In Zeiten knapper Kassen leidet besonders der Kultursektor. In Großbritannien gehen Künstler:innen - und Regierung - einen alternativen Weg.

Mannheim (ebi) - Die Kulturförderung hat in der Politik meist einen schweren Stand, in Zeiten knapper öffentlicher Kassen und großer Krisen umso mehr. So plant etwa der Berliner Kultursenat Einsparungen in Höhe von 130 Millionen Euro. Die Kampagne #BerlinIstKultur stemmt sich seit Oktober mit verschiedensten Aktionen, darunter Demos bzw. "Trauermärsche", gegen die bevorstehenden Kürzungen.

Denn Kultur sei nicht nur ein wichtiger Standortfaktor für die Hauptstadt: Mit 2,1 Prozent mache das Kulturressort zwar nur einen Bruchteil des Gesamthaushalts aus, werde mit einem Kürzungsanteil von 13 Prozent zukünftig aber überproportional belastet. Die gesamte kulturelle Infrastruktur Berlins werde auf Dauer beschädigt. Doch nicht nur Theater, Museen und Opernhäusern sind betroffen.

Adieu Maifeld Derby

Eine Befürchtung, die am anderen Ende der Republik in Mannheim bald Realität wird: Das Maifeld Derby findet kommendes Jahr zum 14. und letzten Mal statt. Das Überleben des kleineren, aber renommierten Indie-Festivals wäre nur noch mit entsprechenden städtischen Fördergeldern zu sichern, die die Stadt aber nicht in hinreichender Höhe gewähren will. Der Frust im Team um Timo Kumpf ist riesig, wie der engagierte Maifeld-Gründer und Veranstalter in einem öffentlichen Statement ausführlich und ehrlich auf der Website des Festivals darlegt.

Nach dem Auslaufen der Corona-Hilfen geriet das Mannheimer Festival schon dieses Jahr in schweres Fahrwasser: Faktoren wie die gestiegenen Personalkosten und Künstlergagen einerseits, Inflation und gesunkene Kaufkraft andererseits zeitigten deutliche Verluste. Von den nun erforderlichen 200.000 Euro wären wohl - wie in den vergangenen Jahren auch - maximal die Hälfte genehmigt worden. Dabei, so Kumpf, sei bereits 2016 dank des Maifeld Derbys ein indirekter Nutzen in Höhe von fast einer Million Euro zugunsten der Stadt errechnet worden.

Dennoch unterscheide die Politik ohne Trennschärfe weiterhin strikt zwischen "förderwürdiger Hochkultur und ausnahmslos kommerzieller Popkultur". Von dem Verständnis als "Musikstadt" sei jedenfalls nichts zu spüren, zumal beim Maifeld Derby nie mehr als zwei Personen angestellt gewesen seien. Das komplette Statement, in dem sich das Maifeld Derby dennoch bei der städtischen Politik bedankt, findet sich an dieser Stelle.

Die große Lücke zwischen arm und reich

Unter den Kürzungen öffentlicher Fördergelder im Kulturbereich leiden besonders kleinere Markteilnehmer:innen wie das Mannheimer Festival, und so kommt es trotz der seit Jahren steigenden Umsätze in der Musikwirtschaft - und hier besonders im Livesektor - zu Phänomenen wie Club- oder Festivalsterben, erklärt etwa Jörg Heidemann, Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Musikunternehmer:innen (VUT) im Deutschlandfunk: Die Zahlen gingen insgesamt nach oben, weil große Marktteilnehmer:innen wie Taylor Swift live "sehr gut funktionieren", während die kleineren dem sehr hohen Druck durch gestiegene Kosten aufgrund von Corona oder dem Ukrainekrieg kaum standhalten könnten.

Die Idee, einen bescheidenen Teil der von großen, erfolgreichen Stadiontouren erwirtschafteten Erlöse automatisch in einen Topf fließen zu lassen, der eben kleineren Venues zugute käme, wie etwa in Frankreich bereits praktiziert, müsse man in diesen Zeiten auf jeden Fall prüfen, so Heidemann. Aber grundsätzlich werde der hohe Beitrag der Musikindustrie zum deutschen Bruttoinlandsprodukt nach wie vor von der Politik zu stark unterschätzt.

