laut.de-Kritik

Nach Hause teleportieren? Bitte mit Warp-Antrieb.

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Man könnte lange darüber fachsimpeln, warum sich ausgerechnet Plaid im Vergleich zu ihren alten Label-Kollegen Aphex Twin, Autechre oder Nightmares On Wax eher unter dem Radar bewegen. Immerhin hatten sie 1997 Björk auf einem Track. Am Ergebnis ändert es wenig, auch nach über 30 Jahren Karriere sowie zehn Studioalben bilden Ed Handley und Andy Turner eine unumstößliche Einheit und zaubern aus ihrem Electronica-Labor gewohnt atmosphärische Klänge hervor.

Nach dem eher düsteren und kantigen Trip auf "Polymer", noch vor Corona erschienen, hätte man eher eine Intensivierung dieser Soundfarbe erwartet. Das Gegenteil ist der Fall: "Feorm Falorx" sprüht vor organisch-warmen und optimistischen Tracks, die mitunter ans erste Jahrzehnt der Sheffielder IDM-Institution erinnern.

Verspielt und wundersam startet das als Intro fungierende "Perspex" mit absteigendem Basslauf und zirpenden Synth-Klängen, der Eintritt in ihre versponnene Warp-Märchenwelt. Dieser liegt erneut ein ausgetüfteltes Konzept zugrunde: Handley und Turner werden als Lichtkörper zum Planeten Falorx gebeamt, um auf dem dortigen Feorm Festival ein Konzert zu spielen. Der Lichtkörperprozess ist notwendig, um die Atmosphären zu durchdringen, bevor sie zurück auf der Erde den Auftritt versuchen nachzustellen. Das Resultat: "Feorm Falorx". Eine Story, mit deren Hilfe das Duo die alten Themen Entmenschlichung und Überwindung von Raum und Zeit neu denkt - und neue Produktionsmittel nutzt.

In der Praxis setzte man die Story mithilfe von KI als Graphic Novel um. Auch das Albumcover, die neuen Pressefotos und das "Perspex"-Video, in dem die Lichtkörperthematik visualisiert wird, nutzen verschiedene Varianten der Zukunftstechnologie. Für Plaid nur ein logischer Schritt. Als Musiker bliebe einem gar nichts anderes übrig, als Künstliche Intelligenz zu umarmen, so Turner in einem Interview: "KI könnte zu einem brillanten Begleiter werden und die Kreativität in einer Weise befördern, die wir uns gar nicht vorstellen können. Es ist nicht mehr zu stoppen." Spätestens 2024 würde man etwa von einer KI-Software einen schnellen Michael-Jackson-Song verlangen und ihn inklusive der Stimme sofort bekommen, ist sich Turner sicher.

Die Schlussfolgerung daraus ist nicht, dass Plaid auf "Feorm Falorx" futuristischer klingen denn je. Vielmehr griff ihr Sound schon immer nach den Sternen und hat sich so seine Modernität erhalten. Nach Hause teleportieren? Bitte mit Warp-Antrieb. Bereits auf dem zweiten Track "Modenet" lassen Plaid ihre Trademark-Beats von der Leine und glänzen mit der Pop-Sensibilität alter Tage. Dennoch ist man kaum vorbereitet auf den funky Dance-Brecher "Wondergan", der einen frühen LP-Höhepunkt markiert.

Das sphärische "C.A." wirkt dann tatsächlich wie der Soundtrack für eine Reise durch Raum und Zeit, während "Nightcrawler (feat. Mason Bee)" die Tür zum Krautrock öffnet und Neu!- bis notwistige Vibes ins eigene Beat-Universum holt. Cembalos oder Mandolinen sind im digitalisierten Mix kaum noch erkennbar, Plaid geben sich 2022 mit ihren verschachtelten Rhythmen und Arpeggios wieder elektronisch geerdet, bewahren sich dabei aber ihre Wandelbarkeit. Das hypnotisch-monotone "Wide I's" setzt nach der klassischen Big Beat-Exkursion von "Tomason" den dunklen Schlusspunkt. Ob eine KI-Software 2024 derart astreine Plaid-Tracks abliefern können wird? Kaum vorstellbar.

Trackliste

  1. 1. Perspex
  2. 2. Modenet
  3. 3. Wondergan
  4. 4. C.A.
  5. 5. Cwtchr
  6. 6. Nightcrawler (feat. Mason Bee)
  7. 7. Bowl
  8. 8. Return To Return
  9. 9. Tomason
  10. 10. Wide I's

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