laut.de-Kritik
Sülze gibts im Großmarkt - oder bei Rapsoul.
Review von Dani FrommIrgendwann ist selbst das ausgelutschteste Pferd zu Tode geritten. Irgendwann bringt der letzte Tropfen selbst den am großzügigsten dimensionierten Schmalzeimer zum Überfließen. Irgendwann muss doch selbst die abgestumpfteste Schmachtfetzen-Klientel merken, dass Rapsoul weder mit Rap noch mit Soul irgendetwas zu tun haben. Genau dann ... fangen die drei wieder von Anfang an.
Es ist zum Verzweifeln. Immerhin: Wie schon beim Vorgängeralbum lassen Jan, Steve und C.J. auch diesmal wenigstens ihre "Junge Christen Unterwegs"-Attüde weitgehend stecken. Die Engel schwirren zwar immer noch schwarmweise durch die in Teeniepathos ersäuften Lyrics. Das liegt aber offenbar weniger an zelebrierter Esoterik denn an grenzenloser Einfallslosigkeit in Bezug auf Kosenamen. Frauen, Kinder, vermutlich auch Nachbars Katze ... alles "mein Engel".
Kein Wunder, dass die angebeteten Flügelwesen sämtlich eiligst die Flucht ergreifen. Die weinerlichen Selbstbezichtigungen umschiffen wirklich kein einziges Klischee: Herzschmerz, Scherben, Herbstlaub, nicht enden wollender Regen - alles drin. Beteuerungen des Kalibers "Für dich würd' ich mich ändern" helfen da wenig. Wie man sieht, ändert sich seit inzwischen drei Alben ... nichts.
Sülze kaufen Rapsoul im Großmarkt, dazu bei den Nachtwandlern die üblichen melodramatischen Standards: Piano und Streichergedudel. Fehlt nur noch Blitz, Donner und der Gewitterregen: In "Paradies" darf der endlich niedergehen. Die durchgehend unangenehme Schwüle bleibt trotzdem.
Vocals, die auf emotional machen und dabei keinerlei echte Regung erkennen lassen: in meinen Ohren die Höchststrafe. Ob nun das eigene Schicksal bejault, ein Verlust betrauert, der mahnende Zeigefinger gegen den Teufel Alkohol geschwungen, der (möglicherweise ein klitzekleines bisschen überschätzte?) Status als "Rapstars"analysiert oder die große Liebe geschworen wird: Die drei Jungs tönen über die komplette Distanz exakt identisch.
Ein bisschen Sprechgesang (mit einer Spur Atemtechnik müsste man am Zeilenende nicht derart nach Luft schnappen), ein bisschen R'n'B-Geschleime: fertig ist die Disney-Romantik-Suite. Lächerlicher wird es im Grunde nur, wenn blitzsaubere Jungs auf böse Buben machen wollen ("Rien Ne Va Plus", "Arschloch Sein") oder die weichgespülte, koffein- und zuckerfreie Version von Deichkind zu geben versuchen: 1, 2, 3, 4, jetzt wird - begleitet von dem, was man bei Rapsoul offenbar für dirty talking hält - in die Nacht getanzt! Hossa.
"Muss ich denn wirklich ein Arschloch sein?" Hach, manchmal würde es schon ausreichen, nicht dermaßen die Heulsuse raushängen zu lassen! Der "Song Weint"? Nicht nur der. Im Anschluss an den widerlichen Leidensexhibitionismus in "Heb Die Hand" möchte ich "Ich Will Nicht Mehr" einzig mit einem herzhaften, Carpendale'schen "Dann geh doch!" quittieren.
77 Kommentare
Ui, da hatte aber jemand schlechte Laune...
Die arme Dani - da liefert sie so großartige Interviews und Reviews ab in letzter Zeit und wird mit so einer Platte bestraft - unfair!
ich hab ihr ja vorgeschlagen, ihr die review abzunehmen.
aber scheinbar wollte sie nicht.
@Garret (« sonnenbank flavour, late-night rockstar, raptile, rapsoul, curse sind opfer »):
Curse in eine Reihe mit Raptile und Rapsoul zu stellen ist dermaßen maßlos übertrieben, selbst wenn man ne derbste Allergie gegen Zeigefinger hat!
Ich bin raus...
@tonitasten (« Warum nennen sie sich nicht Rapsöl, wenn die schon kein Rap und kein Soul haben? Rapsoul ist doch echt Etikettenschwindel. »):
Applaus
Ich will mir den scheiß hier niemals anhören, es sind aber ein paar fragen beim lesen aufgetaucht
1. hat der titel "irgendwann" etwas mit Tatwaffe (Die Firma) zu tun? Und ich HOFFE die antwort lautet NEiN!!!!
2. Auf Dem firma debüt gab es auch einen titel der "rien ne va plus hieß". ist das ein firma cover? auch hier hoffe ich auf ein kräftiges NEIN!!