Kann Großbritannien Vorbild für Deutschland sein?

In Großbritannien lobbyiert eine Organisation namens Music Venue Trust schon länger in Richtung dieses Modells - und das mit durchschlagendem Erfolg: Die breite, öffentliche Unterstützung führte etwa dazu, dass sich ein Player wie Coldplay bereit erklärt hat, zehn Prozent der Gewinne aus der kommenden UK-Stadiontour an die Organisation zu spenden, so die Initiative. Auch Enter Shikari erklärten sich zu einem ähnlichen Deal bereit - in Großbritannien hatten 2023 jede Woche zwei kleine Venues dicht machen müssen, schreibt der NME.

Das Vorhaben wird nun der Organisation zufolge sogar bald offizielle Politik der amtierenden britischen Labour-Regierung: Von jedem in einer Arena oder einem Stadion verkauften Ticket soll zukünftig ein finanzieller Beitrag an kleinere Venues, Acts und Veranstalter:innen, also zurück an die Basis fließen.

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Coldplay

Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Coldplay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof)

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1 Kommentar mit 6 Antworten

  • Vor 21 Stunden

    Diese Diskrepanz zwischen Hoch- und Popkulturförderung beklage ich ja auch gern. Aber diese penetrante und larmoyante Eitelkeit, die Ingo Stumpf mit Blick auf das Maifeld Derby auch schon in dem Film über das festival an den Tag legt, ist ziemlich unerträglich. Schlussendlich ist auch das Maifeld ein Mehrtage-Festival. Und so etwas übersteht man nur, wenn man sich ordentlich die Kante gibt und man muss froh sein, wenn einem auf dem Zeltplatz, nach Tag zwei ein stinkender Müllplatz, nur gegens Zelt gepinkelt und nicht noch dazu der Zeltinhalt geklaut wird. Zudem: freshe neue Acts wie Franz Ferdinand, Die Höchste Eisenbahn, Eels, Phoenix, Interpol, Tocotronic... das waren die Headliner der vergangenen Jahre und wo das Maifeld in seinem kuratierten (!) Line Up ansonsten vorausschauend und innovativ ist, kann mir auch Niemand erklären. Ebenso, warum in Zeiten der höchsten finaziellen Nöte das Headquarter von Manheim ins Biligmietenland Berlin verlegt werden muss. Aber dann in den "Abschiedsworten", eher eine Art offensiver Bettelbrief für mehr Kohle, sogar noch die Böhsen Onkelz zitieren. Ganz ehrlich: das Maifeld Derby ist qam Ende ein Forum der Vergangenheit, Indie-Pop lebt von der Kunstform Album und die hat Spotify & Co und die Zeit (jede Musikform hat ihre Epoche -gilt leider auch für die Popmusik) mittlerweile ziemlich final begraben. Dann soll er lieber mit Delta Konzerte und dem Zelfestival Rhein Neckar und Konzerten mit Amdreas Bourrhani sowie weniger Eitelkeit den nötigen Profit machen. Obstwiesen, Rocco Del Schlacko, Taubertal und Open Flair Festival waren eh schon immer besser.

    • Vor 21 Stunden

      Natürlich sind die Headliner alt eingesessene Künstler, ist doch überall so, und auch fair. Die spannenden Newcomer findest du in den Reihen weiter unten. Ich fand die Line-ups des Maifeld Derbys immer toll, als Indie-Fan bekam man da regelmäßig Schmankerl vorgesetzt.

      "Ganz ehrlich: das Maifeld Derby ist qam Ende ein Forum der Vergangenheit, Indie-Pop lebt von der Kunstform Album und die hat Spotify & Co [...] ziemlich final begraben."

      Deine kleinkarierten Befindlichkeiten führen komplett am Thema vorbei, ma sagen. Indie-Künstler dürfen und sollen Geld verdienen. Die Tatsache, dass (noch) andere Festivals übrig sind, und die Tatsache, dass du den Gründer nicht leiden magst, ist keine Rechtfertigung für beschissene, ungerechte Kulturpolitik.

