Er gilt als Erfinder des Rock'n'Roll, ist mittlerweile 79 Jahre alt und spielt und spielt und spielt: In Zürich stürmten Fans die Bühne, um Chuck Berry noch näher zu sein.

Zürich (mis) - Obwohl das "Ausverkauft"-Schild am Eingang des Zürcher Kongresshauses baumelte, schien den Verantwortlichen doch ein bisschen bange zu sein. Der Ansager des Abends zitierte den berühmten Satz des noch berühmteren John Lennon, wonach man den Begriff Rock'n'Roll einzig und allein mit dem Namen Chuck Berry austauschen könnte, und bat das altersmäßig gemischte, aber brav sitzende Publikum, die lebende Legende gebührend zu empfangen. Wer keine einzige der folgenden 70 Minuten mit dem Gedanken verschwendete, sich hinzusetzen, war der Mann des Abends selbst: Chuck Berry.

Im weithin sichtbaren hellblauen Glitzerhemd betrat der Vater der musikalischen Jugendrebellion wendig und winkend die Bühne und ließ ohne Umschweife die berühmten Eingangsakkorde erklingen, die bestimmt die Hälfte seiner Kompositionen einleiten, aber eben vor allem "Roll Over Beethoven". Sollte der Mann aus St. Louis erwartet haben, dass alle 1800 Zuschauer nun vor Begeisterung johlend auf die Sitze steigen, so musste er sich noch eine Stunde gedulden. Schließlich befand man sich in einem Kulturgebäude, das auch Kunstmessen abhält.

Flankiert von einer Band, die Berrys überraschend urwüchsigem Gitarrenklang den nötigen Freiraum gestattete, spielte sich der Maestro durch zahlreiche Hits, darunter "Memphis Tennessee", "Sweet Little Sixteen", "Carol" und das aus "Pulp Fiction" bekannte "You Never Can Tell", das Berry im Eifer des Gefechts als "C'est La Vie" ankündigte. Neben seinem Langzeit-Bassisten, dem Schweizer Profi-Pianisten Silvan Zingg und dem Hamburger Drummer Christoph Buhse, freute sich Chuck besonders über die Nähe seines Sohnes Charles an der Gitarre und seiner Tochter Ingrid, die für einige Songs ihre Mundharmonika auspackte.

Statt einer altersweisen Hit-Vorstellung forderte Chuck Berry seine Kollegen permanent zu individuellen Soli bzw. zu Duellen mit ihm auf, wobei sein Gitarrenhals den Taktstock des Chefdirigenten symbolisierte. Und spätestens als Berry seinen berühmten Duckwalk mit drei kleinen Sprüngen revitalisierte, konnte man die Energie erahnen, mit der dieser Mann in den 50er Jahren amerikanische Nachtclubs zum Kochen brachte.

Beim finalen "Johnny B. Goode", das zuletzt im Kinofilm "Zurück In Die Zukunft" (1985) mit Michael J. Fox als Rebellionshymne par excellence diente, durchbrachen schließlich auch die guten Sitten in Zürich. Einem jungen Vortänzer folgten rasch zahllose Rock'n'Roll-Fans an den Bühnenrand, die sich Berrys launige Aufforderung "Come on up on stage" natürlich nicht zweimal sagen ließen. Während der Star des Abends zusehends von Menschenleibern verdeckt wurde, was einigen Herrschaften im Parkett deutlich missfiel, feierten an die 100 Fans minutenlang eine Bühnen-Party mit der Rock-Legende. Heute tritt Chuck Berry in Bonn auf, einen Tag danach beendet er seine Tournee in Bremerhaven.

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Chuck Berry

Chuck Berry,  | © laut.de (Fotograf: ) Chuck Berry,  | © laut.de (Fotograf: ) Chuck Berry,  | © laut.de (Fotograf: ) Chuck Berry,  | © laut.de (Fotograf: ) Chuck Berry,  | © laut.de (Fotograf: )

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