Der gemeinsame Song der beiden Reißbrett-Acts war nur eine Frage der Zeit und erfüllt die Erwartungen.

Berlin (dani) - Nachdem sich Shirin David und Ski Aggu gegenseitig bei ihren Liveshows besucht haben - sie kam bei seiner Releaseparty auf die Bühne, er bei ihrem Auftritt beim Lollapalooza - war klar: Da wird ein gemeinsamer Song kommen. Alles andere wäre aus Marketing-Sicht ja auch dämlich, weil: Wenn zwei reichweitenstarke Acts kooperieren, warum sollte dann nicht die eine die Reichweite des anderen mit abgreifen und umgekehrt? So ist es prompt geschehen: Bei der Silvesterparty "Willkommen 2025" im ZDF feierte "Atzen & Barbies" Premiere:

Andrea Kiewel scheint eine der wenigen in diesem Land zu sein, die den Namen Ski Aggu noch nie gehört haben. Abgesehen von ihrer verholperten Moderation bietet das Video zum Song allerdings wenig. Sie, im hautengen Outfit mit plüschigem Jäckchen, räkelt sich abwechsend wie weiland Britney in "Toxic" auf klinisch sterilem Boden, auf dem Soziussitz eines Motorrads oder auf Ski Aggus Schoß. Er trägt zur obligatorischen Skibrille abwechselnd Trainingsanzug oder, weil er, der Mann, den Bock ja fahren darf, Lederjacke. Seine Klamotten wirken genau so fabrikneu und porentief rein wie der Rest des Hochglanzsettings.

Die Bilder passen perfekt zum vollkommen seelenlosen Song, der bietet, womit zu rechnen war. The Cratez schustern einen partytauglichen Beat zusammen, dem genug Eurodance-DNA innewohnt, als dass er schon irgendwie funktionieren wird. Darüber spielen Shirin und Aggu Klischee-Bingo.

Hallelujah! Vier Texter für ein Buzzword-Bingo

Wieso sie für diesen armseligen Text Hilfe von Laas und Sampagne brauchten, erschließt sich mir nicht. "Ich will dich, du willst mich, Kennenlernphase wird geskippt. Du bist mein Lieblingsasi. Du bist 'ne sexy Bitch." Dialoge für die Ewigkeit, ey. Man sollte meinen, Shirin David und Ski Aggu hätten dieses billige Anbandel-Szenario auch alleine ersonnen gekriegt, aber offenbar waren vier Leute nötig, um genug suchmaschinentaugliche Buzzwords in die Lyrics zu stopfen. "Mein schwuler bester Freund sagt auch, du bist ein hotter Boy. Legst du deine Maske ab und zeigst mir dein Gesicht? Uh, nice. Deine Augen sind genauso schön wie ich."

Die Hook dann besteht vollends nur noch aus einer Aneinanderreihung von Hashtags: "Atzen, Barbies, Fußball und Pilates, Chanel, Ed Hardy, viele, viele bunte Smarties, Atzen, Barbies, alle machen Party, viel Geld, paar Asis", und - huch, ein ganzer Satz! - "Baby, fass' mich an, ich mag dich." Bin jetzt schon gespannt, wie die zuständigen Vermarkter wieder versuchen werden, uns dieses Phrasenbingo als Genderstereotypen brechende Revolution anzudrehen. Nein, Jungs, Mädels und alle anderen: Es ist nicht gleich Feminismus, wenn man ausnahmsweise den Atzen die Klasse und den Barbies die Pöbelei zuzuweist. Jedenfalls nicht, wenn man drum herum jedes verdammte Männlein-Weiblein-Klischee reproduziert, das man sich nur vorstellen kann.

Aufregung? Lohnt sich nicht

Man könnte betrauern, dass da zwei junge Menschen die riesige Bühnen und die Wahnsinns-Etats, die ihnen zur Verfügung stehen, nicht für irgendetwas Kreatives, Richtiges oder Wichtiges nutzen. Vielleicht können sie es auch einfach nicht. Wir haben es hier jedenfalls nicht mit Kunst zu tun, nicht mit Musik, nicht mit Rap, nicht mit irgendetwas, dem auch nur ein Hauch von Seele innewohnen würde. "Atzen & Barbies" ist - und das überrascht wirklich niemanden - von vorne bis hinten ein von Business-Menschen am Konferenztisch kalkuliertes Produkt, bei dem es einzig und allein darum geht, es möglichst effektiv zu verkaufen.

