laut.de-Kritik

Allzu oft Truck Stop, Element Of Crime-B-Seite und "Candle In The Wind" für Arme. Schade.

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Als künstlerische Heroine mit Pioniertouch ist Patti Smith neben Kolleginnen wie Marianne Faithful oder Rickie Lee Jones recht einsam an der Weltspitze. Preisgekrönte Gedicht- und Fotobände, als Malerin fachlich anerkannt, während sie privat Tragödien shakespearschen Ausmaßes erleiden musste.

Kann man dazu Evergreens wie "Because The Night" (cowritten by Springsteen) oder "Dancing Barefoot" schreiben, steigt die Erwartungshaltung des Hörers quasi ins Unermessliche. Leider wird "Banga" trotz seiner 13 Songs dem bisherigen Qualitätssiegel der Sängerin aus Chicago nur in Teilen gerecht. Zwischen anmutiger Souveränität und gniedeliger Gefälligkeitsmucke. Verstörend.

Dabei erscheint auf den ersten Blick alles so perfekt und bereit zur Anbetung. Edelgäste wie Tom Verlaine oder Kumpel Johnny Depp geben einander die Klinke in die Hand. Die alten PS-Group Gefährten Lenny Kaye und Jay Dee Daugherty sitzen seit fast 40 Jahren mit im Boot. Und die Verse von Meg Whites Schwiegermutter transportieren durchweg abgehangene Romantik und Sarkasmus plus ein paar bildlich surreale Momente. An dieser Stelle sei besonders auf die nur unwesentlich teurere Special Edition hingewiesen. Ein echtes Hardcover, mehr als 50 Seiten mit Fotokunst, allen Lyrics und der gesamten Entstehungsgeschichte in knapper Essayform. Durchaus ergiebig.

Musikalisch könnte das Album indes kaum widersprüchlicher sein. Bereits der Auftakt "Amerigo" überzeugt nur textlich. Diese kleine Schwester der großen Zivilisationskritik von Neil Youngs "Cortez The Killer" ("Zuma", "Weld") ersäuft Composer Tony Shanahan (PSG seit 1996) in einem unnötig kaufhausverdächtigem Ladidah-Arrangement. Nicht gut für die emotionale Note im Ausdruck der Sängerin und ihrer Silben. Die Beförderung des Bassisten/Keyboarders zum Hofkapellmeister entpuppt sich im Verlauf ertwartungsgemäß nicht gerade als kreative Sternstunde.

Mit immerhin vier sargnagelnden Tracks aus eigener Feder zieht er die gesamte Schallplatte vom Spektakel mühelos in Richtung zerfahrene Langeweile. "April Fool" und "Maria" bestechen lediglich durch erschreckend uninspirierte Allerweltsstrukturen. Nöliges Bürgertumsamericana trifft auf nicht weniger einschläfernden Konsensblues. Sedierender als Norah Jones und Katie Melua zusamen. Noch schlimmer als solche Schlaftabletten: das schauderöse Amy Winehouse-Requiem "This Is The Girl". Smiths würdevolle Zeilen eingebettet in schlagereskes Countrygedudel zwischen Truck Stop, Element Of Crime-B-Seite und "Candle In The Wind" für Arme. Was für eine Selbstdegradierung. Nicht nachvollziehbar.

Neben einem dramaturgisch höchstens plätschernden "Mosaic", dem bleiernen "Seneca" oder dem freundlichen Geburttagsrock "Nine" (für Johnny Depp) gibt es gleichwohl auch Grund zum Jubel. Immer wenn Patti Smith das Zepter weitgehend allein an sich reißt, ensteht Erstaunliches. "Banga" hieß der Hund von Pontius Pilatus in Michail Bulgakows "Der Meister und Margarita". Wuchtige Stimme im Duett mit wildem Gekläffe; knapp drei Minuten voll auf die Zwölf. Na also, es wird immer noch gebellt. So soll das sein.

Zum Ende noch lässig zwei Asse aus dem Ärmel geschüttelt. Für "Tarkovsky" variiert und reinterpretiert die 'Godmother of Punk' ein komplexes Thema von Jazzguru Sun Ra. Der zum Fundament gegossene Spacecookie treibt die Chanteuse zum ekstatischsten Schamanengesang seit mehr als drei Dekaden. So ein Lied hätte auch Miles Davis anno 1973 nicht von der Bettkante gestoßen. Zum Schluss dann der popkulturelle Höhepunkt mit "Just Kids". Eine Art Titelsong für ihr mit Ehrungen überhäuftes Buch gleichen Namens aus dem Jahr 2010. Memoiren über die gemeinsame Jugendzeit mit 'best Mate' und Starfotograf Robert Mapplethorpe, der diverse Cover der PS Group gestaltete.

Vier Minuten lang klingt sie hier so leidenschaftlich, unangepasst und energetisch wie in ihrer Hochphase zwischen 1975 und 1980. Inklusive minimal angedeuteter Synkopen. Große atmosphärische Leistung der knapp 66-Jährigen. Doch auch hier: Vorsicht! Der schicke Track befindet sich unverständlicherweise nur auf der erwähnten Special Edition. Ein weiterer Minuspunkt für das reguläre Album. So bleibt für die Zukunft lediglich die Hoffnung auf ein echtes Patti-Album ohne einen den Brei so übel verderbenden Koch.

Trackliste

  1. 1. Amerigo
  2. 2. April Fool
  3. 3. Fuji San
  4. 4. This Is The Girl
  5. 5. Banga
  6. 6. Maria
  7. 7. Mosaic
  8. 8. Tarkovsky
  9. 9. Nine
  10. 10. Senecca
  11. 11. Constantine's Dream
  12. 12. After The Gold Rush
  13. 13. Just Kids

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