Das erste Halbfinale des Eurovision Song Contest 2015 bot gestern Abend wenig Abwechslung, dafür aber überraschende Sieger.

Wien (phi) - Wie schnell Online-Redakteure, die sich tagtäglich vor dem Computer den Hintern platt sitzen, auf den Beinen sind, sobald es um einen Beitrag zum Eurovsion Song Contest geht, überrascht dann doch. Wer nicht schnell genug aus den Redaktionsräumen flüchtet, hat Pech: Dieses Mal traf mich die Aufgabe, mir das erste Halbfinale vom 60. Eurovsion Song Contest in Wien reinzuziehen. Für alle, die gestern Abend was Besseres zu tun hatten: die Zusammenfassung.

Große Überraschungseffekte oder Skandale blieben gestern Abend aus. Die Veranstalter mag das freuen, den sensationsgeilen Redakteur stimmt es eher trübsinnig. Vorjahresgewinner(in) Conchita Wurst eröffnete den ESC-Zirkus mit ihrer Power-Ballade "Rise Like A Phoenix". Die bärtige Schönheit grüßte außerdem zwischendurch aus dem Green-Room, um kurze Pläuschen mit den antretenden Acts zu halten.

Die ESC-Veranstalter setzten auf geballte Frauen-Power: Das dreiköpfige Moderationstrio aus Mirjam Weichselbraun, Alice Tumler and Arabella Kiesbauer führte durch den Abend. Natürlich nicht ohne peinliche, einstudierte Witzeinlagen, die mich den Fremdscham fast schon körperlich spüren ließen.

Finnland fliegt, Russland ohne Buhrufe

Den musikalischen Anfang machte Moldawien mit Eduard Romanyute. Neben leicht bekleideten Polizistinnen turnte der Blondschopf über die Bühne, bis ihm im großen Finale seine Partnerin in Blau das Shirt vom Leib riss. Über sein mangelndes gesangliches Talent täuschte er damit trotzdem nicht hinweg.

Statt übermäßiger Pyrotechnik setzten die Bühneninstallateure dieses Mal auf ausgeklügelte Lichteffekte und Windmaschinen. Loïc Nottet aus Belgien nutzte das besonders gut. Mit ganz in weiß gekleideten Tänzern brachte er seine einstudierte Choreographie makellos über die Bühne.

Nach langweiligem Genöle von den Niederlanden nahmen dann die vier geistig behinderten Punkrock-Finnen die Bühne ein: Knapp eineinhalb Minuten schreddern Pertti Kurikan Nimipäivät souverän ihre E-Gitarren. Angesichts des weichgespülten Pop-Zirkus der anderen Kandidaten der Lichtblick des Abends.

Berichtenswertes blieb danach Mangelware, zumindest bis zum Auftritt von Boggie aus Ungarn mit ihrer Friedenshymne "Wars For Nothing". Die aufwändig produzierte Lichtinstallation beeindruckte. Auf die Leinwand im Hintergrund wurde ein riesiger Baum aus Maschinengewehren projiziert, der sich im Laufe des Songs, ganz im Zeichen des Friedens, zur satt grünen Eiche wandelte.

Im letzten Jahr hallte es bei Russlands Auftritt, angesichts der Krim-Krise, noch Buhrufe aus dem Publikum. Das blieb Polina Gagarina erspart. Die Blondine legte im weißen Kleid mit bühnenfüllendem Schleier einen der stimmgewaltigsten Auftritte des Abends hin.

Schlusslicht Georgien schaffte mit "Warrior" dann noch mal einen musikalischen Höhepunkt. Im Federkleid sang Nina Sublatti über treibende Trommel-Beats und viel Synthie-Gewitter. Angenehme Abwechslung zum sonstigen Teilnehmerfeld.

Die Votingphase überbrückten die Veranstalter mit unzähligen Schnelldurchläufen. Den Gipfel der Peinlichkeiten bot dann doch ein gewollt witziger Einspieler, in dem die Haustiere der drei Moderatorinnen Wien erkunden. Pünktlich nach zwei Stunden verkündeten die drei Nervensägen dann endlich die Finalisten:

Die zuvor als Favorit gehandelten Finnen schieden aus, genau wie die Niederlande, die in den Vorjahren immer gute Platzierungen erreichte. Vor allem die sympathischen Punkrocker hätten meiner Meinung nach das Finale bereichert.

Ein positives Re­sü­mee kann ich dennoch ziehen: Nachdem ich mit dem Halbfinale meinen Dienst abgeleistet habe, muss ich mir am Samstag wenigstens nicht das Finale antun. Den Liveticker müssen dann wohl oder übel meine werten Kollegen übernehmen. Zuvor kommt aber am Donnerstag noch das zweite Halbfinale, und da ist dann auch das deutsche Publikum stimmberechtigt.

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