laut.de-Kritik
Generationsübergreifende Zusammenstellung folkiger Klänge.
Review von Giuliano Benassi"Juno" gelingt ein ungewöhnlicher Spagat: Einerseits klingt die Handlung eher nach Stoff für die Jugend, vor allem für die weibliche, andererseits ist sie so witzig und liebevoll erzählt, dass auch Erwachsene Gefallen daran finden. Die Geschichte der schwangeren 16-Jährigen und ihrer Mühe, die richtige Entscheidung zu treffen, lebt von der Charakterisierung der Darsteller. "Hast du etwas geahnt, als sie uns bat, uns hinzusetzen?", fragen sich die Eltern nach der Ankündigung. "Ja, aber ich dachte, dass sie von der Schule geflogen sei oder drogenabhängig", lautet die Antwort.
Die Merkmale des Films gelten auch für den Soundtrack: Witzig, liebevoll, eher an ein junges Publikum gerichtet, aber auch für Erwachsene geeignet. Einige jenseits der 40 dürften überrascht sein, dass Akustikgitarrenmusik nicht in den 80er Jahren mit Bruce Springsteen und Tracy Chapman endete, sondern noch heute jungen Interpreten Raum zur Entfaltung bietet.
Etwa Kimya Dawson, die mit dem mittlerweile zu internationalem Ruhm aufgestiegenen Adam Green das Herzstück der Moldy Peaches bildet. Mit einfach gezupfter Gitarre und kindlicher Stimme stellt sie fast ein Drittel des Albums, wobei sie auf gelegentliche Seitenhiebe nicht verzichtet. Etwa im schnell gesungenen "Loose Lips" mit dem choralen Refrain "we won't stop until somebody calls the cops and even then we'll start again and just pretend that nothing ever happened" und der zuckersüß vorgetragenen Zeile "fuck Bush and fuck this war".
Mit den Schotten von Belle And Sebastian und Bright Eyes, die Formation um den eigenwilligen wie genialen Conor Oberst aus Nebraska, erfahren die Genrekenntnisse weitere Erweiterungen. Damit auch die jüngere Generation dazu lernt und sich die ältere in Erinnerungen schwelgen darf, sind ein paar "Opas" vorhanden: Der Kinderliedautor Barry Louis Polisar mit dem Opener aus dem Jahr 1977, die Kinks mit "Well Respected Man" (1965) und Buddy Holly (gestorben 1959) mit einer neu eingespielten Akustikbegleitung zu "Dearest". Den Höhepunkt bietet jedoch ein weniger bekanntes Stück von Velvet Underground, das mit dem einprägsamen Refrain "I'm sticking with you, cause I'm made out of glue" glänzt.
Zeit zum Rocken nehmen sich Sonic Youth ("Superstar", 1994) und die bunten Hunde von Mott The Hoople mit "All The Young Dudes", das David Bowie 1973 für sie schrieb. Verstörende Klänge bleiben jedoch aus, das gesamte Album plätschert gemächlich vor sich hin.
Dass die Geschichte ein Happy End findet, ist an den letzten Stücken zu erkennen. "Anyone Else But You" kommt erst in der Version der Moldy Peaches, dann in der des jugendlichen Paares, Ellen Page (Juno) und Michael Cera (Paulie). "I don't see what anyone can see in anyone else / But you", heißt es dazu passend im Refrain.
Ein wohl sortierter Soundtrack, der auch ohne Film gut funktioniert. Die größte Errungenschaft von Ellen Page, die die Stücke zum Teil aussuchte, und Mateo Messina, der sie zusammenstellte und vervollständigte, liegt im nahtlosen Übergang zwischen Liedern, die zum Teil fast ein halbes Jahrhundert auseinander liegen. Wie Neil Young sagen würde: "It's all one song".
3 Kommentare
Zitat (« Mit den Schotten von Belle And Sebastian und Bright Eyes, die Formation um den eigenwilligen wie genialen Conor Oberst aus Nebraska, erfahren die Genrekenntnisse weitere Erweiterungen. »):
Bright Eyes? Wo?
Toller Soundtrack, verdiente 4 Punkte wie ich finde. Loose Lips und All I want is you haben sich bei mir im Hirn sofort festgesetzt. Die Musik war sowieso das beste am ganzen Film.
Vier von fünf Punkten?
Wunderbare Songs, dramaturgisch nachvollziehbar angeordnet?
Interpreten verschiedenster Coleur bieten Großartiges?
... aber dann:
"Verstörende Klänge bleiben jedoch aus, das gesamte Album plätschert gemächlich vor sich hin."
Ist das nicht ... widersprüchlich?
Oder verstehe ich da was ... falsch?
Ist "vor sich hin plätschern" mittlerweile positiv ... gemeint?
Mit diesen Fragen verbleibt, ziemlich verunsichert: Christian Stenger.