laut.de-Kritik

Der 75-Jährige veredelt Songs von Fettes Brot und Marteria.

Review von

Aller guten Dinge sind drei! Die namhafte deutschsprachige Ü70-Abteilung zeigte sich zuletzt höchst aktiv. Mit unterschiedlichen Resultaten: Grandseigneur Udo Jürgens (fast 80) stand mit seinem neuen Material nicht wirklich "Mitten Im Leben". Heino (75) erntete zumindest einen Achtungserfolg dank "Mit Freundlichen Grüßen". Den tatsächlichen Cover-Volltreffer landet aber jetzt der ebenfalls 75-jährige Peter Kraus.

Im Player läuft in nicht geringer Lautstärke "Sag' Beim Abschied Rockig Servus" (der einzige neu komponierte Track), und man fragt sich ungläubig: Wo ist nur die Zeit geblieben? Denn diese Nummer bildet bereits den Abschlusstrack. Replay also, aber sofort. Und schon schweben Marterias "Lila Wolken" wieder umher, eingebettet in einen unwiderstehlichen Mix aus fröhlich schepperndem Rockabilly und zarten weiblichen Schubiduh-Chören.

Culcha Candelas "Hamma!" eignet sich in Kraus' Version bestens zur lockeren Anmache in der nächstgelegenen Milchbar. Die angebetete "Emanuela" von Fettes Brot fühlt sich pudelwohl, umflirtet von viel Paul Anka-Schmelz und flotten Twist-Rhythmen. Sportfreunde Stillers "Applaus, Applaus" verdient sich seinen Beifall dank der geglückten Transformierung weg von überholtem Deutschrock hinein in den Rockabilly-Kosmos, inklusive straighteren Gitarren.

Natürlich dünkt das Konzept von "Zeitensprung" zunächst ans Ranhängen an einen Trend: Sein neues Publikum erschloss sich Kollege Heino mit einem Cover-Album. Kraus wählt die gleiche Herangehensweise. Laut Peter war die Arbeit an seinem Longplayer bereits längst in Gange, als Heino etwas zeitiger zuschlug. Doch nur die Resultate zählen!

Egal, welchen Song Kraus & Co. sich vornehmen: Sie spielen ihn nicht nur einfach nach - sie veredeln ihn. Auf voller Albenlänge verbleibt der Spaßfaktor in oberen Bereichen. Kraus' noch immer wie zu "Hula Baby"-Zeiten klingende, warme und unerwartet flexible Stimme moduliert klar, locker und gelöst.

Die für authentischen Fifties/Sixties-Sound unabdingbaren Kehlkopfüberschlag-Kiekser gelingen wie einst im Mai. Die pfiffigen, äußerst detailverliebten und dennoch luftig-frischen Arrangements kommen nicht von irgendwoher: Dahinter steckt dasselbe Produzententeam, das bereits The Baseballs bis in die britischen Charts katapultierte.

Ausfälle unter den 12 Tracks? Eigentlich nur Ute Freudenbergs "Jugendliebe" - was nicht an Kraus & Co. liegt. Die Nummer lässt sich halt auch mit einer Renovierung nicht von ihrem belanglosen Zonenmief befreien. Die Songauswahl für "Zeitensprung" irritiert auf den ersten Blick - denn da finden sich Schrecknisse, denen man eigentlich nur ungern wiederbegegnet.

Dennoch schnappt sich Peter tatsächlich Wolle Petrys "Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih’n". Und siehe da: Losgelöst von allen angestrengten Bierzelt-Stampfbeats entwickelt die Nummer hier tatsächlich einen unvermuteten, sogar freundlichen Charme. Ohnehin eine besondere Leistung des gesamten Teams: vermeintlich unterklassigem Liedgut eine neue und höchwertiger klingende musikalische Seele zu verleihen.

Als besonders geglücktes Beispiel lässt die neue Version von "Gib Mir Sonne" fraglos auch hartgesottene Rosenstolz-Hasser verwirrt zurück. Denn was Kraus hier mit von allem ursprünglichen Pathos entschlackten Arrangement, und gänzlich anders angelegter Songführung gegenüber dem Original abliefert - das erinnert an die Wandlung des Aschenputtels hin zu einer anbetungswürdigen Prinzessin.

Taucht gar die allgegenwärtige Helene Fischer mit eigenem Song ("Wär' Heut' Mein Letzter Tag") zum Duett auf, verlässt Kraus dennoch als Sieger das Schlachtfeld. Ihr aseptisch anmutender Gesang ist fehl am Platze, passt nicht in die sinnlichen Zeiten von Brausepulver und Leckmuschel. Dem setzt Peter echtes Herz entgegen, das langt. Und er teilt sich dabei seine Energie gut ein, denn er muss schließlich auch "Nur Noch Kurz Die Welt Retten". Nebenbei befreit Kraus den Song von Tim Bendzkos sämiger Interpretation - dank einer viel entspannteren, und tatsächlich lässigen Herangehensweise.

