laut.de-Kritik
Brillante Kooperationen zwischen Prog, Jazz und Pop.
Review von Ulf KubankeZweifellos handelt es sich bei Phil Collins um einen der versiertesten und vielseitigsten Künstler dieses Planeten. Als Schlagzeuger herausragend, als Soundhexer wegweisend, als Songwriter prägnant, als Trendsetter durchschlagend, als Sänger samtig-charismatisch. Wer sonst hätte eine Spannweite, deren Flügel von Disney bis Avantgarde-Jazz ausschlagen? Mit der CD-Box "Plays Well With Others" kommt man dem Mysterium solcher Vielfältigkeit ein gutes Stück näher.
Die Zusammenstellung dokumentiert Höhepunkte seiner Kollaborationen mit anderen Musikern. Dass ein Star dieser Größenordnung weit über 100 Kooperationen eingeht, ist ungewöhnlich. Entsprechend rekordverdächtig bündeln sich hier knapp 60 gemeinsame Projekte und Auftritte aus den Jahren 1969 bis 2002. Das Ergebnis führt den Hörer durch ein Labyrinth musikhistorischer Verzweigungen.
Phil Collins ist seit seiner Jugend großer Beatles-Fan. Nicht nur, dass er als Statist bereits im Film "A Hard Day's Night" zu sehen war. George Harrison lud den Youngster bereits 1969 zu den "All Things Must Pass"-Sessions und wies ihm die Congas zu. Zwar entschied man sich schlussendlich für einen anderen Take. Doch ergab sich daraus eine Freundschaft, die in den hier vertretenen Track mündete. Als Salz in der Suppe ist auch Paul McCartney dabei, mit dem sich Collins jüngst zoffte. Die Gitarre auf diesem 1986 eingespielten Trio-Stück stammt übrigens von Pete Townshend.
Eine tragende Nebenrolle spielt außerdem Brian Eno, der das erste Mal auf dem von Peter Gabriel dominierten Genesis-Album "The Lamb Lies Down On Broadway" auftauchte. Zusätzlich profitierten Eno wie Gabriel von der lehrreichen Zusammenarbeit mit Jon Hassel. Insofern hätte eine Eno/Gabriel-Kollabo nahe gelegen. Doch diese Pole stießen einander ab. Stattdessen arbeitete der Ex-Roxy Music-Musiker in perfekter Ergänzung mit Collins, der ihm u.a. die hervorragende 1975er LP "Another Green World" eintrommelte. Eno, der stets Bewunderung für Musiker hegt, die Gassenhauer schreiben können, ergänzt auf diesen Nummern von 1986 und 2004 Collins' Stil perfekt.
Ausgerechnet das brillante "In The Air Tonight" markiert den einzigen Tiefpunkt dieses ansonsten makellosen Schaulaufens. Wir erinnern uns: Das Lied wirkt besonders durch seine schneidende Schärfe und ungewohnt neonkalte New Wave-Aura im Kontrast zu Phils emotionalem Ansatz. Das liegt im Original besonders an seiner damaligen Vorliebe für John Lydons Public Image Ltd. So angelte er sich Nick Launay, der für PIL und Nick Caves Birthday Party deren eisig-eruptiven Sound schneiderte. Wie man für eine Neuauflage dieser Großtat ausgerechnet die bestenfalls ordinäre Lil Kim in Betracht ziehen kann, bleibt unverständlich. Zur Versöhnung findet sich neben diesem Fehltritt noch eine zartbittere Akustikversion ohne görenhaften Pekariatsgesang ein.
Ganz anders John Martyn, seines Zeichens britische Singer/Songwriter-Ikone und enger Freund Nick Drakes. Collins spielte auf mehreren seiner Alben und übernahm gelegentlich auch Backingvocals. Es ist sehr interessant zu hören, wie sensibel sich das Prog-Tier auf den vom Folk stammenden Martyn einstellt. Beide kommen einander entgegen und kreieren eine neue Atmosphäre.
Auch sonst gibt es auf Schritt und Tritt Diamanten zu entdecken, die alle leichtfertigen Lästerzungen Lügen strafen, deren wohlfeiles Mantra darin besteht, Phil als betulichen Schlageronkel zu stigmatisieren. "Guide Me Orion" illustriert seine erste Band Flaming Youth, die vor seinem Eintritt bei Genesis bereits 1969 völlige esoterische Hippie-Seligkeit vermittelte. Ganz besonders schön gelingt auch "Knights" mit Peter Banks, Gründungsmitglied von Yes und ein auf hohem Niveau verschroben agierenden musikalischen Freigeist. Was beide hier auf dem 1973 entstandenen Instrumental bieten, geht als schnörkelloser Bastard aus Kraut- und Spacerock durch.
Ebenso überzeugend gestaltet sich Phils grandioses Drumming für Argent (Russ Ballards erste Band), deren jazzrockendes "Counterpoint" von 1975 hier mit einem Highlight aufwartet. Ein bisschen groovy Latino-Stoff zwischendurch? Collins auf Tommy Bolins "Savannah Woman". Knarzender Rock? Zusammen mit Velvet Undergrounds John Cale fabriziert er die beste Version von Jonathan Richmans berühmtem "Asshole"-Song "Pablo Picasso". Gemeinsam agieren sie auf Cales 1975er Werk "Helen Of Troy" fieser als das Original und sarkastischer als Bowies Gentleman-Version. "Pablo Picasso was never called an asshole!"
Volle Möhre Avantgarde bietet die Jazzbomben "Nuclear Bomb" und das Kultstatus genießende "And So To F" von Brand X. Was Collins hier an den Fellen abliefert, ist jedes gebeugte Knie wert. Als Kontrast dazu serviert der Jazzliebhaber ein paar Tupfer seines superben Swing-Projekts im Big Band-Outfit. Daneben reißt die Liste großer Namen nicht ab. Robert Plant und Robert Fripp sind ebenso im Boot wie Peter Gabriel. Auf dessen drittem Album spielte Collins eine tragende Rolle. Gemeinsam entwickelten sie den Gated Reverb-Sound, der hier stellvertretend als "Intruder" ins Ohr dringt.
Die lebenslange Leidenschaft für Soul drückt sich besonders in seiner Arbeit mit Philip Bailey, dem Sänger von Earth, Wind And Fire, aus. Collins trat 1984 nicht nur als Musiker, sondern auch als Produzent für dessen Soloalbum "Chinese Wall" auf. Ihren gemeinsamen "Easy Lover"-Superhit kennt jeder. Der hier ausgewählte Titelsong bringt ebenso die berühmten EW&F-Bläser in Stellung, deren promimentes Spiel er ausgiebig auf "Face Value" einsetzte.
Als Krönung empfehle ich das kolossale "Birdland", eine Hommage an Charlie Parker, bei der Phil sich mit dem Trommel-Urgestein Buddy Rich duelliert. Somit bleibt nur ein Fazit: Phil Collins öffnet hier eine Goldgrube, die sich für Skeptiker und Fans gleichermaßen eignet.
2 Kommentare mit einer Antwort
Da hat der gute Phil ja einiges gerissen!
Für einen Meilenstein bei Laut.de sollte es trotzdem nicht reichen!
jetzt, wo du letzteres sagst, fällt es mir auch auf. danke für die berechtigte anmerkung. es fehlen ohnehin noch so einige der ganz großen acts.
5/5 für's Cover
-1/5 für's billige Wortspiel
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4/5 passt