laut.de-Kritik

The Rosarote Brille Of Trance Is Back.

Review von

Paul van Dyk ist einer der wenigen Überlebenden aus der Zeit, als DJs zu den neuen Popstars avancierten.

Unzählige Superlative wie Grammy, Loveparade-Siegessäule, Zweiohrküken und skurrile Superstar-Geschichten ranken sich um den Berliner. Unvergessen die Begebenheit, als DJ Hell angeblich aus einem Shuttlebus am Flughafen aussteigen musste, weil Paul seine Ruhe haben wollte. Auch konnte man in einem Interview vernehmen, dass der Herr sich doch mindestens drei Monate im Jahr in der Luft aufhalte, vielbeschäftigter Flieger wie er sei. Und, haha, das sei dann wohl die Energiebilanz einer kleinen Stadt, oder so. Nur eben in diesem Fall erzeugt von einem einzigen Trance-DJ. Trotz dieser Extravaganzen kommt der jenseits der Mauer Aufgewachsene immer professionell und sympathisch rüber. Gut sitzende Anzüge und britisch angehauchtes Understatement versprühen den Charme eines wohl situierten Landlords.

Dieses Image nutzt er als Produzent konsequent aus und legt mit "Evolution" ein elegantes Trance Pop-Album hin. Van Dyk war es auch, der sich weit vor David Guetta der Kraft prominenter Vocalfeatures auf elektronischen Alben bewusst war. Dieses Mal kommen aber auch unbekanntere Künstler zu Wort und Ton. So sang Adam Young vom kanadischen Elektronik-Projekt Owl City bereits auf der Vorab Single "Eternity". Angenehmerweise ist das Tempo der Stücke runtergeschraubt und verpasst dem Album einen ruhigeren Fluss. Drum’n’Bass- ("The Sun After Heartbreak") und auch House-Einflüsse gestalten die Chose abwechslungsreich und lenken von typischen Piano Trance Nummern à la "Symmetries" ab.

Natürlich muss man die rundweg positivistische Aura des Produzentenstils von Paulchen mögen. The Rosarote Brille Of Trance Is Back. Selbst Toningenieure können nichts am Sound aussetzen, klar, brillant sauber, kein Staubkörncheneinschluss zu verzeichnen. Radio-Kompatibiltät war ohnehin immer eines der Erkennungsmerkmale der Tracks von PvD. Jenes Superstar DJs, der einst bei Zimmer Frei Götz Alsmann elektronische Musik näherzubringen versuchte.

Einzig "Rock This", das vom eleganten Stadion-Trance abweicht und den Proll Bass aufdreht, will nicht so recht ins Konzept passen. Bei einem Live-Auftritt mit entsprechender Lichtkulisse und dem huldvoll thronenden Miles&More-Meister dürften aber auch hier die Goose Bumps kribbeln. Dier Erlösung nach dem Break ist in wenigen elektronischen Spielarten so erfüllend wie im Trance. Und diese Dramaturgie beherrscht Paul van Dyk ausgesprochen effizient, wie er beim oldschoolig-progressiven "Dae For You feat. Ummet Ozcan" unter Beweis stellt.

Der Titel ist bei "Evolution" zwar nicht durchgängig Programm, jedoch versteht es sein Schöpfer durchaus, aktuelle Strömungen und den Zeitgeist einzubeziehen, ohne gleich die alteingesessene Anhängerschaft zu vergraulen. Der englische Landsitz wird sich wohl
zugunsten des Lebens über den Wolken noch ein wenig gedulden müssen.

Trackliste

  1. 1. Symmetries
  2. 2. The Ocean
  3. 3. Eternity
  4. 4. Verano
  5. 5. I Don't Deserve You
  6. 6. The Sun After Heartbreak
  7. 7. Rock This
  8. 8. Dae Yor
  9. 9. All The Way
  10. 10. If You Want My Love
  11. 11. Lost In Berlin
  12. 12. Everywhere
  13. 13. A Wonderful Day
  14. 14. We Come Together
  15. 15. Heart Stops Beating

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