laut.de-Kritik

Elegische Popsongs des Radiohead-Drummers.

Review von

Wenn der Trommler der unantastbaren Prog-Pioniere Radiohead eine Soloplatte lanciert, erwartet man selbstverständlich nur das Feinste vom Feinsten. Denn was der glatzköpfige Stoiker allein auf "The King Of Limbs" an krummen und kantigen Drumflächen aufs Parkett zauberte, ist eine Liga für sich. Doch auch jeder anderen Platte des Quintetts drückte der Mann mit seinem unverkennbaren, oft jazzigen Feingefühl für die Falsettoschleifen Thom Yorkes und die Pirouetten Johnny Greenwoods seinen Stempel auf.

Dass Philip Selway sich über die Jahre bei seinen virtuosen Kollegen einiges abgeschaut hat, versteht sich von selbst. Trotzdem erinnert "Weatherhouse", bei dem auch die befreundeten Musiker Adem Ilhan und Quinta beteiligt waren, nur partiell an die Brüder im Geiste. Im epischen "Ghosts" spannt sich Selways sanfte Stimme galant über dezent dahinrollende Toms und ein flächendeckendes Becken und erinnert nicht nur aufgrund der Wendungen in den Akkordfolgen an "Paranoid Android" von "Ok Computer".

Zunächst eröffnet Selway aber mit dem elegischen "Coming Up For Air", das unsagbar schön die sinistre Strophe gegen den aufhellenden Chorus ausspielt. "Around Again" und "Let It Go" fahren ein sperrigeres, weniger ausgewogenes Soundspektrum auf. Klavier, Streicher, Glockenspiele und Marimba fliegen neben tausenden Perkussions-Satzteilen durch die sich geschmeidig drehende Zentrifuge. Das Destillat klingt in beiden Fällen immer irgendwie poppig – aber leicht abgedreht. So recht traut man dem sorglosen Gesang nicht über den Weg. Denn im Tenor des dominanten Pianos macht eine dunkle Vorahnung den Ton und schabt Furchen in die Arglosigkeit der Zeile "I'm Over It Now".

Mit offenerem Visier und splitterfasernackt räkelt sich das fragile "Miles Away" andächtig. Ergreifend schlägt hier das Schlagzeug nah wie der eigene Puls direkt am Ohr, während Stimme und Gitarre von weit weg darauf balancieren. Der Mann trägt sein Herz eben nicht auf der Zunge, sondern in den Sticks. Dennoch sympathisch, dass sich die Drumparts nie mit ausgefahrenen Ellbogen in den Vordergrund drängeln. Und wenn doch, dann nur, um wie in "It Will End In Tears" einen simplen Vierer-Takt derart aufzupimpen, dass dabei am Ende ein polierter Popsong mit Mehrwert rumkommt.

Genau diese Peppigkeit geht leider gegen Ende der Platte abhanden. Hier bringt sich Selway um den eigenen Lohn, da es den Songs an Wiederhaken mangelt, in die sich die Texturen einklinken könnten. In "Drawn To The Light" mäandern Streicher, Xylophon und Selways fernes Stimmorgan vor sich hin und lullen den Hörer ein.

"Waiting For A Sign" tastet sich behutsam durch den Nebel leise krächzender Streicher und sparsam arrangiertem Klavier, die Bassdrum tropft derweil stur weiter. Auch das leicht statische "Turning It Inside Out" ist um Reserviertheit bemüht und gerät dabei fast ein wenig zu fad. Die Geigen des Elysian Quartets balancieren dabei am Rande des Kitsches.

Doch das ist alles Gemecker auf hohem Niveau, denn auch wenn "Weatherhouse" das Level des grandiosen Openers nicht durchgehend halten kann, stehen da letztlich dennoch keine halbgaren Songs. Nur manchmal würde man sich wünschen, dass Selway seinen etwas verschrobeneren Song-Einfällen noch mehr zutraut.

Trackliste

  1. 1. Coming Up For Air
  2. 2. Around Again
  3. 3. Let It Go
  4. 4. Miles Away
  5. 5. Ghosts
  6. 6. It Will End In Tears
  7. 7. Don't Go Now
  8. 8. Drawn To The Light
  9. 9. Waiting For A Sign
  10. 10. Turning It Inside Out

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