laut.de-Kritik
Die Migos-Formel mit etwas ambitionierterer Fensterdeko.
Review von Yannik Gölz"Without Warning" funktionierte die Migos-Formel 2017 zuletzt auf Albumlänge. "Culture" stand noch nicht lange in den Läden, "Bad And Boujee" verhallte immer noch und mithilfe eines Horror-Soundtracks samplenden Metro Boomin und eines kaltblütigen 21 Savage hat es ein letztes Mal wirklich Spaß gemacht, ein ganzes Projekt lang Triplet-Flows und Choke-Adlibs zu hören.
Zum Release von "Father Of 4" steht dieses Bild Kopf: Auch wenn 2018 das Jahr markieren sollte, in dem die Migos nicht nur zu Hip Hop-, sondern auch zu Pop-Superstars werden, sorgten sie stattdessen mit einem überlangen Projekt nach dem anderen für eine selten erlebte Übersättigung. Gefühlte drei Stunden "Culture II", Filler-Soloalben von Quavo und Takeoff und obligatorische Gastparts auf jedem erscheinenden Trap-Album nahmen dem Auftritt eines Migo so ziemlich jede Euphorie, die sie zu "Call Casting"-Tagen mal evozierten. Dass mit dem Offset-Solodebut "Father Of 4" nun ein Manöverwechsel betrieben wird, tut Not. Aber auch ernstere Töne heilen nicht alle bestehenden Migos-Krankheiten.
Dabei schreibt Offset sich die Ambition direkt auf die Flagge: Der eröffnende Titeltrack schafft Intimität durch Verwundbarkeit, die Meditation des Rappers über seine vier Kinder von vier Frauen klingt unerwartet ehrlich und aufrichtig. Auch die Angst, er würde diese Themen im Kontext seiner Cardi B-Liaison für Tabloid-Drama ausschlachten, fällt unter den Tisch. Nummern wie "Red Room", "North Star" oder "How Did I Get Here?" sind atmosphärisch wohl das Dichteste und Persönlichste, das Migos-Releases bislang so aufwarten konnten.
Auch wegen der Produktion der Trap-Großmeister Metro Boomin, Southside und 808Mafia, die mit eleganten Keys, intriganten Samples und gewohnt exzessiven Bässen ein opulentes Fundament liefern. Besonders "Clout (feat. Cardi B)" steht mit einer immens markanten Piano-Line Erfolg auf die Stirn geschrieben, aber auch das atmosphärische Sample auf "Wild Wild West (feat. Gunna)" macht Eindruck.
Leider bilden sich die Risse, wo man etwas genauer hinsieht. Es ist die hektische Natur von Offset, seine Texte via Triplets und Adlibs in einem Trab zu halten, der nicht gerade zum Verweilen einlädt. Nach der Eröffnung wird die Stimmung zwar hier und da mal etwas sentimentaler, aber mit wirklicher Substanz unterfüttert er keinen der ernsteren Töne. Mehrmals wird die Geschichte seines Aufstiegs so generisch wie möglich erzählt, hier und da werden Hater und Neider abgewatscht, zwischendurch wird auch einfach wieder ins Blaue geflext.
Und hier liegt der Hund dann auch begraben: Brauchte es dafür wirklich die vollen sechzehn Titel? So hoch das handwerkliche Niveau auf "Father Of 4" auch sein mag, unternimmt das Album nichts, um davon abzulenken, dass es musikalisch eine äußerst vorhersehbare Formel anwendet. Und abgesehen von einem wunderbaren Outro von Cee-Lo Green auf "North Star" und dem Big Rube-Gedicht im Intro geschieht musikalisch nichts, was aus diesen übersättigten Mustern ausbricht.
Features von Quavo, Gucci Mane, Travis Scott und Gunna kommen und gehen, die Beats entwickeln sich seltenst über die Elemente der ersten 15 Sekunden hinaus und Offsets Verses geraten weitestgehend genauso uniform. Auch wenn man sich über die Momente der Inspiration freut, stehen Songs wie "Father Of 4", "Clout" und "North Star" nur als Fels in der Brandung gegen die selbe Flut von gleichförmigem Filler, der eigentlich alle Migos-Projekte seit 2018 langweilig und ungenießbar macht. Man kann zwar attestieren, dass "Father Of 4" wohl wirklich das beste der Migos-Solos ist. Aber diese Messlatte lag nun leider auch nur mittelhoch.
1 Kommentar
3,5/5.
Bin etwas hin und hergerissen. Finde es besser als die anderen Migo-Solos. Die Produktionen finde ich überwiegend ziemlich gut. Einzig die Samples könnten in einigen Tracks noch etwas dominanter und klarer sein.
Offsets parts finde ich ziemlich schwankend. Neben einigen intimen und persönlichen Parts steht immer wieder typisches geflexe. In vielen Tracks wechselt er auch innerhalb weniger Lines zwischen reflektierten und komplett oberflächlichen Aussagen. Es ist einfach inkonsequent, und für diese zigfach gehörten Migos tracks braucht es keine Solos. Das war aber auf den anderen Solos noch wesentlich stärker der Fall.
Mit 4 Tracks weniger und mehr inhaltlicher Stimmigkeit wäre es ein gelungenes Debüt geworden.