Ex-"Superstar" Gracia siegte beim deutschen Vorentscheid zum Grand Prix knapp vor Ralph Siegels Schützlingen und reist für Deutschland nach Kiew. Die musikalisch erbärmliche Vorstellung sahen nur 3,56 Millionen Zuschauer.

Berlin (mis) - Nun haben es die NDR-Verantwortlichen schwarz auf weiß: Ohne die Teilnahme einer von Stefan Raab protegierten Band interessiert der Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2005 noch weniger als ohnehin. Nur 3,56 Millionen Zuschauer, zwei Millionen weniger als 2004, schalteten am Samstag Abend zur aus musikalischer Hinsicht vorhersehbar erbärmlichen Vorstellung mit dem Namen "Germany 12 Points" ein. Zusammen mit einem schlappen Marktanteil von 11,2 Prozent fiel die Quote sogar auf Vor-Guildo-Horn-Niveau (1997) zurück.

Dessen ungeachtet verteidigte NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer auch nach der Vorstellung das neue ESC-Konzept eisern, wonach bei der Auswahl der Kandidaten internationale Marktchancen statt Bekanntheitsgrad den Ausschlag gegeben hätten: "Auf Quatsch wollten wir verzichten. Es war wichtig, dass wir auf diese Musikauswahl gesetzt haben."

Die "internationalen Marktchancen" von Wildcard-Starterin Gracia Baur beschränkten sich allerdings schon vor der Schlager-Gala auf ihr Bekenntnis zum freizügigen Bühnenoutfit. Dass die Ex-DSDS-Kandidatin mit ihrem Titel "Run & Hide" wenigstens eine neuerliche Ralph Siegel-Schmalzattacke in Kiew unterband, tröstet da nur wenig. Der Siegel-Beitrag, die Powerballade "A Miracle Of Love" von Nicole Süßmilch & Marco Matias, hätte problemlos auch 1985 ins Rennen gehen können. Gracia siegte am Ende knapp mit 53 Prozent.

Schließlich zeigte die Gewinnerin auch vollen Einsatz: Beim Jubeln auf der Bühne riss ihr der unter dem Ledermantel immer gut sichtbare BH. Nur schnelle Reflexe verhinderten ein deutsches Nippelgate. Auf das Bühnenoutfit wird sie deshalb beim ESC-Finale am 2. Mai in Kiew besonderes Augenmerk legen, weiß die Bildzeitung. Dort tritt ihr Produzent und Song-Komponist David Brandes gleich doppelt in Erscheinung. Um einem neuerlichen 0-Punkte-Debakel vorzubeugen, schickt die Schweiz nämlich die estische Girlgroup Vanilla Ninja mit einer Brandes-Nummer in den Punktekampf.

Musikalisch überzeugen konnten beim Vorentscheid allerdings nur Alt-Souler Stefan Gwildis ("Wunderschönes Grau") und aus Sympathiegründen noch die Schweizerin Mia Aegerter ("Alive"). Udo Lindenbergs Schützling Ellen ten Damme ("Plattgeliebt") musste sich dagegen auf Bühnenhandstände konzentrieren, während die Christopher Street Days-erprobte Villaine mit "Adrenalin" trotz Christenpop-Konkurrenz den unerreicht peinlichsten Song aufführte.

Reinhold Beckmann, erstmals Moderator der Musikshow, fügte sich dem qualitativen Level schnell an, indem er Schoten abfeuerte, die selbst Thomas Gottschalk aus seinem Skript streichen würde. Die aus Talkshows bekannte, anbiedernd-väterliche Art Beckmanns bekam auch Showgast Emma Bunton zu spüren, die er während einer Anmoderation so ungalant an sich drückte, dass man befürchten musste, sie würde ihren Titel "Maybe" vielleicht doch nicht mehr spielen. Es war der beste Song des Abends.

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