Was wäre, wenn verdiente/angesagte Pop/Rock/Rap-Hits dieser Tage eine Entsprechung im einem längst vergessenen, treudeutschen Rockabilly-Paralleluniversum besäßen? Die würden dann halt klingen wie bei Peter Kraus. In seinen Händen oft genug sogar noch viel, viel besser als in ihrer angestammten Zeitlinie. Yeah! "Zeitensprung" eignet sich perfekt als Lieblingsplatte für beschwingte Frühlings-Augenblicke.

Trackliste

  1. 1. Lila Wolken
  2. 2. Ein Herz Kann Man Nicht Reparieren
  3. 3. Hamma!
  4. 4. Gib Mir Sonne
  5. 5. Emanuela
  6. 6. Jugendliebe
  7. 7. Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih’n
  8. 8. Nur Noch Kurz Die Welt Retten
  9. 9. Applaus, Applaus
  10. 10. Wär' Heut' Mein Letzter Tag
  11. 11. Alles Nur Geklaut
  12. 12. Sag' Beim Abschied Rockig Servus

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6 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    "lila wolken" um welten besser aus die vorlage. dreh den swag auf! :ill:

  • Vor 10 Jahren

    Der soll also diesen Riesenhaufen an Scheiß-Songs in eine Ansammlung schicker Nummern verwandelt haben? Ich bin ehrlich: Das kauf' ich Artur nicht ab.

    • Vor 10 Jahren

      Hab' mir eben "Lila Wolken" und "Hamma" angesehen, und während der beim ersten immerhin noch mit seinem lässigen Hüftschwung die Lage rettet, ist das Silbereisen-Duett im zweiten echt zuviel des Guten.

  • Vor 10 Jahren

    Doch, das ist ihm abzukaufen! Denn seit letzter Woche dudeln bei ihm gewisse Lieblingssongs rauf und runter in der Schreiberbude. Freddy hat mit Ihrer Einschätzung natürlich ebenfalls absolut recht.

  • Vor 10 Jahren

    Grad reingehört, nach kurzer Zeit find ich das nervig. Vielleicht mags besser als Heino sein, aber notwendig? Warum nicht gute Songs interpretieren? Ist auch nur ne billige schnelle Mark Nummer.

  • Vor 10 Jahren

    Die Produktion ist ja richtig amtlich und bekommt die Nachbildung des 50er-Deutsch-Rock-Schlager-Sounds (ConnyPeterTed usw.) ganz ordentlich hin. Hätte mir gewünscht, daß die Macher nicht dieses Heino-Konzept mit Peter Kraus fahren/kopieren, sondern ein richtig ernsthaftes Rockabilly-Album mit Ted Herold (ja, der lebt auch noch und war sowieso immer schon der bessere und coolere Peter Kraus!) produziert hätten. Das hier ist ja leider eher Comedy als alles andere.

  • Vor 10 Jahren

    Laut.de = Dumm, einfach nur dumm.

    • Vor 10 Jahren

      Ja, danke, Whoever, willst du das auch begründen? Ironischerweise ist hier ja (mehr oder weniger gut argumentiert) sowohl für als auch gegen das Album Stellung bezogen worden. Woran störst du dich also?

    • Vor 10 Jahren

      Begründen? Hast du Dir die Rezessionen und die Kommentare hier wirklich mal durchgelesen? Ich vermute, Leute zischen 20-30 Jahren, die versuchen verzweifelt hip zu sein plappern leer irgendwo zwischen Jugendslang und Neumalklug was über Musik zusammen. Die Dauerkommentierer sind meistens die Dümmsten von Allen. Das Niveau hier ist Kinderspielplatz in Marzahn. Eine guter Rezession habe ich hier noch nie gelesen. Die Kommentar bei Amazon.de bringen zig mal mehr, denn diese kommen von vielen unterschiedlichen Leuten, die teilweise einen Schulabschluss haben. Hier ist bloß ne Dummheitstauschbörse.

    • Vor 10 Jahren

      "Rezession" ist nach wie vor der Fallstrick des guten Trolls.

    • Vor 10 Jahren

      Und die Leute, die in Verbindung mit bewertendem Journalismus von "Rezessionen" sprechen, sind auch oft dieselben, die anderen Leuten Dummheit vorwerfen. :D