laut.de-Kritik

Discounter-Grusel im Wachsfigurenkabinett.

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Vorsicht, die Vampire treiben um und schlagen ihre Milchzähne in alles, was Eisen im Blut hat und nicht bei Sonnenuntergang mit Knoblauchöl beschmiert ist. Motionless In White saugen sich auf "Disguise" quer durch die Metal-Landschaft und setzen sich passend zum Artwork eine Maske nach der anderen auf. Für jeden gibts ein bisschen was. Individualität existiert hier nur in den Storyline der Texte.

Der Titeltrack kommt noch relativ experimentfrei aus. "Disguise" schicken Motionless In White als komfortable Metalcore-Nummer voraus. Ein bisschen Emo für die Kids, ein paar altbackene Scratch-Effekt-Vocals für die Nu Metaller, für die Brutalos gehts im Breakdown kurz Richtung Emmure, und verhaltene Industrial-Vibes für die eigene Imagepflege.

Dann beginnt der Ritt, bei "Undead Ahead 2: The Tale Of The Midnight Ride 2" sogar im Wortsinne. Ihre zweite Ode an den Reiter von "Sleepy Hollow" garnieren die US-Amerikaner mit sinfonischen Streichern und Black Metal-Vocals. "With Lucifer as witness" grüßen Dimmu Borgir vom Wegesrand. Der Emo-Refrain steht trotzdem. Genau wie in der Slipknot-Kopie "Thoughts & Prayers", dem Trancecore-Ausflug "/c0de" und dem mit Tool-Bass gepimpten "Headache". Egal was kommt: mindestens eine schwülstige Clean-Hook muss rein.

Oft erinnern diese Hooks an Three Days Grace, Breaking Benjamin und Bullet For My Valentine, seltener an Trivium. Hängen bleibt, ertränkt von hyperaktiven Arrangements drumherum, kaum eine. Darunter leidet freilich noch mehr als nur die Vocals. Während wie schon erwähnt das zentrale Riff in "Headache" stark an Tool erinnert, missachten Motionless In White doch das Schlüsselelement der Progger: Transparenz. Statt den Instrumenten Platz zum Atmen und Wirken zu lassen, kleistern den Song mit allem erdenklichen Firlefanz zu. Gangshouts, Synthesizer, flächige Drumspuren, Scratches, dicke Powerchord-Wände und obenauf noch ein Gitarrenlead streiten sich gleichzeitig um die besten Plätze im Mix, das Intro-Riff ist längst vergessen, jeglicher Fokus verloren.

Je länger der Zirkus dauert, desto mehr wähnt man sich in einer miesen Geisterbahn, wo Quantität fehlende Qualität wettmachen soll. Höhe- bzw. Tiefpunkt dieses Discounter-Grusels: "Good evening. You're listening to Broadcasting From Beyond The Grave. Tonight's chilling episode: Death Inc." Stünden Marilyn Manson und Rob Zombie auf dieser offensichtlich von ihnen inspirierten Gothic-Disco, würden sie sich wahrscheinlich am Kopf kratzen und fragen: "Was haben wir nur falsch gemacht?"

Davon unbeeindruckt spittet Chris Motionless eine Strophe, nach der man vor Fremdscham am liebsten wieder ins Grab zurücksinken möchte: "You're not fucking with us / We're not fucking with you / So you can fuck yourself / And your puppet suit / You're the wizard of flaws / We've got nothing to lose / So you can fuck yourself / And your little dog too" Nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was euch sonst noch textlich im Song erwartet.

Eins muss man Motionless In White jedoch lassen: Egal in welche stilistische Richtung es sie auch verschlägt, sie finden immer ihren Weg zurück zum Metalcore-Kern ihres Sounds. Die Parts mögen einem (mir zumindest) nicht gefallen, aber kompositorisch schlüssig verknüpft sind sie. Den Mangel an eigenen Ideen kaschiert die Band, indem sie Mashups kreiert. Wer sie schon auf früheren Alben dafür schätzte, wird auch "Disguise" genießen. Motionless In White sind wie ein Wachsfigurenkabinett, in dem bei jedem Besuch ein paar neue bekannte Gesichter stehen.

Trackliste

  1. 1. Disguise
  2. 2. Headache
  3. 3. /c0de
  4. 4. Thoughts & Prayers
  5. 5. Legacy
  6. 6. Undead Ahead: The Tale Of The Midnight Ride
  7. 7. Holding On To Smoke
  8. 8. Another Life
  9. 9. Broadcasting From Beyond The Grave: Death Inc.
  10. 10. Brand New Numb
  11. 11. Catharsis

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