Der US-amerikanische Folkmusiker Vic Chesnutt ist tot. Wie seine Plattenfirma Constellation Records bestätigt, starb Chesnutt am Freitag im Alter von 45 Jahren im Kreis seiner Familie und Freunde in seiner Heimatstadt Athens/Georgia.
Athens (thk) - Die Independent-Welt hat eine ihrer eindringlichsten Stimmen verloren. Wie der Sprecher der Familie der New York Times erklärte, handelt es sich um Selbstmord: Vic Chesnutt soll einen Abschiedsbrief an Freunde und Verwandte hinterlassen haben.
Am ersten Weihnachtsfeiertag nahm Chesnutt eine Überdosis Beruhigungsmittel und fiel daraufhin ins Koma. Wer den an den Rollstuhl gefesselten Sänger fand, ob Wiederbelebungsversuche unternommen wurden und wer den Tod feststellte, ist nicht bekannt.
Dass dies nicht sein erster Selbstmordversuch war, bestätigte auch die Musikerin Kristin Hersh, Chesnutts engste Freundin, via Twitter. "Another suicide attempt, looks bad, coma - if he survives, there may be brain damage. this time, it's real scary: this time, he left a note, this time, he asked them to call me."
"Einer unserer großartigsten Songwriter" (Michael Stipe)
Chesnutts Musik war autobiografisch gefärbt und gepfeffert mit schwarzem Humor, Zynismus und Ironie. Vic, der seit einem Autounfall 1983 gelähmt war, zeigte sich 2009 musikalisch umtriebig wie noch nie: er veröffentlichte zwei Studioalben mit Gastmusikern von Silver Mt. Zion, Godspeed You! Black Emperor sowie Fugazi und befand sich bis Anfang Dezember auf ausgedehnter Tour.
Vic Chesnutt - "Flirted With You All My Life (Death, I Am Not Ready)"
Vic Chesnutt - "Everything I Say"
Vic Chesnutt - "Cobbham Blues"
Zusammen mit R.E.M.-Sänger Michael Stipe nahm Vic mit 25 Jahren sein erstes Album auf – 15 weitere sollten folgen. "Er hatte die Gabe, selbst die dunkelsten Emotionen mit einer großen Leichtfüßigkeit zu übermitteln und er hatte einen wirklich einzigartigen Humor", gedachte Stipe in einem Radiointerview mit NPR Music seines verstorbenen Freundes. "Ich habe erst kürzlich gesagt, dass ich ihn für einen unserer großartigsten Songwriter und eine unserer größten Stimmen halte."
"It's the sound of someone on fire. It makes this planet better" (Kristin Hersh)
"Dieser Mann hatte übermenschliche Fähigkeiten. Vic war brillant, wahnsinnig komisch und so wichtig. Er entwickelte einen Gitarrenstil, der es ihm erlaubte, gleichzeitig Bass, Rhythmus und Melodie zu spielen – indem er lediglich zwei Finger bewegte", trauert Kristin Hersh auf einer Spendenseite, die sie zur Unterstützung von Chesnutts Hinterbliebenen eingerichtet hat, um ihren verlorenen Freund.
70.000 Dollar Behandlungskosten
Zuletzt sah sich Chesnutt mit einer exorbitanten Krankenhaus-Klage konfrontiert. Nach mehreren Operationen schuldete er der Klinik 70.000 Dollar Behandlungskosten, da er sich als selbständiger Musiker mit seiner Krankengeschichte keine adäquate Krankenversicherung leisten konnte.
Seine kanadischen Mitmusiker reagierten fassungslos: "Sie verstehen nicht, wie eine Gesellschaft ihrer Bevölkerung so etwas antun kann", erklärte Vic kurz vor seinem Tod. Dementsprechend ließen seine engsten Freunde sehr kritische Worte in ihre Beileidsbekundungen einfließen, mit denen sie das marode Gesundheitssystem der USA scharf angreifen.
Die überfällige Gesundheits-Reform, die US-Präsident Barack Obama noch an Heiligabend mit breiter Unterstützung des Senats auf den Weg brachte, kommt für Vic Chesnutt zu spät.
24 Kommentare
Die politische Meinungsmache in einer Todesmeldung ist ja dann doch etwas daneben.
