV). Auch Produzenten-Legende Rick Rubin verweist beim Thema Prägende Einflüsse auf The Monks.
Die fünf Musiker sind nun Protagonisten in der vorliegenden Dokumentation der Filmemacher Dietmar Post und Lucia Palacios. Nach erfolgreichen Auftritten bei internationalen Filmfestivals und der Auszeichnung mit dem renommierten Adolf-Grimme-Preis im vergangenen Jahr erscheint der Film nun endlich auch auf DVD. Er arbeitet damit nicht nur die Geschichte der Monks filmisch auf, sondern schließt zugleich auch eine kulturgeschichtliche Lücke. Denn "The Transatlantic Feedback" ist viel mehr als die bloße Aneinanderreihung von Fakten, die sich dann zur Bandhistorie verdichten.
Die Dokumentation begeistert mit ihrem detailverliebten Blick auf das Deutschland der frühen 60er Jahre, wo sich in Locations wie dem Stuttgarter Odeon-Keller und dem Hamburger Star Club eine neue Subkultur herausbildet. Beat ist der Sound, der die Alten schockiert und die Jungen fasziniert. Das nicht zuletzt deshalb, weil er in scharfer Opposition zum Mainstream steht. Dessen bekannteste Repräsentanten Heintje und Peter Alexander begeistern ihr Publikum mit weichgespülten Schlagersongs, gerne mit pseudo-rebellischem Gestentum.
Dieser Idylle setzen The Monks ihre harten, rhythmischen Songs entgegen. Roh, repetitiv und auf einige wesentliche Elemente reduziert, verstehen sich die fünf GIs von Beginn an auch als konzeptioneller Gegenentwurf zum melodiösen Beat-Sound der Beatles. Von den britischen Superstars grenzen sich The Monks nicht nur musikalisch scharf ab. Mit Tonsur auf dem Kopf und Schlinge anstelle von Krawatte um den Hals, strahlt die Band eine Dunkelheit aus, die sie für den Mainstream ungenießbar macht. So verwundert es nicht, dass The Monks die große Anerkennung versagt bleibt.
Zwar nehmen sie 1966 ihr Album "Black Monk Time" auf, landen mit "Boys Are Boys And Girls Are Joys" einen kleinen Hit und veröffentlichen im Anschluss noch die Single "Complication". Die Verkaufszahlen bleiben aber weit hinter den Erwartungen ihres Labels Polydor zurück. Gerade als die beiden Bandmanager ein paar Konzertaufritte in Asien arrangiert haben, steigt Schlagzeuger Roger Johnston aus. Das bedeutet zugleich das Ende der Formation. Die übrigen Mitglieder bauen sich in der Folge eine private Existenz auf, das Kapitel The Monks fällt zunächst der Vergessenheit anheim.
Erst in den 90er Jahren entdeckt eine Generation von Musikern diesen Sound wieder, und das Interesse an der Band erwacht von Neuem. Es ist geht einem extrem nahe zu sehen, wie sich die fünf Musiker nach beinahe 40 Jahren wiedertreffen, um nun die Früchte zu ernten. Erstmals treten sie 1999 außerhalb von Deutschland auf, stehen in New York auf der Bühne und werden von Musikern wie Jon Spencer (der seine Aufregung nur mühsam kaschieren kann) und Genesis P-Orridge bejubelt. Erst jetzt scheinen sie zu begreifen: Ihr Schaffen legte den Grundstein für Hardrock, Punk, manche sagen sogar für Techno. Wer derart visionär in die Zukunft blickt, dem bleibt die Anerkennung seiner Zeigenossen zumeist verweigert.
Die rund drei Stunden lange DVD enthält neben dem eigentlichen Film auch umfangreiches Bonusmaterial. Zu den Highlights zählen sicherlich die erstmals ungeschnitten veröffentlichten Aufnahmen aus dem Bremer Beat-Club und dem Frankfurter Beat, Beat, Beat. Fotos und weitere Informationen im Booklet vervollständigen das Bild der Monks. Den Schlusspunkt setzen die Trailer sowie Outtakes zum Film. Somit bietet die DVD einen genauso liebevollen wie interessanten Einblick in eine Zeit, als die Popkultur in Deutschland ihren ersten großen Höhenflug erlebte. Ein Klassiker unter den Musikdokumentationen. It's beat time, it's monk time!
4 Kommentare
dass die monks 2004 in zürich gespielt haben und ich sie erst seit letzter woche kenne, ist eine meiner größten persönlichen niederlagen, schnüff!
Is das die gleiche Reportage, die vor ein paar Monaten, oder nem halben Jahr auf Arte lief oder war es 3sat, fand ich ziemlich cool.
Ich kannte die vorher nämlich auch nicht - leider.
Das würde mich auch interessieren. 3sat war da echt ein Schatz.
The Monks waren mir schon vorher ein Begriff, kannte aber nicht die Hintergründe.
Für mich sind sie eines der wahren Highlights der 60er. Interessanter als die Großen aus dieser Zeit, für damals Zeit aber noch zu experimentell. Wirklich schade.
mit den monks kam ich leider erst in berührung, als ein kumpel mit seiner beatclub compilation zu besuch war; ich war fassungslos- hier kann man mit fug und recht behaupten: die waren ihrer zeit voraus-und das nicht nur ein paar jährchen.....