Schade, ja. Allerdings erwarten wir von einer Energydrink-Dose ja auch nicht, dass sie das Patriarchat zerschlägt. Also? Schultern zucken, weitergehen, das Ding direkt wieder vergessen. Es begegnet uns demnächst eh noch einmal, im Kreise artverwandter Titel, wenn Ende des Monats Shirin Davids Album "Schlau Aber Blond" erscheint.

Fotos

Ski Aggu

Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm) Ski Aggu,  | © laut.de (Fotograf: Björn Buddenbohm)

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5 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 2 Stunden

    Aggu und Shirin sind einfach deutsche Mr. & Mrs. Silla.

  • Vor 2 Stunden

    "Bin jetzt schon gespannt, wie die zuständigen Vermarkter wieder versuchen werden, uns dieses Phrasenbingo als Genderstereotypen brechende Revolution anzudrehen."

    ich möchte lösen:

    "die neue Power-Hymne über Gegensätze und Gemeinsamkeiten" ... "Der Mix aus Shirin Davids smartem Witz, messerscharfen Wortspielen und klaren Ansagen sowie Ski Aggus Signature-Laid-Back Rapstil machen 'atzen & barbies' zu einem Lovesong, wie die Welt ihn noch nie gehört hat."

  • Vor einer Stunde

    Das ist das Schlechteste was ich in meinem ganzen Leben gehört habe.

  • Vor 36 Minuten

    "Also? Schultern zucken, weitergehen, das Ding direkt wieder vergessen."

    Aber vorher noch einen ausführlichen Artikel über den Song schreiben

  • Vor 17 Minuten

    "Ich will dich, du willst mich, Kennenlernphase wird geskippt. Du bist mein Lieblingsasi. Du bist 'ne sexy Bitch."

    Ehrlich gesagt, finde ich dieses Anbandelszenerario überhaupt nicht billig. Die meisten dieser Szenarios beginnen und enden doch im ewigen Nonsens-Small-talk-ich-will-dir-gefallen-bullshit-gelabber. Wer hat denn da bock drauf? Nehmen wir mal an, das erste "Ich" hätte jetzt gesagt "Ich will dich nicht, du willst mich (nicht)", dann wäre das "Du" halt nach Hause gegangen, es wäre keine Zeit verschwendet worden und es gäbe ebenfalls klare Verhältnisse. Klar, ökonomisch ist das alles billig dann auch, aber das ist ja eher ein Vorteil. Also, ich find das klasse, wenn so ein bisschen Feuer da ist. Soll man vorher noch klettern gehen und sich gegenseitig am Arsch riechen oder wie ist da die Idee?

    • Vor einer Minute

      ... ich nehme für gewöhnlich so eine Art Vertrag mit zum Date und lasse mein Gegenüber unterschreiben, wie lange die Anbandelungsphase dauern darf (10% Überschreitungs-Toleranz). In der Regel wird sich daran gehalten, beide wissen Bescheid und es gibt einen gleichberechtigten konsens. Modifickationen sind selbstredend erlaubt. Für Rechnungen habe ich ein Modell entwickelt: Beide schreiben auf die Serviette einen Score, wie sie ihr Gegenüber denn so finden. Liegt der Score weiter als 2 Punkte auseinander, übernehme ich die Rechnung. Liegt er nah beieinander, wird die Rechnung von mir übernommen. Hintergrund: findet man sich eh' schon attraktiv, ist das Geld ja dann egal und es kann geteilt werden. Small Talk, Angaben über Gehalt und zukünftige Ziele & Reisen sind absolut Tabu, die verzerren das Gesamtbild des Individuums.

    • Gerade eben

      *liegt der Score nah beieinander, wird die Rechnung geteilt. Sorry.