laut.de-Kritik

Der Akkordarbeiter des Folk verarbeitet seinen Herzschmerz.

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Lange vor dem Internet, in dem wir nun unsere Hände baden, gab es Poster-Bestellkataloge. Wer in den 1980ern zur Schule ging, erinnert sich daran, wie sie unter den Tischen ihre Runde drehten. In ihnen fanden sich Grausamkeiten, wie man sie heute nur noch auf Autos geairbrusht und bei schlechten Tattoos findet. Wölfe heulten den Mond an und ein einsamer Harlekin verdrückte eine Träne. Das Cover von Passengers zwölften Album "Songs For The Drunk And Broken Hearted" entstammt genau dieser Hölle.

Der Akkordarbeiter des radiotauglichen Pop-Folks verarbeitet auf diesem den Herzschmerz seiner zerbrochenen Beziehung. Doch bevor man das Gerede vom "persönlichsten Album" auch nur fürchten kann, versteckt sich Mike Rosenberg lieber hinter Karikaturen gefallener Existenzen. Menschen, wie man sie laut ihm in jedem Pub findet. Doch ihre Geschichten bleiben blass wie ein alkoholfreies Radler. Nie erfüllt er diese mit Leben.

Vielmehr stellt er ihnen einen Soundtrack zur Seite, wie er kaum harmloser klingen könnte. Wenn Musik über gescheiterte Menschen Hunde wäre, dann wäre die von Tom Waits ein stinkender räudiger Straßenmischling mit faulenden Zähnen und Passengers neustes Werk ein plüschiger Golden Retriever-Welpe.

Als wäre dies noch nicht genug, bringt er seine Geschichten in 2D mit einer Stimme vor, die klingt, als würde James Blunt einem zweijährigen Kind in Niedlichsprech die Welt erklären. Was dann so endet, dass die Hauptfigur in "Suzanne" eben auf den kreativen Namen "Schuschan" hört. "Schuschan, is it everything you wanted? Schuschan, Schuschan, is it everything you dreamed it would be?" lässt er die in die Jahre gekommene Protagonistin zurück schauen. Das ist nie gut, aber wenigstens unfreiwillig komisch.

Eigentlich sollte "Songs For The Drunk And Broken Hearted" bereits zu Beginn des letzten Jahres erscheinen, wie bei so vielen Alben verlegte man den Release wegen der Pandemie dann aber auf später. Nun ist zwar immer noch Corona, aber Rosenberg nutzte die Pause, um an der Songliste zu arbeiten. In der Zeit, in der andere 840 Stunden "Animal Crossing: New Horizons" anhäuften (hust), schrieb er Lieder über die Lockdown-Zeit und den Brexit und wurschtelte diese dann neben die vom Liebeskummer beherrschten Stücke.

Zu ihnen zählt der ebenso leichtfüßige wie melancholisch Opener "Sword From The Stone", ein vertontes Zoom-Gespräch mit der verflossenen Liebe während der Isolation des Lockdowns. "For time flies then it's so slow / I'm up and down like a yoyo", erzählt er ihr. Gedanken, die er in den letzten Monaten sicher nicht exklusiv hatte und in denen man sich leicht wiederfindet.

Diesen noch halbwegs gelungenen Einstieg reißt Passenger in der Folge jedoch mit einigen Rohrkrepierern ein. Allen voran das gruselig kitschige "Remember To Forget", in dem er zu Banjo und Bläsern schrecklich abgelatschte Plattitüden wie "I'm a shit-talker, a bad joker / A Johnny Walker, a chain smoker" oder "Stay with me through the night / Until the mornin' light" von sich gibt. So besoffen kann man gar nicht in einen Pub kommen, um nicht beim Erklingen dieses Tracks sofort wieder Reißaus zu nehmen.

"The Way That I Love You" ("How many times can I tell you / You're lovely just the way you are?") täuscht mit seiner heruntergeschraubten Atmosphäre zuerst Emotionen an, um diesen kurz darauf mit einem ausgelutschten Streicher-Arrangement einen finalen Haken zu versetzten. Dagegen sticht das sich nur langsam aufbauende "Sandstorm" deutlich heraus. Zwar greift Rosenberg auch hier auf Klischees zurück, doch ergeben der Sandsturm, die nächtliche Atmosphäre, die voran kriechenden Trommeln und das Trompetensolo zusammen ein stimmiges Bild. In der Ferne hört man ein Echo von Calexicos "Carried to Dust". Ein unerwartetes Highlight zwischen Nichtigkeiten.

Angeblich führt Leid zu großer Kunst, auf "Songs For The Drunk And Broken Hearted" gebiert es jedoch nur larmoyante Trivialitäten. Passengers Songideen bleiben meist austauschbar, die Bilder plump. Dass er uns vorgaukeln möchte, dass Album sei tiefgründig und so viel mehr als es ist, verschlimmert die Sache nur. An der Oberfläche kratzend gerät es zu einem Festival der Belanglosigkeit.

Trackliste

  1. 1. Sword From The Stone
  2. 2. Tip Of My Tongue
  3. 3. What You're Waiting For
  4. 4. The Way That I Love You
  5. 5. Remember To Forget
  6. 6. Sandstorm
  7. 7. A Song For The Drunk And Broken Hearted
  8. 8. Suzanne
  9. 9. Nothing Aches Like A Broken Heart
  10. 10. London In The Spring

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