Nach einem Besuch im 'Dschungel' von Calais wird Lily Allen nicht nur von der Boulevardpresse angefeindet.

Calais (joga) - Lily Allen besucht ein Flüchtlingscamp in der französischen Hafenstadt Calais. Dort unterhält sie sich mit einem Jungen aus Afghanistan, der sein abenteuerliches Leben schildert. Er wurde von Taliban und IS vertrieben und versucht nun, nach Birmingham zu seinem Vater zu reisen. Dies rührt die britische Sängerin zu Tränen, im emotionalen Overflow entschuldigt sie sich beim Jungen mit den Worten: "Ich entschuldige mich im Namen meines Landes für das, was wir dir angetan haben."

Im Namen meines Landes?

Nachdem dieses "Ich entschuldige mich im Namen meines Landes" Mitte Oktober in einer BBC-Doku landesweit zu sehen war, empören sich viele Briten in den sozialen Medien, und auch die Boulevardpresse schießt sich auf Lily Allen ein: Sie sei eine "verweichlichte Idiotin", die "mit den Lügen von Migranten hausieren" gehe.

Der Abgeordnete der Konservativen Philip Davies erklärt im Daily Express, dass Allen lieber die Flüchtlinge hätte fragen sollen, warum es so furchtbar sei, in Frankreich Asyl zu bekommen, einem sehr sicheren sowie zivilisierten Land – und warum sie so verzweifelt versuchten, nach England zu kommen.

"Lass sie doch bei dir wohnen!"

Er verstehe auch nicht, warum Allen meine, sie besitze die Autorität, sich im Namen des ganzen Landes zu entschuldigen: "Vielleicht sollten Allen und andere emotional überschwängliche Menschen, die dort hingehen, selbst nach den Flüchtlingen schauen und sich um sie kümmern, anstatt zu erwarten, dass andere Steuerzahler im UK die Rechnung bezahlen."

In das Horn des sozialen Neids bläst die Sun, wenn sie Lily Allen süffisant fragt, ob sie die Flüchtlinge nicht in ihrer "fabelhaften Zwei-Millionen-Pfund-Bude" wohnen lassen könne.

Sich die Angst zunutze machen

Mitte vergangener Woche nun antwortete Allen in einem Essay auf Vice auf die Vorwürfe. Sie deutet an, dass ihre Formulierung unglücklich war, dass sie vielleicht hätte sagen sollen: "Bei uns haben 52 % dafür abgestimmt, die EU wegen der Flüchtlingsproblematik zu verlassen, und für diese Wähler kann ich nicht sprechen, aber ich möchte mich im Namen der anderen 48 % entschuldigen, die, wie ich glaube, ähnlich fühlen wie ich." Aber das sei eben in der bedrückenden Situation und mit einem Übersetzer nicht möglich gewesen.

Es könne doch auch nicht sein, dass man sich verdächtig mache, nur weil man sich für schutzbedürftige Kinder einsetze. Ohnehin glaube sie nicht, dass Boulevard oder Regierung Flüchtlinge wirklich als Bedrohung ansehen, sondern dass die Überfremdungsängste nur dazu benutzt würden, um andere Interessen voranzutreiben.

"Ich möchte auf der richtigen Seite stehen"

Viele ihrer Argumente haben Hand und Fuß, doch leider bringt Lily Allen dann auch noch Hitler ins Spiel: "Von Kindesbeinen an lernen wir etwas über den Zweiten Weltkrieg und wie böse Hitler war. Ihr wundert euch immer, wie er es geschafft hat, ein ganzes Volk hinter sich zu bringen. Jetzt sehen wir es! Aber ich möchte keine gute Deutsche sein. Ich möchte auf der richtigen Seite der Geschichte stehen."

Damit wird sie so etwas gemeint haben wie: 'Später einmal werden wir uns fragen, wie wir das geschehen lassen konnten'. Doch natürlich sind Totschlagargumente hier fehl am Platz. So schreibt etwa Rosa Doherty im Jewish Chronicle nicht zu Unrecht: "By comparing the current refugee crisis and British attitudes to refugees to conditions in Nazi Germany, Allen makes Jews a political football yet again."

Fotos

Lily Allen

Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lily Allen,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger)

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7 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    "Von Kindesbeinen an lernen wir etwas über den Zweiten Weltkrieg und wie böse Hitler war. Ihr wundert euch immer, wie er es geschafft hat, ein ganzes Volk hinter sich zu bringen. Jetzt sehen wir es! Aber ich möchte keine gute Deutsche sein. Ich möchte auf der richtigen Seite der Geschichte stehen."

    Lily Allen ist Speedi?

  • Vor 7 Jahren

    also der fairness halber. das "ISIS"dilemma verbockt hat tatsächlich die "koalition der willigen", also USA/UK und co, die ja unbedingt meinten 2003 VÖLKERRECHTSWIDRIG im irak einzumarschieren und damit einen teil der region destabilisiert haben..... und die safe dachten "hey arabischer frühling... geile sache, da werden wir mal schnell diesen gaddafi und diesen assad los und supporten mal die `rebellen´" also quasi ISIS und co. und daher sollten die vielen syrischen und irakischen flüchtlinge, die jetzt bei uns sind, tatsächlich auch von UK und USA/Kanada aufgenommen werden

  • Vor 7 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 7 Jahren

    @dorque: aber wertestes monster :)

    etwas komplexer als diese - deinen intellekt eigentlich unterfordernde - simplifizierung ist nahost und das unangenehe "coke vs wodka"-game schon.

    mein syrien-mantra:

    möchte den zusammenhang gern ein wenig erweitern.

