laut.de-Kritik
Erstaunliches Album von einem Wolle ohne Locken!
Review von Jeremias HeppelerJa Leute, ich gebs ja zu: Beim ersten Hören hatte ich noch keine Ahnung, wer die Pete Wolf Band ist. Niente. Pete Wolf, okay ... das klingt so ein wenig nach Manfred Mann und Konsorten, vermutlich so ein 80er-Jahre Phänomen, das in steter Regelmäßigkeit das immer gleiche Album veröffentlicht. Bereits der Titel machte mich aber ein wenig stutzig: "Happy Man". Das klang irgendwie merkwürdig roh. So nennt man eigentlich kein Spätwerk.
Wenige Sekunden "Girl Crush" reichten dann, um mich vollends zu verwirren. Was für ein Sound? Was für eine Aussprache? Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Ich war in einen Hinterhalt geraten und die Schlinge zog sich bereits zu. Also: Ab auf Google, panische Recherche. Und dann: Die Erkenntnisohrfeige. Klatsch. Die Redaktion hat mich reingelegt! Oder: You had my curiosity, but now you have my attention.
Pete Wolf ist Wolfgang Petry. Und Wolfgang Petry ist Pete Wolf. Das klingt wie eine abgehalfterte Detektivgeschichte. Das ist in etwa so, wie wenn Sherlock Holmes einem neuartigen Verbrechertypus hinterher hechelt und im finalen Twist dann feststellt, dass es wieder einmal sein Erzfeind Dr. Moriaty war, der ihn an der Nase herumführte.
Wolfgang Petry (auch das ist ja nur eine Scheinidentität des Kölner Franz Hubert Remling) hatte sich in den vergangenen Jahren einem Bondbösewicht gleich aus der Öffentlichkeit zurück gezogen und sein markantes Aussehen immer konsequenter verändert. Die tausenden Freundschaftsbändchen, die munter an seinem Unterarm welkten? Weg damit! Die legendäre Lockenmähne? Geschichte! Am Ende musste sogar der Schnauzer dran glauben. Als dann in einem finalen Schritt die karierten Arbeiterhemden dem Anzug wichen, da war die Transformation perfekt. Pete Wolf war geboren.
Tatsächlich steht hinter der eben geschilderten Verwandlung eine weitreichende, faszinierende und mutige Entscheidung. Denn Wolfgang Petry wurde wie ein Gott verehrt. Deutschlandweit. Nicht nur, weil die Massen zu seinen Konzerten pilgerten, sondern weil Petry-Hits auf sagen wir 90% aller Partys und zu jeder Stunde für Ekstase sorgen. Petry-Pilger sind überall, auch wenn man sie auf den ersten Blick nicht sofort erkennt. Das Erfolgsrezept war über die Jahre perfektioniert und hatte keine Lücken mehr.
Petry hätte auch in 20 Jahren noch die Hallen voll gemacht. Aber – und jetzt wirds interessant – er wollte das nicht mehr. Als Fan von amerikanischem Country, Rock und Blues hatte sich der Schlager-Superstar längst in andere Welten gedacht, die zu diesem Zeitpunkt nur bedingt mit seiner künstlerischen Realität zu vereinbaren waren. Also jagte er seinem Traum hinterher. In einer Welt, der wir als Außenstehende vor allem durchgehenden Kommerz vorwerfen, erscheint das als einzigartiger Schritt.
Entstanden ist "Happy Man" dann mit einem eigenartigen Karl May-Mindset: Deutschlands größter Westernautor hat Amerika bekanntermaßen nie besucht und einzig und allein seine Vorstellungskraft und die Informationen und Geschichten Dritter in einen fantastischen Realismus umgesetzt. Ähnlich ging auch Petry vor, der seine Platte nicht in Kooperation mit waschechte Bluesgrößen oder gar in den legendären Nashville-Studios aufnahm, sondern sich einzig und allein auf seine Plattensammlung und seinen Instinkt verließ.
Herausgekommen ist eine durch und durch seltsame Platte, die aber zweifelsohne einen sehr eigenen Charme hat. Pete Wolf unterscheidet sich in Sachen Gesangstechnik so gut wie gar nicht von Wolfgang Petry: Er drückt und schiebt sich eindimensional durch die Strophen und scheppert in den Refrains mit ehrlicher Arbeitermentalität nach vorne, was einen dann schon ein wenig mitreißt. Auch weil man der Scheibe anhört, wie viele Liter Herzblut der gute Pete Wolf in diese Songs injizierte, wirkt dieses merkwürdige Release niemals peinlich.
Während die zahlreichen Coverversionen von Little Big Town, Carrie Underwood und Josh Groban alle grundsolide dahin dümpeln, verdient sich der Kölner für seine einzige Eigenkomposition und seinen ersten englischsprachigen Song "Getting Old" mehr als nur ein Sonderlob.
"Getting Old" glänzt zwar nicht in textlicher Hinsicht, organisiert sich aber als griffige Rockhymne, die in der finalen Bridge sogar alle vorherigen Konventionen über Bord schmeißt und sich kurzzeitig an einen Reggae-Beat anschmiegt. Ein kurzweiliger Song, den man sich prächtig als Landstraßen-Hymne vorstellen kann und der mit seinem Bon Jovi-Vibe die Füße zum Mitwippen anstachelt – definitiv das beste Stück Musik, mit dem uns der gute Franz Remling bisher beschenkte.
6 Kommentare
♥ für Wolle und Review
Puhh, als Fan von Blues Rock und Country habe ich mir die Platte angehört,.. hätte ich nicht gedacht. Schönes Album. Auch von mir 3 Sterne
Respekt!
Nichtsdestotrotz ist es wohlbekannt, dass Karl May die USA sehr wohl besucht hat - wenn auch erst 1908, und damit nach Veröffentlichung der meisten seiner dort spielenden Romane.
wirklich gut geworden!
wirklich gut geworden!