Im Netz kursieren täuschend echte Imitationen legendärer Künstler. 20 Cover und Neukompositionen zeigen den Fortschritt der Technologie.
Computerwelt (laut) - Was Nick Cave in seinem Newsletter noch als "Bullshit" bezeichnete, findet immer häufiger Verwendung: Künstliche Intelligenz (KI) als Songschreiber. KI breitet sich aktuell in allen Bereichen aus und ist auch in der Musikszene längst angekommen. Sie verfasst Texte, repliziert den Gesang von Künstlern und komponiert neue Songs. Seit 2020 gibt es sogar den ESC-Ableger "AI Song Contest", den der niederländische öffentlich-rechtliche Sender VPRO austrägt.
Bereits 1956 veröffentlichten Lejaren Hiller und Leonard Isaacson mit der "Illiac Suite", später "String Quartet No. 4" genannt, das erste Stück, das gänzlich von einer KI geschrieben wurde. Seitdem hat sich viel getan: Algorithmen, die eigentliche Technologie hinter dem KI-Terminus, können aufgrund einer größeren Datenbasis mehr und schneller lernen. Was sie mittlerweile ermöglichen, zeigen folgende 20 Songs:
Über den Fortschritt freuen sich insbesondere Fans verstorbener Musiker*innen oder bereits aufgelöster Bands. So nutzte die Indie-Formation Breezer ihn aus, um ein neues Oasis-Album zu schreiben. Liam Gallagher freute sich über die vorgezogene Reunion. Grimes stellte der Öffentlichkeit sogar eine eigene Software namens "Elf Tech" zur Verfügung, die ihre Stimme nachahmt. Dabei ist es KI nicht nur möglich, Musik zu generieren, sondern auch Bilder zu erzeugen, wie zwei kürzlich erschienene Musikvideos von Pnau und Type O Negative zeigten.
Universal ist zwiegespalten
Wenig begeistert sind allerdings die Labels. Universal Music veranlasste bereits, dass ein Fake-Duett von Drake und The Weeknd von Streaming-Anbietern entfernt wurde. In einem Statement sprach die Plattenfirma von "Betrug und Vorenthaltung der Entlohnung von Künstlern". Bislang existiert jedoch kein konkretes Gesetz, das regelt, wie es im Rahmen der Nutzung von KI um das Copyright steht. Ganz abgeneigt von der Songwriting-Methode ist Universal dann aber doch nicht. Erst vor rund zwei Wochen gab es seine Zusammenarbeit mit der deutschen KI-Firma Endel bekannt. Endels Technologie entwickelt auf Basis der Aktivität und Herzfrequenz des Hörers, Tageszeit und Wetter dazu passende Klanglandschaften. Die Kollaboration ermögliche Künstlern von Universal, neue Songs und alternative Versionen von existierenden Songs zu schaffen, "die das Wohlbefinden der Hörer steigern", so Universal in einer Mitteilung.
Geteilte Meinungen unter den Künstlern
Ungeachtet dessen stellt sich ebenso die Frage: Ist mithilfe oder ganz von KI verfasste Musik noch Kunst? Nick Cave verneinte dies eindeutig in einem Interview mit The New Yorker. "Vielleicht kann KI einen Song schreiben, der nicht von dem zu unterscheiden ist, was ich kann. Vielleicht sogar einen besseren Song. Aber für mich spielt das keine Rolle - das ist nicht das, was Kunst ist. Kunst hat mit unseren Grenzen, unseren Schwächen und unseren Fehlern als menschliche Wesen zu tun", tat er seine Meinung kund.
Auch Sting und Corey Taylor vertreten einen ablehnenden Standpunkt. Im Interview mit der BBC sprach der frühere The Police-Sänger von einem "Kampf, den wir alle in den nächsten Jahren austragen müssen: Unser Humankapital gegen KI zu verteidigen." Der Meinung schloss sich Taylor gegenüber Planet Rock an: "Ich hasse es. Ich kann es nicht ausstehen." Rapper Ice Cube beschrieb KI im Full Send Podcast als "dämonisch" und drohte denjenigen, die sich seiner Stimme bedienen, sowie die Plattformen, auf denen die Songs erscheinen, mit einer Klage.
Dahingegen äußerte sich Pet Shop Boys-Mitglied Neil Tennant im Gespräch mit der Zeitschrift "Radio Times" über die Möglichkeiten, die KI im Songwriting-Prozess eröffnet: "Es gibt einen Song, für den wir 2003 einen Refrain geschrieben haben, den wir aber nie fertiggestellt haben, weil mir für die Strophen nichts eingefallen ist." Wie er weiter ausführte, könne man die Lücken zunächst mithilfe von KI schließen und das entstandene Material bei Bedarf umschreiben.