"...this time, he left a note, this time, he asked them to call me. And to immediately put it on this shitty website in order to make me feel important!"
Ein schwacher Kommentar, wieselhanno! George W. Bush hat davon eh nichts mitbekommen und unsere tumben "Leistungsträgerarschkriecher mit Parteibuch" werden davon auch nicht berührt!
Fakt ist: in unserer Bankenrepublik und in den USA wie auch in anderen Staaten mit ausreichend BSP sterben Menschen wg. gesundheitlicher und finanzieller Unterversorgung, so auch Vic Chestnutt - und das ist das einzige, was völlig daneben ist!
Wem das schon zu viel Meinungsmache ist und Angst macht, dem empfehle ich Millionärs-TV mit Millionärsgattin Muth und den anderen Silikonschranzen. Da bleibt vom christlichen Credo zwar nichts übrig, aber es wirft die Frage auf, wie soviel geistig-ignorante Einfachheit mit soviel glitzernder Extravaganz kollidieren kann und welches "sovieler" ist!
@dein_boeser_Anwalt (« sicher, aber man muss deshalb ja nicht in die knie gehen vor lauter dankbarkeit gegenüber dem einäugigen im königreich der blinden.
sicherlich ist es vergleichsweise gold, was bei uns glänzt und einer großen nation wie den staaten unwürdig.
dennoch gibt es bei uns auch missstände (sehr gut sichtbar im bereich der zahnmedizin), die - entgegen den vorgaben des gg - im ergebnis dazu führen, dass man auch in unserem ehrenwerten sozialstaat die armen an ihren gebrechen erkennt und die reichen an ihren blitzenden prothesen.
thele hat da ganz recht. es geht ja nicht um nestbeschmutzungsreflexe, sondern um kritikfähigkeit. »):
angepriesen hab ich da e niemanden
sicherlich sieht man unterschiede zwischen reich und arm... jedoch ist es bei uns nicht so, dass man keine behandlung bekommt weil man nicht genügend geld hat etc...
sicherlich, die unterschiede zwischen den "reichen" privatversicherten und den "armen" kassenpatienten sind wiederum schon auch deutlich, was ich gar nicht mal abstreite
@Nebolous (« das stimmt so auch nicht...
im europäischen vergleich zählt deutschland noch zu den staaten die am meisten für sozialausgaben aufwenden.
und von einem gelungenen system habe ich schon mal gar nicht gesprochen... jedoch ist es welten besser als in den staaten... »):
Erstmal, was für Zahlen vergleichst du überhaupt? Allein die quantitative Summe, den Anteil am BIP oder die Pro-Kopf-Ausgaben? Ersteres wäre totaler Blödsinn, weil Deutschland offensichtlich eine größere Bevölkerung hat.
Deswegen gehe ich mal davon aus, dass du die Prozentzahlen oder die Pro-Kopf-Zahlen meinst.
Deutschland liegt einen Prozentpunkt über dem EU-Durchschnitt, der allerdings von Ländern wie Lettland, Estland, Litauen, Rumänien, Bulgarien und Tschechien ordentlich in den Keller gezogen wird. Das ist also auch nicht unbedingt eine geeignete Vergleichsgröße um deine Aussage zu untermauern.
Also stellen wir mal die Frage bei welchen Ländern die Sozialausgaben einen größeren Anteil am BIP ausmachen: Belgien, Frankreich, Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark. Zugegeben der Abstand ist nicht groß, aber von einer Spitzenreiterposition kann nicht die Rede sein. Damit nicht genug, denn auch der Anteil am BIP ist nur eine sehr schwammige Angabe, da auch hier die Bevölkerungsgröße nicht berücksichtigt wird.
Die maßgeblich Angabe sind also die Pro-Kopf-Ausgaben und da liegt Deutschland weit hinter den tatsächlichen Spitzenreitern Luxemburg, Dänemark, Schweden und den Niederlanden. Dazwischen liegen dann noch Belgien, Österreich, Frankreich, Finnland und Großbritannien.
Quelle: Eurostat 2007
hmmm... hab mir grade deine quelle angeschaut. die scheint ja recht repräsentativ zu sein... ich hatte da andere zahlen, von dem her muss ich wohl klein bei geben...
ich halte trotzdem an der bahauptung fest, dass wir in deutschland nicht unterversorgt etc. sind