Der legendäre Singer/Songwriter ist am 7. November in Los Angeles gestorben. Einen letzten Wunsch hat er sich noch erfüllt.

Los Angeles (giu) - 120, wie er scherzhaft angekündigt hatte, ist er nun doch nicht geworden. Leider. Obwohl er auf den Tod vorbereitet sei, wie er in seinem letzten großen Interview mit der Zeitschrift "New Yorker" erklärt hatte, blieb auch nach seinem erst vor wenigen Wochen veröffentlichtem Album "You Want It Darker" das Gefühl, dass Leonard Cohen noch viel zu erzählen hätte. Erst recht nun, da ihm Sohnemann Adam als Produzent zur Seite stand und endlich für einen angemessenen Sound sorgte. Nicht sein absolut bestes Album, aber das beste des neuen Jahrtausends.

Rufus Wainwright, der mit Cohens Tochter Lorca zur Schule ging, erinnert sich gerne an seine erste Begegnung mit dem Dichter. Er saß in seiner Unterhose am Küchentisch und habe versucht, einen Vogel aufzupäppeln, der aus seinem Nest gefallen war. Anschließend habe er sich angezogen und stand dann als eleganter Herr im maßgeschneiderten Anzug da. Da erst habe er begriffen, wen er überhaupt vor sich hatte. Später nahm Wainwright eine ergreifende Version von Cohens "Chelsea Hotel #2" auf und zeugte, als bekennender Schwuler, ein Kind mit Lorca.

So wird Cohen in Erinnerung bleiben: Als fein gekleideter Gentleman, der noch an der Grenze zum neunten Lebensjahrzehnt drei Stunden lang auf der Bühne stand, umgeben von fähigen Musikern und schönen Backgroundsängerinnen mit elfenhaften Stimmen, stets ein Lächeln auf den Lippen, fast schon ungläubig, dass ihm so viele Besucher die Ehre erwiesen.

Dabei waren es erst finanzielle Zwänge gewesen, die ihn zum Singer/Songwriter gemacht hatten. 1934 in eine wohlhabende jüdische Familie in kanadischen Montreal geboren, hatte ihm sein früh verstorbener Vater eine kleine monatliche Zuwendung hinterlassen. Die Chance für Cohen, das Leben eines ernsten Bohemians zu führen. Er schrieb Gedichte, veröffentlichte Romane, kaufte sich ein Haus auf der griechischen Insel Hydra. Dort beobachtete er, wie Stromleitungen verlegt wurden, und lauschte den Besuchern der nahe gelegenen Tavernen. So entstanden seine berühmtesten Zeilen: "Wie ein Vogel auf einer Leitung, wie ein Betrunkener, der um Mitternacht grölt, habe ich auf meine Weise versucht, frei zu sein". Was im Original freilich viel besser klingt: "Like a bird on a wire, like a drunk in a midnight choir / I have tried in my way to be free".

Die Suche nach Freiheit war für Cohen die Suche nach dem inneren Frieden. Sein Leben lang wurde er von klinischen Depressionen heimgesucht. Der Rummel um seine Person, der nach der Veröffentlichung der ersten beiden Alben "Songs Of Leonard Cohen" (1967) und "Songs From A Room" (1969) einsetzte, gab ihm fast den Rest. "Songs Of Love And Hate" (1971) wurde zu seinem düstersten Werk, eines der Stücke, "Dress Rehearsal Rag" stellte sich das Innenleben eines Menschen kurz vor dem Selbstmord vor.

Doch war er auch der Dichter der Sehnsucht und der Liebe. Für die Ewigkeit war auch sie nicht gemacht, aber zumindest spendete sie für eine begrenzte Zeit die ersehnte Ruhe. Mit "Suzanne" schrieb Cohen eine Hymne auf die platonische Liebe, in "Chelsea Hotel #2" erinnert er sich explizit an ein Techtelmechtel mit Janis Joplin.

Er blieb dem jüdischen Glauben auf seine Weise treu, auch wenn er sich 1994 für mehrere Jahre in ein Zen-Kloster bei Los Angeles zurückzog, um für Meister Roshi zu kochen. 2008 begab er sich überraschenderweise wieder auf Tour. Auch diesmal aus finanziellen Gründen, nachdem seine Managerin sein gesamtes Vermögen mit windigen Geschäften verprasst hatte.

Cohen machte das Beste draus, gab bis 2013 Hunderte Konzerte, die weltweit bejubelt wurden, nahm neue Studioalben auf und veröffentlichte eine beeindruckende Anzahl an (gelungenen) Livemitschnitten, die alle auf Columbia/Sony erschienen sind. Sein ganzes Leben lang blieb er seinem Label treu und umgekehrt. Welcher Künstler kann das schon von sich behaupten.

Von schwermütigen Streichern begleitet, hat sich Cohen auf seinem letzten Album bereits von seinem Publikum verabschiedet. "I'm leaving the table, I'm out of the game", hatte er ohne Wehmut erklärt. Am 7. November ist er in seinem Haus in Los Angeles von uns gegangen, die Ankündigung seitens der Familie erfolgte drei Tage später zeitgemäß auf Facebook.

Einen seiner letzten Wünsche scheint er sich glücklicherweise erfüllt zu haben. Was er in seinem Leben noch erreichen wolle, hat man ihn vor einigen Jahren gefragt. Er wolle wieder anfangen zu rauchen, so seine Antwort. Auf dem Cover von "You Want It Darker" hält er, mit Anzug und Hut, eine Zigarette in der Hand. Elegant wie eh und je.

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Leonard Cohen

Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele) Leonard Cohen,  | © laut.de (Fotograf: Martin Mengele)

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