laut.de-Kritik
Atmosphärischer Rap von bodenständigen Champions
Review von Anthony CerezoIm Sommer 2020 fand ich mich gut gelaunt im Kulturgarten Bonn wieder, gespannt auf das Mini-Splash! Event als kleine Entschädigung für die abgesagte Festival-Saison. An große Veranstaltungen, Konzerte und Festivals war wegen der Corona-Pandemie nicht zu denken, und selbst kleinere Events durften nur unter strengen, heute kaum noch vorstellbaren Maßnahmen stattfinden. Eine Art Glück im Unglück. Trotz der abgetrennten Publikumsbereiche und des Verbots, aufzustehen und mitzufeiern, herrschte dennoch gute Stimmung. Also genoss ich die Auftritte von Lugatti & 9ine, Drunken Masters und Caramelo. Besonders überraschte der Auftritt der mir bis dato noch unbekannten Jungs von Rapkreation, die mit Big Pat im Schlepptau und ihrem Song "Aral" das sitzende Publikum zum Liegestuhl-Wippen ansteckten.
Seitdem ist Rapkreation, heute auch als nur RapK bekannt, bei mir im Gedächtnis geblieben – diese Kreuzberger Crew, die zwar Teil der Berliner Underground-Szene ist, aber ihren eigenen Weg geht. Im Unterschied zu Kollegen aus derselben Ecke wie Pashanim, Symba oder BHZ haben sie jedoch nie einen großen Durchbruch erlebt und bewegen sich stets am Rande des Hypes. Doch RapK, bestehend aus Tariq, Victor und dem nicht-rappenden, kreativen Kopf Gustav, brauchen keine beeindruckenden Verkaufszahlen, um ein authentisches Aushängeschild der Berliner Rapszene zu sein. Sie setzen auf einen autodidaktischen Prozess, sind unabhängig und folgen nur ihrem eigenen Rhythmus, nicht dem vorgegebenen Takt der Musikindustrie. "Es so zu machen, wie es keiner macht, sei aber nicht die Strategie" sagen sie im Interview mit The Postie.
Es wäre falsch zu behaupten, dass ihre Musik besonders einzigartig sei oder dass noch nie zuvor ein ähnlicher Sound aus der Szene produziert worden sei. Ihr Rap durchbricht keine musikalischen Grenzen und erfüllt keine außergewöhnlichen Erwartungen. Stattdessen handelt es sich um einfache Jungs, die in ihrem Kellerstudio die Atmosphäre der Straßen der deutschen Hauptstadt einfangen. In ihrem Sound verschmelzen sie den neuen Berliner Underground-Rap mit Elementen des French- und Afro-Traps.
Rapk lassen sie sich stark von unseren französischen Nachbarn inspirieren, nicht nur durch zahlreiche französische Begriffe in den Texten, sondern auch in der Produktion. "Gangfoto" verkörpert diesen internationalen Einfluss wohl am besten. Über einen schnellen Beat mit rhythmischen Elementen cruisen sie mit der "Fam in einem Van durchs ganze Land", sei es an der Mittelmeerküste oder in der Schweiz. Das Gangfoto ist die lebendige Erinnerung an den Familienurlaub, den die Jungs zwischen all den Terminen und Tourdaten finden.
Im Track "Cartier" zollen sie nicht nur der französischen Luxusmarke Tribut. "Cartier" bedeutet übersetzt auch Viertel, das Victor stolz seiner "Bella" zeigt. Die beiden sprechen gerne selbstbewusst über ihren Erfolg und die neuen Luxus- und Lifestyle-Möglichkeiten, aber dabei klingen sie nie abgehoben oder distanziert. Für sie steht der Einfluss auf ihr Viertel sowie Familie und Freunde im Vordergrund. Anstatt sich selbst mit Cartier zu schmücken, betont Tariq, dass er seinem Kumpel nun eine Cartier kaufen kann. Victor rollt nicht in einem Cabrio, sondern fährt stolz in einem Peugeot an den Stränden der Cote d'Azur entlang.
