laut.de-Kritik

Realkeeper-Schamanismus mit Feuerkraft.

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Es ist ja schon eine vorbelastete Sparte Rap, für die Presslufthanna da ins Rennen zieht. Gerade in Deutschland wirkt es mitunter ziemlich peinlich, wenn es so plump auf die Nase thematisiert wird: "Nein, es geht, nicht um Likes, es geht um Liebe zum Scheiß / Um Texte die mich bewegen wie mein klappriges Bike" oder "Sie spielen zwar dicke Beats aber sparen an Gefühl / Denn die meisten MCs spitten nur noch mit Kalkül/".

Ja, diese Presslufthanna ist ein Trueschooler der allerübelsten Sorte. Jemand, der so exzessiv Hip Hop-Phrasen und Vokabeln drischt, dass vermutlich sogar Samy Deluxe in den "Malaria"-Sessions gesagt hätte: "Okay, ganz ruhig, schnall die Baggy etwas enger". Die gute Nachricht ist jedoch: Die Kielerin verkauft diesen Stil fantastisch.

Es liegt vermutlich am Biss und am Nachdruck, mit dem sie rappt, dass man ihr eine ganze Menge "Real Hip Hop, ich freestyle den ganzen Tag um brennende Mülltonnen"-Pathos nicht nur nicht übel nimmt, sondern geradezu abfeiert. Das ist beeindruckend, denn derartigen Realkeeper-Schamanismus verkaufen in dieser Dekade eigentlich nur noch wenige überzeugend, und bei den meisten (Retrogott, Shacke One, MC Bomber) ist es zumindest auf einer gewissen Ebene self-aware.

"Eingangsbereich" hat aber die Feuerkraft, um sich hinter keiner Ironieebene verstecken zu müssen. Presslufthanna beweist bereits auf den Openern "Eingangsbereich" und "Priorität", dass sie ein technisch extrem versierter Spitter ist, und auch wenn manche One Love-Bekundungen etwas drüber sein mögen, kompensiert sie doch auch immer wieder mit äußerst cleveren Zeilen: "Wie verrückt muss man sein, um hier normal zu bleiben? / In einer Welt in der wir Business mehr als Wangen streicheln".

Die explosive Energie, mit der ihre Flows immer wieder ihrem (fantastischen) Namen gerecht werden, werden von druckvollen Samplebeats aus der Feder von Oskar Hahn und Plusma befeuert. Die zimmern nicht nur tanzbare Drumgrooves mit einer fast Figub Brazlevic-esken BoomBap-Attitude, auch die Auswahl der minimalistischen Samples zielt treffsicher zwischen Battlerap und Melancholie. Dazu kommen perfekt getroffene Cuts und stimmige Songwriting-Entscheidungen wie der atmosphärisch äußerst gelungene Übergang in den Outro auf "Suchtverhalten".

Auch die ernsteren Töne jenseits des Battleraps funktionieren auf "Eingangsbereich" einwandfrei. Ob es über die Auswirkung alter Denkmuster auf die Gegenwart wie auf "Vergilbtes Foto" oder die Absurdität des Lebens auf "Witzfiguren" ist: Presslufthanna performt eindringlich und einfühlsam, die Texte überzeugen genauso: "Die Welt ist voller Witzfiguren, es gibt nur einen Haken: Sie verkörpern nichts Witziges/".

"Eingangsbereich" ist ein Debüt, dem man zu Gute halten muss, wie präzise es der eigenen Vorstellung von dem gefolgt sein muss, was es sein und erreichen will. Denn so einfach es gewesen wäre, das Konzept des radikalen Realkeepens mit gesellschaftskritischen Tönen in einem weiteren, klischeebeladenen Projekt in den Sand zu setzen, um so mehr beeindruckt es, wie unapologetisch und radikal der Ansatz von Presslufthanna aufgeht. Das Debüt klingt druckvoll, eingängig und zeigt einen facettenreichen und versierten MC, der im Subgenre noch einiges reißen dürfte.

Trackliste

  1. 1. Eingangsbereich
  2. 2. Priorität
  3. 3. Vergilbtes Foto
  4. 4. Suchtverhalten
  5. 5. Geschichte Wird Gebufft (feat. Teleluke)
  6. 6. Witzfiguren
  7. 7. Unterm Strich (feat. Sotah)

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