Weil viele Forderungen des Bürgerentscheids gegen das Mediaspree-Vorhaben von der Politik nicht umgesetzt wurden, werden am Samstag zahlreiche betroffene Clubs und Kunstschaffende auf die Straße gehen.

Berlin (mma) - An drei Orten zugleich lädt Berlin an diesem Samstag zu einer großen Demoparade mit DJs plus "Tag der offenen Tür" in vielen anliegenden Clubs. Anlass des Protests ist das berühmt-berüchtigte Bauvorhaben Mediaspree.

Ein Konglomerat von finanzstarken privaten Investoren ist nämlich aktuell dabei, auf dem zirka vier Kilometer langen Spree-nahen Gebiet rund um den Ostbahnhof Bürogebäude für Kommunikations- und Medienunternehmen zu "entwickeln", wie es im Business-Sprech heißt.

Die Initiatoren sehen in dem Projekt eine große Chance für den Osten Berlins, Kritiker den Ausverkauf seiner wertvollsten Flächen. Fakt ist: Das Unterfangen bedeutet neben Anwohnerumsiedlungen auch das Aus für eine Vielzahl kleiner, subkulturell ausgerichteter Clubs, die sich in den Nullerjahren am Ufer des Flusses angesiedelt haben.

Sie sind einer der entscheidenden Faktoren für den Aufstieg Berlins zur Feier- und Techno-Metropole, wie auch Musikredakteur Tobias Rapp in seinem Buch "Lost And Sound: Berlin, Techno und der Easyjetset" feststellt. Allerdings: Dass etwa der ehemalige Technotempel Ostgut wegen des Baus der ungeliebten O2-Arena ins frühere DDR-Heizkraftwerk umzog und dies der internationalen Erfolgsgeschichte des Clubs keinerlei Abbruch tat, liest sich je nach Perspektive als Pro- oder Kontra-Argument Mediaspree.

"Berlin frisst ihre Kinder"

Unterdessen mündete der Widerspruch gegen die Planierung der Flächen von Bar25, Maria, SO36 oder Rechenzentrum im Juli 2008 in einem erfolgreichen Bürgerentscheid gegen den Gentrifizierungs-Vorgang. Gefordert werden ein Mindestabstand zwischen Neubauten und Ufer, ausreichend Platz für Fußgänger und Kulturtreibende und ein Verbot von Hochhäusern. Genau ein Jahr nach dem Entscheid wendet sich an diesem Samstag ein großangelegter Demonstrationszug, der Clubs, Anwohner und Kulturschaffende eint, erneut nachdrücklich gegen die Privatisierungspläne.

Unter dem Motto "Berlin frisst ihre Kinder" heißt es: "In Kreuzberg und Friedrichshain sind Wohnräume und der lokale Kulturraum bedroht. Während der marode Berliner Senat Massen- und Monokultur wie O2 World, Universal und Mediaspree mit Millionen fördert, wird die Unterstützung für Kulturprojekte zusammengestrichen. Die Reize und Potentiale der Stadt werden missachtet und alternative Konzepte und Projekte torpediert."

Infos zur Demonstration am 11.7.

Start: 16 Uhr an drei unterschiedlichen Orten der Stadt

Route 1: Beermannstraße am Treptower Park
Route 2: Boxhagener Platz
Route 3: Oranienplatz

Alle drei Züge mit insgesamt zwölf Trucks und zahlreichen DJs treffen sich gegen 20 Uhr zu einer Abschlusskundgebung vor dem Roten Rathaus, bei der auch eine bekannte Berliner Band auftreten soll. In der Nacht geht die Demonstration in den diversen Clubs weiter.

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Buchkritik "Lost And Sound" von Tobias Rapp

"Berlin, Techno und der Easyjetset" lautet der Untertitel der Gegenwarts-Geschichte "Lost And Sound". Spex-Autor Tobias Rapp widmet sich in seinen Betrachtungen den "Ritualen des Verschwindens" im Club und betrachtet die ökonomischen Verzweigungen der Partykultur der Hauptstadt.

33 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    Ich glaube, das war es komplett. Mir ist außer diesen Klezmerfesten jedenfalls nix weiter bekannt.

    Die "grine Kuzine" als Hausband des ehemaligen Hoftheaters ist natürlich weiterhin aktiv am Start. Kommt auch demnächst ein neues Album heraus.

    In dem Fall ist die Sache eben schon leider exemplarisch. Man kann sehen, dass trotz Raumalternative gewisse Dinge unwiederbringlich abhanden kommen können.

  • Vor 14 Jahren

    eben! das ist wie bäume verpflanzen nd flüsse begradigen: oft im ergebnis für den arrsch!

  • Vor 14 Jahren

    ich fand die demo ja mal äußerst gelungen. nicht die billigen klassenkämpferischen megaphonesprüche. sprüche warens natürlich trotzdem- aber hier alles mit guten sound unterlegt. das klang teilweise ja schon richtig wie vorher abgemischt. echt mal was neues.

    ansonsten finde ich es um die bar25 auch nicht schade. aber watergate und maria halte ich beispielsweise durchaus für erhaltenswert. genauso wie alles was sich auf dem RAW gelände angesiedelt hat und platt gemacht werden soll- das wäre ein echter verlust.

    aber darum gehts ja eigentlich nicht mehr. es gab dazu einen bürgerentscheid und die berliner politik setzt ihn nicht um- selbst wann man vor einem jahr dagegen gestimmt hat, muß einen das auf die barrikaden treiben.

    loe