Mit beiden Beinen auf dem Boden und dabei ihres Einflusses bewusst zeigen sie sich bereits im Einstiegstrack. "Beton-Champions" beginnt mit einer sanften Piano-Einlage und verdeutlicht den Zwiespalt zwischen dem Leben als tourende Rapstars und den Wurzeln in einer simplen Betonstadt. Der Track vermittelt ein Gefühl des Triumphs mit einer bescheidenen Note – das Gefühl, den Sprung geschafft zu haben, aber dabei nicht die Orte und die Menschen loslassen zu wollen, die diesen Sprung überhaupt ermöglichten.
Gemeinsam mit Kwam.E feiern sie auf "4g" die Loyalität zu Freunden und Familie sowie ihre Unverkäuflichkeit. Die "Sneaker sind dirty von Nächten mit der Crew", und "Nike schickt Paket mit Schuh / Doch hab' ich nicht gesucht". Für die Familie wird auf dem Boden geschlafen, und Victor gesteht sich ein: "Früher dachte ich, wenn die uns einmal zuhören würden / Dann verändert das was". Für Rapk ist das keine Wissenschaft, sondern Gefühlssache, wenn sie auf „Record“ drücken und einen bouncigen Dancetrack liefern: In „Cortez“ rappen sie über ihren Block, weniger um zu representen, mehr um die Lebensart und Entwicklungen in ihrem Viertel in ein Song zu verpacken.
Während die anderen sich im Kreis drehen, bleiben Rapk fokussiert und zielsicher, als Mittel zur Medikation aus der "Pharmacy" hilft dabei die französische Spirituose Ricard. Etwas weniger fokussiert und mehr träumerisch und in negativen Gedanken abschweifend klingen die weniger temporeiche, aber atmosphärischen Tracks "Direction Süd" und "Snow White".
Obwohl Rapk in Berlin etablierte Verbindungen haben, verlassen sie sich nicht auf gemeinsame Hits mit bekannteren Kollegen, sondern holen sich zwei Newcomer, die ihr tadelloses Gespür für Melodien ergänzen. Souly liefert bei "Shutdown" eine solide Leistung ab, während Berq sich bei "Water in my Drink" trotz seines eigentlich starken Gesangs noch eher zurückhaltend verhält.
"Champions" trägt die Leichtigkeit atmosphärischer Rapmusik, die mehr auf mitreißenden Melodien und Rhythmus setzt als auf durchdachte Texte und Geschichten. Rapk zeigt ein feines Gespür für die richtigen Augenblicke, wechselt in einem dynamischen Zusammenspiel ab und umtanzt lyrische Komplexität mit einer Mischung aus englischen und französischen Abkürzungen. Über die gesamte Albumlänge erzählen sie als bodenständige Champions von rasanten und ruhigen Schnipseln aus ihrem Leben und performen diese wie ein lebendigen Freestyle.
3 Kommentare mit 5 Antworten
Zwei Videos angeskippt. Urgs. Bisschen Ugly Kotz hochgekommen. (Schleichwerbung included)
Puh, da waren früher mal besser: https://www.youtube.com/watch?v=MJOQvqt6GQs
Als die noch Rapkreation hießen dachte ich, die würden richtig gut werden. Hätten sie mal lieber den bescheuerten Namen behalten. Musikalisch in der Tat leider rückschrittlich.
Lauf fand ich ganz geil damals
https://youtu.be/xANDSlcBmS8
@Django: Yeah, hab ich total gefeiert, ist immer noch mein Lieblings-Track von denen.
Boah, "Lauf" ist ja irsinnig gut. Der ist bislang komplett an mir vorbei gegangen
Hä? Was denn mit denen passiert??
Cortez ist mega. Geile skills angelernt. Den Rest check ich mal aus.