laut.de-Kritik

"Rap ist kein Spaß."

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Deutschrap-Interessierte können sich zumeist schon glücklich schätzen, wenn ihre Helden es vermeiden, erzkonservative bis verschwörungsideologische Positionen einzunehmen. Linke Haltungen beschränken sich oft auf identitätspolitische Nabelschau. Das entspricht dem Zeitgeist, klammert aber die ökonomischen Verhältnisse aus. Disarstar bildet davon zwar die Ausnahme. Zugleich scheut er aber vor rigorosem Durchgreifen zurück. Bei dem getriebenen PTK greifen Analyse und Aktion ineinander: "Ich wusste immer schon, ich muss was Großes starten, damit ich vorankomm'."

"Hungerlohn & Peitsche" nimmt sich exemplarisch des Themas Arbeitsmarkt an. PTK beanstandet den "Subunternehmer vom Subunternehmer, der dir nur die Hälfte vom gesetzlichen Stundenlohn geben kann - oder will." Speziell den Generationen Y und Z sollte der Berliner aus der Seele sprechen, wenn er die "Fahrradsklaven" der Lieferdienste anprangert und die Reallohnverluste der Beschäftigten anspricht: "Was für Wohlstand? Du kannst froh sein, dass du überhaupt noch 'ne Schicht machen darfst." Jonnywood und NDA Company ermatten dazu am musikalischen Fließband.

Wenn PTK in "Cluster" durch die kapitalistischen Abgründe von Mietpreisen bis Minenarbeiten rast, tritt er unverhohlen radikal auf: "Ein Schuss fällt, ein Stein fliegt, ein Kopf rollt." Zum kurzatmigen Instrumental lässt er seinem "unendlichen Hass" gegen System und Staatsgewalt freien Lauf. Nur die Privatwirtschaft versetzt den Rapper noch mehr in Wallung. "Wann brenn' endlich die Konzernzentralen?", fragt er ungeduldig in "Amazon Tower". Irritierend ausgeglichen begleitet die Produktion die überspannten Zeilen des Jungen "mit dem stumpfen Reichenhass" und Teuterekordz.

Rüstungskonzerne ordnet er gleichermaßen unter "Feindbilder" ein. Einen "Amoklauf bei Rheinmetall" beschreibt er sicherheitshalber im Konjunktiv. "Von mir aus behalt' die Krone. Bis ich mit der Meute komm' und sie mir mit Gewalt abhole", zeigt er sich sicher, dass der Umbruch nur eine Frage der Zeit ist. Im Gegensatz dazu verzweifelt PTK in "Hass Aus Liebe" an der Untätigkeit der Gesellschaft: "Von NSU bis Cum-Ex - wieso brennt denn dieses Land nicht?" Und wie so viele offenbart er hinter seiner harschen Oberfläche den enttäuschten Romantiker: "Ich hasse diese Welt, weil ich sie liebe."

In "Hass Aus Liebe" gestattet sich der immer ein wenig emotionsarme Rapper einen gehörigen Schuss Melancholie, ohne in den selbstergriffenen Pathos der 'Letzten Generation' zu verfallen. Selbstreflektiert gesteht er sich in "Lächeln 2" seine Depressionen ein, um sie sogleich wieder zu verdrängen: "Ich geh' nie zu Ärzten, ich will keine Diagnose. Ich bin feige, das ist dumm." "Unsichtbar" sensibilisiert für Einsamkeit. Niedergeschlagen greift PTK den Schwächsten unter die Arme, die an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden und erst wieder auffallen, wenn sie sich geruchlich bemerkbar machen.

Während andere Rapper und sonstige Promis ihr Privatleben ausschlachten, spielen die punktuellen Blicke hinter den Vorhang nur eine untergeordnete Rolle. "Kein Plan, was Leute denken, wenn sie zum ersten Mal von mir ein Lied hören. Bestimmt nicht, dass ich Tee liebe und gerne spaziere auf Friedhöfen", gibt er zu den Spieluhr- und Panflöten-Klängen von "Steine" preis, womit er vor allem offenbart, wie unbedeutend derartige Einblicke häufig sind. Womöglich nimmt die private Seite selbst für den Menschen hinter der Figur eine untergeordnete Rolle gegenüber seinem Engagement ein.

"Ja, ich rede ziemlich viel, aber alles erzähl' ich euch nie", verschließt er sich folgerichtig auf dem Weg Richtung "Atlantis" wieder. Bei dem Berliner stehen die gesellschaftlichen Betrachtungen im Fokus. "Rap ist kein Spaß - ich spiele nicht", bringt es in "Cluster" auf den Punkt. "Alles Muss Man Selber Hassen" bietet relevante, gut beobachtete Themensongs. Zugleich ist es aber auch vollkommen humorlos. Ohne relativierendes Ventil, das zumindest für einen Hauch Entlastung sorgt, läuft PTK aber Gefahr, sich zu verrennen und seinen legitimen Anliegen letztlich zu schaden.

Trackliste

  1. 1. Cluster
  2. 2. Amazon Tower (mit Teuterekordz)
  3. 3. Hass Aus Liebe
  4. 4. Feindbilder
  5. 5. Mbappé (mit Fresse)
  6. 6. Hungerlohn & Peitsche
  7. 7. Letzter Tag
  8. 8. Lächeln 2 (mit Kira Livia)
  9. 9. Der Himmel Sieht Mir Zu
  10. 10. Thermostat (mit Abycc)
  11. 11. Unsichtbar (mit Thomas Kundt)
  12. 12. Steine
  13. 13. Global (mit Tayler)
  14. 14. Fernsehturm (mit Capo Beatz)
  15. 15. Atlantis

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