    denn alles berechtigte kritisieren darf nicht auch nur entfernt zum relativieren von syriens horror-dynastie führen.

    die nur notdürftig als prasidialrepublik getarnte erbmonarchie, die hafis al assad aufgebaut hat, ist mit abstand das destruktivste haus (neben saud).

    dagegen war mubarak harmlos, geradezu vernunftbgabt und sogar der späte al capone....räusper...al gaddafi mit seinem flussprojekt, der hilfe gegen al quaida, den panafrikanischen ideen (da hörte sogar mandela zu) und vor allem dem gedanken des idshtihad (einem islamischen reformkurs, der nahezu lutheranisch anmutet) in der tat deutlich progressiver. dicker fehler, den ab zu räumen. insofern d'accord.

    assad, dieser augenarzt des grauens - bzw der gesamte clan - ist ja ohnehin mit die größte drecksau im nahen osten. er hat nichts vorzuweisen, das nicht im blute ersaufen würde.

    a)
    - zuhause einen auf pseudoweltlich machen und nebenbei gleich noch den sozialismus schänden.

    - draußen der schlimmste friedenshemmschuh der region. den stalking mullahs in teheran ein lakai, der für sie den libanon versaut und die hisbollah klar macht.

    - als dynastie ein extremes friedenshindernis für palis/isras, welches die palestinenser gern und seit dekaden als bauernopfer verbrät.

    - schürt hass auf alaviten, weil er diese minderhet zur bevorzugten gruppe im staat erhebt. damit hauptverantwortlich für das erstarken der sunniten-fanatiker a la al-nusra etc.

    b)
    allein dafür, dass onkel vladi diese horrorgestalten in damaskus und die stalking mullahs inteheran hätschelt, gehört dem kreml eine geklebt. oder auch zwei oder drei!

    es gibt aus meiner sicht keine größere (leider beiderseitige) dummheit, als das westliche umgarnen des hauses saud und das östliche protegieren der genannten.

    c)
    ergebnis des grauens:

    assad und seine sippe bringen es nicht und sind ein dorn im fleisch des nahen ostens...doof nur, dass man in arabien selten eine diskussionswürdige alternative als opposition am start hat. und hier käme kritik an eu/usa/russland zum tragen: zivilgesellschaftlich orientierte kräfte hat man in syrien ebenso nie unterstützt, wie man es zb auch in tunesien (remember chokri belaid) versäumte.

    die alternative zu assad, dieses widerliche gemisch aus salafifaschos, quasi-wahabiten, alavitenhassern und co bringt es ja auch nicht hier auch zustimmung, dorque)
    ....nur wertet das die assads eben nicht auf.

    was wir alle jedoch nicht aufhalten werden können, ist der notwendige kampf, das notwendige ringen der zerrissenen arabischen welt um eine laizistische zukunft oder einen gottesstaatlichen rückschritt ins mittelalter.

    hier hat jeder einzelne staat dort unten sein päckchen zu tragen, seine hergeleitete biografie der spaltung; sein nur notdürftig als kultur & religion getarnter hang zu patriarchalischen strukturen und autokratischem denken.....

    ps:
    wenn amis und russen hingegen mal schnallen würden, dass die anbiederung an klerikalfaschos wie saud, hisbollah, hamas oder teheran unsere welt unsicherer macht, dass man miteinander mehr werte teilt als mit misogynen islamfaschisten (nein, kein moslembashing; ich spreche von systemen!) und dass man die asymmetrische kriegsführung der islamisten nur gemeinsam bekämpfen kann, dann wäre das ein guter tag f d planeten.

    • Vor 7 Jahren

      Kann zu dem Thema leider nicht viel sagen, außer dass Assad der Einzige dieser "Diktator"-Riege war, den ich von Anfang an vom Bauchgefühl her gehasst habe. Interessanter Beitrag.

    • Vor 7 Jahren

      assad ist ein arschloch und sollte hängen, keine frage (auch wenn ich die idee riesiger foltergefängnisse erregend finde). aber ihn los zu werden ist sache der syrer, so leid es mir tut. Da hat sich niemand einzumischen. Weder ein Putin noch ein Obama.
      ich seh ein, dass das kompliziert ist, weil da die verschiedensten fronten, die gegen assad kämpfen auch sich selber bekämpfen... geschenkt. ich supporte ja die kurden... aber wie gesagt, freiheit muss erkämpft werden. für freiheit muss man kämpfen und notfalls auch bündnisse eingehen..
      Den Saudis würde ich übrigens auch nicht in den Arsch kriechen, so wie es der dicke Siggi und Onkel Steinmeier machen. Ich würde denen auch keine waffen verkaufen, mal ernsthaft mit ihnen über die unverhohlene Unterstützung des IS diskutieren... und naja, die von den Saudis bezahlten IS-rekrutierungsstätten in der Bunten Republik würde ich niederbrennen. nur so zum Spaß.

      Mal abgesehen von meiner meinung zur einwanderung... natürlich sollte man den vor krieg und folter fliehenden asyl gewähren. aber wenn ich sehe, wie "viele" Flüchtlinge die Briten und wie viele die anderen "Willigen" aufnehmen (wollen), so im vergleich zu dem was wir aufnehmen, naja, dann drücken sich besagte länder schon vor ihrer verantwortung, denn die haben sehr stark mitgeholfen, dass zu verbocken. anders als "wir" Das gilt natürlich, bezgl der Syrer auch für Putin...

    • Vor 7 Jahren

      dank dir für die antwort :)

  • Vor 7 Jahren

    Kenn ich nicht, soll sich ficken