laut.de-Kritik

Die Sängerin hat Mühe, sich durchzusetzen.

Review von

2006 war das Jahr von Nelly Furtado. In der Vergangenheit eher als hippe Folkloresängerin bekannt, erbarmte sich Timbaland ihrer und schoss sie mit dem Album "Loose" ans Firmament. Nun war sie auf Welttournee und präsentierte ihr neu entdecktes R'n'B-Talent. "Loose – The Concert" dokumentiert diese Konzertreise.

"Afraid" heißt das erste Stück. Nach ungefähr einer Minute weiß man auch warum. eine penetrant verzerrte Gitarre in Moll unterstützt den dunklen, grollenden Bass. Wenn jetzt nicht bald die Nelly anfängt, renn ich raus vor Angst. Endlich hört man sie - doch ist das wirklich Nelly oder doch nur der Backgroundchor? Vielleicht hat sie der Sound zu sehr eingeschüchtert: Das Intro endet schließlich im Synthesizermatsch und einer Nellystimme im Effektgerät.

Der Synthesizermatsch tropft auch in den zweiten Track, wird jetzt aber von einem trampelnden Schlagzeug durchgerührt. Das könnte der Beat von "Say It Right" sein. Doch was macht der Mischer da? Die Becken sind so laut und übertrieben ins Stereopanorama gesetzt, dass es fast schon lächerlich klingt.

Man glaubt es kaum, aber das geht den ganzen Song so weiter. Auch nachdem Nelly einsetzt, walzt das Schlagzeug alles nieder, was ihm in den Weg kommt. Dazu gibt's Bass, Bass Drum, Bass Guitar und für alle, denen es noch nicht reicht, obendrauf noch einen Synthesizerbass à la Andrea Berg. Die Sängerin hat Mühe, sich durchzusetzen.

"Do It" bestätigt den ersten Eindruck, dass das Konzert eher einem Besuch in Timbalands Studio ähnelt. Die Produzenten sparen nicht mit Soundeffekten, dafür aber mit jeglicher Interpretationsfreiheit. Die Musiker haben nicht einmal den Hauch einer Chance, Livefeeling zu erzeugen. Der Schlagzeuger ist damit beschäftigt, das Tempo des Sequenzers zu halten, und auch der Gitarrist wird nur zur vorgeschriebenen Auslaufzeit und mit gestutzten Krallen freigelassen. Auch hier hat der Soundengineer eine unfreundliche Erwähnung verdient.

Es kommt noch schlimmer, wie kann man nur ein schönes Stück wie "I'm Like A Bird" so verhunzen? Nun, alles was man dazu braucht, ist eine verzerrte Gitarre, die nur Powerchords spielt, einen mies gelaunten Drummer, einen Soulsänger, der ständig dazwischen gospelt, und wenn das immer noch nicht reicht, dann spielt man das Ganze doch einfach noch in Moll.

Klar, Timbaland ist ein Revoluzzer. War es aber nötig, die alte Nelly komplett zu eliminieren? Muss man dazu selbst die Folklore-Lieder durch den Dirty Electronic R'n'B-Converter laufen lassen und bei jeder Gelegenheit irgendwelchen neoakustischen Schnickschnack einbauen? Vielleicht bahnt sich da ja eine Soundrevolution auch im Livebereich an. Dazu liefert Nelly Furtado bereits die passenden Worte: Loose the concert!

Trackliste

  1. 1. Afraid
  2. 2. Say It Right
  3. 3. Do It
  4. 4. Wait For You
  5. 5. Showtime
  6. 6. All Good Things (Come To An End)
  7. 7. I'm Like A Bird
  8. 8. Glow
  9. 9. No Hay Igual
  10. 10. Promiscuous
  11. 11. Maneater

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LAUT.DE-PORTRÄT Nelly Furtado

"Whoa, Nelly!", so der Titel ihres Debüts, könnte als Ausdruck für diese außergewöhnliche Sängerin und Songschreiberin nicht besser gewählt sein.

9 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    "Loose" ist ein Hammer-Album. Aber kein Nelly Furtado Album.

    Ich war 2003 in der kleinen, aber feinen Liederhalle in Stuttgart meiner Freundin zu Liebe auf einem Nelly Furtado Konzert, deren Alben ich bis dato nicht sonderlich mochte. Und war hin und weg. Diese kleine, natürliche Frau hat auf der Bühne mörder Gas gegeben, das Publikum mehr als animiert (Stühle bei einem Pop-Konzert bis zur Bühne sind nicht nur mir ein Gräuel gewesen, offensichtlich auch ihr) und gezeigt, dass sie Ihre Musik nicht nur liebt, sondern auch beherrscht. Eine spitzen Band gabs noch obendrauf.

    Seit Loose ist das leider anders. Und die Live-Performance bleibt da offensichtlich keine Ausnahme.
    Zitat (« War es aber nötig, die alte Nelly komplett zu eliminieren? »):

    Diese Frage bleibt nicht im Raum. Es sollte an sich ein klares NEIN aus allen Ecken kommen. Ich bin traurig..

  • Vor 17 Jahren

    dieser timbaland wird immer viel zu hochgejubelt.das er nelly furtado auch nur jeglicher originalität entzogen hat gibt wohl niemanden zu denken.danke für dieses offene review.

  • Vor 17 Jahren

    find ich auch, sie hatte zwar nie eine besonders kraftvolle stimmt o.Ä. aber immerhin hat sie zwischenzeitlich (soll heißen vor diesem r'n'b kram) meiner meinung nach sehr erfrischende nett anzuhörende pop-musik gemacht

  • Vor 17 Jahren

    Zum Imagewechsel von Nelly Furtado, oder wie immer man es nennen soll, wurde ja schon genug geschrieben. Ich finde zwar, dass jeder Musiker ein Recht auf Weiterewntwicklung in jede Richtung hat, und dass man es als Fan sicher zu respektieren hat, dennoch ist es besonders im Fall von Nelly F. sehr schade. Sie hat ihre wie auch immer geartete "Sonderstellung" am Pophimmel zugunsten eines R'N'B-Sexbombe-Daseins getauscht und sich damit extrem beliebig gemacht.

    Ich gebe es gerne zu, dass ich sie früher wirklich süß fand und bin, da ich ihre früheren Touren immer irgendwie verpennt habe zum "Loose"-Konzert in D-dorf gefahren. Es war exakt, wie es in der Rezension beschrieben wird. Effekthascherei, statt ehrlicher Musik, für die ich Nelly (naiverweise?) zu stehen glaubte.
    Nun ja... man muss sich wohl davon verabschieden, dass es irgendwann wieder die "alte" Nelly geben wird.
    Ich finds schade.

    Es wird aber sicher andere geben, die gerade diesen Wandel begrüßen werden, jeder Jeck ist halt anders...

  • Vor 17 Jahren

    Ist und bleibt ein sehr dünnes Stimmchen ...

  • Vor 17 Jahren

    wenn man mal die alten alben mit dem neuen album vergleicht, kommen einem die tränen. Daran is nur dieser Timbaland schuld, bei dem höhren sich doch eh alle beats gleich an, und dafür was er aus ihr gemacht hat sollte man ihn steinigen.
    Ich fand das sie früher fast einzigartig war was ihre musik anging.
    naja geld regiert die welt..