laut.de-Kritik
Wie Nirvana und Oasis unter den Fittichen David Bowies.
Review von Manuel BergerWeit über eine Dekade ist es inzwischen her, dass sich die Band Mansun während der Arbeit an ihrem vierten Album zerstritt und auflöste. Diese Ereignisse beschäftigten Frontmann Paul Draper noch eine ganze Weile. Nachdem er jahrelang lieber im Hintergrund der Musikszene aktiv war, statt auf ihren Bühnen, verarbeitete er seine Gefühle nun doch in dem von Fans langerwarteten Soloalbum. Darauf bezieht er sich zwar teilweise textlich recht deutlich auf die Vergangenheit ("Friends Make The Worst Enemies", "You Don't Really Know Someone, Till You Fall Out With Them"), definiert sich musikalisch jedoch selbst neu. "Spooky Action" ist über weite Strecken das perfekte Album.
Wenn man so will, könnte man wohl behaupten, Paul Draper feierte seine musikalische Geburt in den 90ern. Mansun kam im Britpop hoch, war aber nie eine waschechte Britpop-Band. Man lugte gerne über die Genregrenzen hinaus. Diese Attitüde behält Draper auch auf seinem Soloalbum bei und treibt sie auf die Spitze. Ja, die 90er sind zu hören. Aber ebenso die 80er, die 2000er und zu keiner Zeit bestehen Zweifel, dass "Spooky Action" 2017 absolut zeitgemäß ist.
"Can't Get Fairer Than That" klingt als würden Kurt Cobain und die Gallaghers zusammen musizieren. Im Hintergrund schwebender Synthesizersound addiert eine spacige Komponente. "Who's Wearing The Trousers" ist die Schnittmenge aus heutiger Lo-Fi-New Wave (googelt mal Euroteuro) und trockenem Depeche Mode-Feeling. Das nötige Dada-Element für Ersteres ist dank völlig abgedrehtem Furz-Keyboard im Solopart vorhanden. Zum Basslauf möchte man in der Morgendämmerung um Kotzehaufen tanzen – abgefuckt, aber bitte mit Flair! Wichtig dabei: Draper lässt nie den Anspruch vermissen. "Spooky Action" ist eben gerade nicht nicht das Werk hipper Twenty- oder Thirtysomethings, die meinen ihr Scheißen auf Tiefe wäre Kunst.
Draper liebt es, seine Kompositionen ambivalent aufzubauen. Einerseits gibt es fast immer die Ebene, die den puren Unterhaltungsaspekt von Musik erfüllt. Zu "Who's Wearing The Trousers" und dem zwischen Funk, Garagen-Indie und lasziver Glam Rock-Ästhetik pendelnden "Grey House" lässt sich wunderbar kopflos abgehen. Gleichzeitig umgibt den zentralen Beat, die catchy Ohrwurmmelodie aber immer ein riesiges Feld klanglicher Avantgardismus. Es zirpt und wabert in allen Ecken. Der Detailreichtum von "Spooky Action" lässt sich beim rein oberflächlichen Hören unmöglich in Gänze erfassen.
Wie um sicherzustellen, dass man auch tatsächlich in seine Welt eintaucht, beginnt Draper sein Album nicht mit einem zugänglichen Hit, sondern stellt das Opus "Don't Poke The Bear" und damit einen knapp dreiminütigen Instrumentalteil voran, der ebensogut auf einem Porcupine Tree-Album stehen könnte. Die zweite Hälfte der fast sieben Minuten langen Singleauskopplung prägen mehrstimmig verschachtelte 80er-Vocals. Mantraartig wiederholt er die Zeilen "Keepin' your head down and follow the sun / You know, you're gonna listen to me", bis er irgendwann beim Kreischen ankommt, mit kurzem Percussion-Rückbezug auf den Beginn des Stücks runterfährt und nahtlos ins lockere "Grey House" überleitet.
Mit der Sci-Fi-Hymne "Jealousy Is A Powerful Emotion" könnte Draper für einen David Lynch-Soundtrack vorstellig werden. Während man zwischen entrücktem Gitarrensolo und flächendeckenden Elektronik-Soundscapes in andere Sphären trippt und "Spooky Action" insgesamt reflektiert, erscheint auch der Vergleich zu einem anderen David vollkommen logisch: David Bowie. Wenn auch nicht die medialen Gesamterscheinung, so eint die beiden doch zumindest die musikalische Variabilität und die Fähigkeit, Mainstream und Extravaganz auf einen Nenner zu bringen.
Draper kann leichten Dream-Pop spielen ("Things People Want"), dramatisch über Orgeltöne bereuen ("You Don't Really Know Someone, Till You Fall Out With Them"), verbannt in "Feel Like I Wanna Stay" tatsächlich einmal den Synthesizer zugunsten von Rock'n'Roll und bekommt weibliche Unterstützung am Mikro. Grunge und Synthiepop müssen sich bei ihm nicht ausschließen. Aus unterschiedlichsten Einflüssen schraubt er sich seine eigene Identität zusammen. Die offenbart dem Namen nach mal ihre düsteren Seiten, mal ihre dreckigen und mal ihre harmonischen und unbeschwerten. "Spooky Action" bedient gleich eine ganze Riege an Nostalgie-Gefühlen und klingt dabei doch unfassbar modern und innovativ. Sollte man gehört haben.
2 Kommentare
"klingt als würden Kurt Cobain und die Gallaghers zusammen musizieren"
kann man also getrost abschreiben die Platte.
Spooky Action? Ich kenne nur Spooky Black, den R'n'B König:
https://www.youtube.com/watch?v=_nZfHt5G6UQ