    • Vor 19 Stunden

      Die Kulturpolitik finde ich in der Tat beschissen. Erwähne ich ja gleich in der ersten Zeile. Und ich bin glühender Fan von Tocotronic, Franz Ferdinand, Interpol, Eels & Co. Ich bin auch noch Erwerber von Tonträgern und hab bis heute keinen spotify Account. Bloß hat es leider einen Grund, dass seit Oasis, Blur und Nirvana nichts mehr annähernd vergleichbares nachkam und die Jugend von heute nur noch Playlisten und keine Tonträger mehr hört und kein Idol aus der Musik mehr als Posterheld an der Wand hängen hat. Die verfehlte Kulturpolitik sowie die Arroganz von Konzertveranstaltern (seit Bill Graham) ist da aber womöglich mehr ein Brandbeschleuniger denn der entscheidende Grund. Auch deshalb haben es "spannende Newcomer" aus dem Maifeld Line Up nicht ganz anch oben geschafft, auch wenn wir die beide womöglich richtig gut finden und fanden. Tatsächlich heute etablierte Newcomer wie Cro, Deichkind, Sportfreunde, Mando Diao., Kraftklub, Casper, K.I.Z.m Madsen und sogar Tokio Hotel hingegen haben dafür aber tatsächlich noch in ihren "Anfangstagen" hierzulande die Ochsentour auf den kleinen Festivals gemacht. Bloß auf dem Maifeld waren die nie. Immer exklusiv anderen die Schuld geben und sich selbst als visionär, vorausschauend und toll zu loben, das macht hingegen dafür keiner so konsequent (und geschickt) wie Timo Kumpf.

    • Vor 19 Stunden

      "Bloß hat es leider einen Grund, dass seit Oasis, Blur und Nirvana nichts mehr annähernd vergleichbares nachkam"

      häh?

    • Vor 15 Stunden

      Mir wurde noch nie gegen das Zelt gepinkelt oder etwas daraus gestohlen. Einzige Ausnahme: Rock am Ring - da ist es wirklich allgegenwärtig asozial :D

    • Vor 9 Stunden

      und auf dem Zeltplatz vom Maifeld räumen alle brav auf bzw. es liegt sowieso nirgends Müll rum, keine Dixies werden gekegelt und in den zwei Tagen riecht alles nach frischem Wind anstatt Kotze sowie Pisse und alle Dixies sind so sauber wie die WC´s in einem Nobelrstaurant.
      Genauso wie das Rheinkultur es war, Rock Am Ring noch schlimmer ist... das Maifeld Derby war schon immer einfach ein Festival. Und nach Berlin ziehen aber trotzdem die große Mannheim-Flagge schwingen, das muss man erstnal bringen.
      Zudem war das Line Up vom Maifeld nie wirklich innovativ. Welche tollen Newcomer, die später berühmt wurden, haben da gespielt? Festivals wie das Taubertal, Rocco-Del-Schlacko, Immergut, Pfingst-Open-Air usw. waren und sind .wenn es sie noch gibt- auch mit Blick darauf immer schon besser. Bloß konnte und kann womöglich Timo Kumpf seine larmoyante Eitelkeit fulminat gut verkaufen -denn er glaubt, was er verzapft. Nie ist er, immer sind nur die Anderen schuld. Die böse Politik und Festival Big Player, die geldgierigen Künstler usw.
      Und zudem -wie gesagt- Musik und besonders Popmusik verliert chronisch an Relevanz. Gab es in diesem Jahrtausend bahnbrechende neue Bands wie Nirvana o Oasis und Alben wie Nevermind o What´s The Story? Nein. Klar gibt es Alben, die ich besser finde und die da rauskamen. Bloß fehlt denen die Wucht und Bedeutung.
      Bald wird man Festivals und Clubs genauso subventionieren müssen wie Opernhäuser und Theater.

    • Gerade eben

      Ich war halt noch nie auf diesem Maifeld und dem Nürburgring habe ich zum Glück dann auch irgendwann den Rücken gekehrt.

      Es gibt schon Festivals, auch sehr, sehr große, wo die Leute sich weitgehend benehmen. Vielleicht gehst Du einfach auf die falschen? ;)