laut.de-Kritik

Wie ein schwer zu motivierender Teenager.

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Die "Ufos Überm Block" schienen ihm das restliche Rap-Vergnügen entzogen zu haben, das ihm die Reise nach Lateinamerika noch gelassen hatte. Auf "Matador" piepen nun die lebenserhaltenden Apparaturen. Schwerfällig schlägt noch das Künstlerherz. "Sie haben aus Leichenteilen einen lebenden Körper geschaffen, aber Sie dürfen damit nichts Schlechtes tun", erfährt die Hörerschaft im "Intro", das der alten Tradition der einleitenden Film-Skits folgt. Erfährt Olexesh also die dringend benötigte Wiederbelebung oder erweist er sich als wandelnder Untoter, ein Schatten seines früheren Talents?

"Dieser Mann zockt nur Automat und ist auf Sniff", gibt er in "Matador" einen Überblick über seinen weitreichenden Horizont. Mit anhimmelndem Background-Chor lädt LuciG den Rapper zu einer lebhaften Performance ein. Doch dieser bereitet lieber mit übermüdeten Strophen und einem angeheiterten Singsang auf den Besuch von Bonez MC vor. "Gramm Für Gramm" überzeugt mit einem unterschwellig drohendem Beat, zu dem jeder Rapper etwas Brauchbares zaubern könnte, der von sich und der Welt nicht so endlos gelangweilt wäre, wie Olexesh und der Spiritus Rector der Straßenbanditen.

Durch die andächtige Melancholie von "Casanova" nuschelt sich der Rapper wie Til Schweiger nach einer halben Kiste Rotwein. "Verspiel' meine Gage, noch ein Album ganz locker", erklärt er schulterzuckend in "Ferrari Motor". Der nachgereichte Refrain klingt nach einem schwer zu motivierenden Teenager, den Celo & Abdi zwingen müssen, die Spielzeit von drei Minuten vollzubekommen. Laune kommt im Prinzip nur auf, wenn sich Olexesh den "Old-School-Flavour" von Enginearz auf der Zunge zergehen lässt oder seinem schneidigen "Big Ass Benz" huldigt.

Sportwagen bilden im Hip-Hop-Verständnis des Rappers das vierte Element. Die weiteren inhaltlichen Schwerpunkte liegen bei Scheinen, Schlampen und Suchtmitteln. "Spring in den Wagen rein, stell mich der Schlampe mal vor", heißt es mit der üblichen Humorlosigkeit etwa in "Aventador". Aus längeren Ausführungen lässt sich wiederum beim besten Willen keinerlei Sinn herauslesen. "Ich vermisse mein Ghetto so sehr, als würde ich nie wieder sehen, was es hat. Meine Träume sind groß, vergesse die Wahrheit. Schreib' es ins Lied, ich will allein sein", kauderwelscht er sich etwa durch "Schmetterling".

Einen Höhepunkt erreicht seine Kopf-zu-Mentalität in "Herkunft Asphalt". M3 kontrastiert den betäubten Beat mit flirrenden Hi-Hats, während der Titelheld sein Publikum wissen lässt, früher bevorzugt auf Carmen Electra masturbiert zu haben, und mit Bonmots à la "Bullen schauen uns an wie ein Bastard" versorgt. Den ignoranten Gipfel erklimmt Olexesh, wenn er lapidar erklärt: "Ach, erzähl mir nichts von Kriegen, komm lieber auf mein Konzert." Natürlich muss sich selbst ein in Kiew geborener Rapper nicht an der Außenpolitik abarbeiten, aber seine kultivierte Einfalt schmerzt schon in den Ohren.

Wie üblich im Straßenrap endet "Matador" mit der Abkehr von Drugs, Sluts und Violence. "Du bist nicht Straße, wenn du Mutter nicht von Herzen liebst", führt er gefühlig in "Ma Iune" aus und vermengt es mit der üblichen Mischung aus melancholischem Sound, halbgarer Introspektion und Prisen von Reue und Paranoia. Olexesh gehörte einst zu den vorzeigbarsten Vertretern seiner Sparte, doch ahnt er mittlerweile selbst, dass sein Desinteresse den früheren Hunger verdrängt hat, wenn er fragt: "Wenn du mich hörst, die Texte, sag' mir, was fühlst du?" Nichts, im Grunde absolut nichts.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Matador
  3. 3. Gramm Für Gramm (mit Bonez MC)
  4. 4. Kрокоди́л
  5. 5. Herkunft Asphalt
  6. 6. Ferrari Motor (mit Celo & Abdi)
  7. 7. Darf Ich Mich Vorstellen
  8. 8. Casanova
  9. 9. Schwarzer Lotus (mit Celo & Abdi)
  10. 10. Schmetterling
  11. 11. All Eyez On Me (mit Nimo)
  12. 12. Dim
  13. 13. Big Ass Benz
  14. 14. Qualität (mit Sa4 und Ajé)
  15. 15. Dawai (mit LEXS BMF)
  16. 16. Speznas
  17. 17. Aventador
  18. 18. Ma Iune
  19. 19. Keine Zeit Zum Sterben

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