laut.de-Kritik
Röstkastanientechno und Kürbissuppenhouse.
Review von Martin TenschertNiconé, oder auch Alexander Gerlach, hat sich in den letzten Jahren zu einer festen und bedeutenden Größe im Tanzgeschäft entwickelt. Zuletzt noch mit Sascha Braemer gemeinsam das "Romantic Thrills" fabriziert, kommt nun schon das erste Solo-Album des Dresdenberliners.
Fernab von seiner Popgruppe, mit der er die Ravebuden der Nation fabriziert, hat Niconé sich in superdeepe und herbstlich melancholische Gefilde begeben. Die schmecken nach Röstkastanientechno und Kürbissuppenhouse, mollige Piano Chords wabern im Dubdelay-Nebel. Zum Beispiel bei "Burnhain", das sicher nicht ganz unabsichtlich mit dem Namen des bekannten Berliner 'Underground'-Clubs spielt.
Der Titeltrack "Let Love Begin" oder auch das flamencische "Querido" zeigen andererseits auch die poppige, vocallastige Seite von Niconé, die man auch von seinen Sets her kennt. Denn er ist ein sehr guter DJ. Und so fließt das DJ-Wissen in die Produktionen ein. Die Eigenkompositionen werden wiederum von seinen bejubelten Sets von Australien bis Foetz befruchtet. Dancefloorbomben gibts natürlich auch, zum Beispiel, wenn "Wish U" den Weggefährten Sascha Braemer aus den Boxen ballert.
Mein Mops setzt sich bei dem Track übrigens ganz nah an den Subwoofer und lässt sich das Bäuchlein durchmassieren. Auch Narra, die früher bei Niconés Modeprojekt involviert war und dem Uber Ibiza-Hit "Caje" bereits die Stimme lieh, ist mit ihrer rauchig exotischen Stimme an Bord. "Candelaria" fällt vielleicht nicht ganz so hittig aus, spielt aber mit gechoppten Vocals und entfaltet seinen ganz eigenen, neuen Charme.
Bewusst vollführt er also die Abkehr von der Hitformel und hin zu neuen Aufgaben und Strukturen. Akurate Lässigkeit, kontrollierter Wahnsinn und Shroom-indizierte Glückseligkeit: Bei "Let Love Begin" ist für die ganze Rave-Familie etwas dabei.
Empfehlenswert ist übrigens auch das Video zur Singleauskopplung "Querido": Eine sehr feine und stylishe Sache. Der gute Alain Delon und kantige Werbeästhetik verschmelzen hier grandios. Regisseur Kai Kurve, der bereits für das Thänk U "Handpuppen"-Video verantwortlich zeichnete, hat auch bei "Querido" wieder Qualitätsarbeit abgeliefert. Stil Vor Talent, die durch die Koletzki/Fran Releases ins etwas seichte Pop-Geplänkel abzudriften drohten, haben mit Nicone wieder einen echten House-Gangster im Stall.
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