laut.de-Kritik
"Killing In The Name" for Christmas!
Review von Eberhard DoblerWeihnachten 2009 in Großbritannien: Die Single des The X Factor-Gewinners (Joe McElderry) schickt sich wie jedes Jahr an, das Fest der Liebe auf Chartposition eins zu versauen. Doch es gibt Momente, in denen der Herrgott Gnade walten lässt. Enough is enough! Denken sich der britische Radio-DJ Jon Morter und seine damalige Frau Tracy und starten eine ihrer Social Media/Online basierten Gegenkampagnen: Sie wollen, dass sich der 17 Jahre alte RATM-Hit "Killing In The Name" so oft verkauft, bis es für die Eins reicht.
Gitarrist Tom Morello himself, aber auch Dave Grohl, The Prodigy oder Paul McCartney und Medien wie der NME unterstützen die Kampagne auf Facebook. Am Ende mit immensem Erfolg: "Killing In The Name" steht am 20. Dezember tatsächlich in der Poleposition und verkauft sich bei den Downloads in der ersten Woche bis dahin so oft wie keine andere Nummer. Alle Erlöse kommen der Homeless Charity Shelter zugute.
Eine "unglaubliche Grass-roots-Kampagne", gibt Sänger Zack de la Rocha der beispiellosen Aktion eine politische Note. Sie zeige, dass junge Menschen Unmögliches möglich machen könnten, wenn sie es denn wirklich wollten.
Als Dankeschön spielen RATM ein knappes halbes Jahr später am 6. Juni 2010 im Londoner Finsbury Park ein Gratiskonzert unter dem schön ironischen Motto "The Rage Factor" - in der Zwischenzeit hatten RATM-Fans noch mal über 200.000 Euro für Shelter gespendet. Zehntausende Fans durften auch bei den Supportacts mitbestimmen und entschieden sich für Roots Manuva, Gogol Bordello und Gallows.
Noch mal fünf Jahre später legen die Amerikaner den Livemitschnitt separat aufs Tableau: Das Gratiskonzert war zuvor schon Teil der "XX 20th Anniversary Deluxe Box Set"-Ausgabe von RATMs Debütalbum (2012). Die "Killing In The Name" vs. The X Factor-Kampagne vergleicht Morello während des Gigs übrigens mit dem Kampf Davids gegen Goliath.
Dynamisch und im Rhythmus der Songs geschnittene Kameras - auf der Bühne, davor, aus der Vogelperspektive oder ganz nah an den Musikern - vermitteln ein gutes Gefühl dafür, wie es damals in London zugegangen sein muss. Die Fans? Begeistert: Refrains werden vom ersten Track an mitgeschrien. Die Band fackelt an dem Abend ein so motiviertes wie routiniertes Set ab.
"Testify" reißt gleich zu Beginn alles an sich. Und hätten RATM ihr Publikum da nicht schon im Sack: "Bombtrack" hätte den Job im Anschluss erledigt - ein früher Höhepunkt des explosiven Gigs. Danach hauen RATM uns einen politisch motivierten funky Mosh-Hit nach dem anderen um die Ohren: "Bullet In The Head", "Guerilla Radio", das The Clash-Stück "White Riot" oder "Know Your Enemy": Passend zu letzterem Track fasst Zack Ursache und Wirkung der Online-Kampagne noch mal schön zusammen - "You were the weapon", so der charismatische Frontmann.
Der guten Bildqualität steht ein guter Ton zur Seite: Morellos Gitarre und de la Rochas Vocals stehen naturgemäß etwas im Vordergrund. Dennoch wurde der Livesound für den Konzertfilm so transparent gemixt, dass man auch zu jeder Zeit nachvollziehen kann, was Drums und Bass spielen. Ein Interview mit den Morters, die in London ebenfalls kurz auf die Bühne gebeten wurden und etwas Behind the scenes-Material ergänzen einen denkwürdigen Gig, den nur ein Monster beenden konnte: "Killing In The Name". Weihnachten? Läuft mit dem Ding.
2 Kommentare mit einer Antwort
Rezension klingt wie ne 5/5... falschen Knopf gedrückt?
So oder so werd ich mir das Ding wohl gönnen, einfach weils RATM ist...
Musikalisch haben Rage against the Machine sicher Maßstäbe gesetzt und glänzten durch Kraft und Innovation. Das ihr an Naivität kaum zu überbietender Linksaktivismus von der Hörerschaft jedoch weitgehend unkritisch übernommen wird, finde ich schon seit Bestehen der Band äußerst fragwürdig.
Mich würde interessieren welche Kritik _Du_ an deren Aktivismus hast. Thx!
Für mich sind RATM sind Helden und bumsen musikalisch richtig.