Mit seiner Band galt der Sänger und Gitarrist als Erfinder des Punkrock. Fans wie Flea, Michael Stipe und Patti Smith würdigen seine Verdienste.
New York (mis) - Der Sänger und Gitarrist der New Yorker Band Television, Tom Verlaine, ist gestern im Alter von 73 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben. Dies berichtete Jesse Paris Smith, die Tochter von Verlaines befreundeter Musikerin Patti Smith. Über die Todesursache wurde nichts bekannt. Verlaine sei im Kreise enger Freunde gestorben.
Television zählt neben Blondie, den Talking Heads, den Ramones und der Patti Smith Group zu den Künstlern, die Downtown Manhattan Mitte der 70er Jahre wieder zu einem Szene-Hotspot machen. Verlaines Band ist die erste dieser Riege, die im CBGBs auftritt und aus der Country & Blues-Absteige über die Jahre ein Punkrock-Mekka entstehen lässt.
Beeinflusst von den New Yorker Helden The Velvet Underground finden Television ihre musikalische Version von Punk in komplexen Songstrukturen zwischen Garage-Rock und Jazz. Ihr Debütalbum "Marquee Moon" erscheint 1977 und klingt mehr nach King Crimson als nach den Ramones. "Marquee Moon" skizziert wie kein anderes Album das New York der frühen 70er Jahre. Städtisches Elend und der Hedonismus einer jungen, drogenbefeuerten Szene bieten die Grundstruktur der Platte, direkt verkörpert von Verlaines einzigartiger Stimme. Sie ergießt sich in einem kränklichen Nölen über die Songs, seltener schwingt sie dann in ein fast schon selbstgefälliges Lallen um.
Die Wurzeln der Band liegen in der Freundschaft von Verlaine zu Richard Meyers begründet, die sich als Schüler eines Internats in Delaware kennen lernen. Nachdem sie nach New York gezogen sind, gründen sie zunächst The Neon Boys, die 1973 in Television aufgehen. Neben Verlaine an Gitarre und Gesang und Meyers am Bass komplettieren Gitarrist Richard Lloyd und Drummer Billy Ficca die Band. Der 1949 geborene Thomas Miller gibt sich in Anlehnung an den französischen Poeten den neuen Nachnamen Verlaine, Meyers nennt sich Richard Hell.
1975 ist jedoch schon Schluss mit dieser Besetzung. Meyers steigt aus und gründet Richard Hell And The Voidoids, ihn ersetzt Fred Smith. Verlaine fokussiert sich derweil immer stärker auf einen professionellen Sound. Bereits 1974, drei Jahre vor Veröffentlichung ihres Debüts, entstehen die meisten Songs in einer Demo-Session mit Brian Eno, deren kühler Charakter Verlaine ablehnt. Ebenso wie Labelangebote der folgenden Jahre, die ihm nicht hundertprozentige Kontrolle über die Produktion zusichern.
Dem epochalen Album ist jedoch das Los des Velvet Underground-Debüts beschieden: Kritikerzuspruch und enttäuschende Verkaufszahlen. Erst lange nach der Auflösung der Band 1978 infolge des weiteren kommerziellen Flops "Adventure", erarbeitet sich das Album über Lobeshymnen von einer neuen Musiker*innengeneration ein neues Standing. Die ausgefuchsten Rocksongs über Drogensucht, Paranoia und Perspektivlosigkeit inspirieren Musiker wie Sonic Youth, Kurt Cobain, R.E.M., Pavement und die Strokes. Auf seinem 1980er Album "Scary Monsters (And Super Creeps)" covert David Bowie Verlaines Song "Kingdom Come". Ursprünglich sollte Verlaine das Cover als Gitarrist begleiten. Produzent Tony Visconti erinnerte sich später, dass der New Yorker stundenlang Amps austestete und den Prozess so lange hinauszögerte, dass keine verwertbaren Aufnahmen zustande kamen.
Zwischen 1979 und 2006 veröffentlicht Tom Verlaine neun Soloalben. Mit Patti Smith, die in den 70er Jahren kurzzeitig seine Partnerin ist, kreuzen sich immer wieder die Wege. Verlaine spielt auf einem Song ihrer Alben "Horses" (1975), "Gone Again" (1996) und "Gung Ho" (2000). 2005 begleitet er sie auf der "30th Anniversary of Horses"-Tournee. Doch besonders mit Television kehrt er zurück ins Rampenlicht. Nach erfolgreichen Reunion-Tourneen in den 2000er und 2010er Jahren ist 2013 sogar von einem vierten Studioalbum die Rede. Bereits 2007 habe man 16 Songs gemeinsam fertig gestellt, heißt es aus Bandkreisen. Die Aufnahmen fanden jedoch nie den Weg ans Tageslicht.
Seit Bekanntwerden von Verlaines Tod haben sich zahlreiche Fans seiner Musik und seiner Texte in den sozialen Medien zu Wort gemeldet.
Beautifully lyrical guitarist, underrated vocalist. Television made a new kind of music and inspired new kinds of music. Marquee Moon is a perfect record. Requiescat.
— steve albini (@electricalWSOP) January 28, 2023
????https://t.co/uxt7IMz2rO
Tom Verlaine’s playing meant the world to me. If I ever played anything that sounded like him I was happy. He set me on my path as a guitarist, thank you Tom. pic.twitter.com/wMTvkxuy04
— Will Sergeant (@Will_Fuzz) January 28, 2023
— Debbie Harry/BLONDIE (@BlondieOfficial) January 28, 2023
Devastated by this news. Tom Verlaine was a true great. His role in our culture and straight up awesomeness on the electric guitar was completely legendary. Name 10 minutes of music as good as Marquee Moon. You can’t. It’s perfect. Rest in peace Tom x https://t.co/6HAwg5k9PS
— stuart braithwaite (@plasmatron) January 28, 2023
One of the founding fathers of punk rock. Inventive, distinctive, brilliant. RIP the great Tom Verlaine, forever in our hearts and our record collections x
Photo by Roberta Bayley / Redferns pic.twitter.com/dSXDrnAwO6
— Rough Trade (@RoughTrade) January 28, 2023
listened to Marquee Moon 1000 times. And I mean LISTENED, sitting still, lights down low taking it all in. awe and wonder every time. Will listen 1000 more. Tom Verlaine is one of the greatest rock musicians ever. He effected the way John and I play immeasurably. Fly on Tom.
— Flea (@flea333) January 29, 2023
Aww man…rest well, Tom Verlaine pic.twitter.com/rxCcUNYtVi
— Elijah Wood (@elijahwood) January 28, 2023
No. Not Tom Verlaine. ????
— Garbage (@garbage) January 28, 2023
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