laut.de-Kritik
Film-Soundtrack des Notwist-Chefs Markus Acher.
Review von Magnus HesseMarkus Acher weiß wie man Hörer ohne Gravitation in fernen Klang-Galaxien baumeln lässt und mit Raumschiffschrott berieselt. Mit seinen Bands The Notwist und Lali Puna rückt er regelmäßig den Horizont von Pop in immer weitere Distanz.
Unter seinem Alter Ego Rayon zieht der Weilheimer seinen Fokus noch weiter. Den scharfen Vordergrund stellt hier nämlich der Film. Seit zwei Dekaden bereits wildert er im Bereich der Soundtracks. Nach der Werkschau "Messier Objects" mit seiner bayrischen Stammgruppe nun auch abermals solo für Eleonora Dancos surreale Tragikomödie "N-Capace", der Spuren von Fellini und Buñuel nachgesagt werden. Die ersten zehn programmatisch als "Il Collo e la Collana 1-10" durchnummerierten, instrumentalen Titel bergen gewohnt kryptische Sounds.
Loops schleifender Pianos, stotternder Samples, Glockenspiel und natürlich reversiblen Gitarren durchdringen einander und zirkulieren eher, als dass sie den Rezipienten an der Hand führen - geschweige denn irgendwo hin führen. Musikalische Kausalitäten weichen hier Eventualitäten. Zwischen extraterrestrischem Zirpen klickert es, in "Track 8" fühlt man sich wie im Brutkasten eines Aliens unter Rotlichtbestrahlung. Tonprogressionen finden vereinzelt doch statt, bahnen sich an und versickern dann wieder still und leise im Klangmorast (Track 10). Auch der Opener gerät einigermaßen tonal und wird nur kurz von technoiden Störenfrieden durchkreuzt.
Acher sucht das Vage, im Geräusch Verborgene, jene musikalischen Koordinaten, zu denen ihn kein Kompass konventioneller Mittel den Weg weisen kann. Dabei arbeitet er auf höchstem Abstraktionsgrad: Allerdings mit der bekannten Rezeptur: Einer Melange aus fiebrigen Elektro-Sounds, Drumcomputer und allerlei verfremdeter Analog-Klangkörper, die sich von allen Seiten her Zugang verschaffen.
Der Grundgestus bleibt durch die retardierende Motivik verheißungsvoll aber höchstrgradig undramatisch. Der Ästhet setzt eher auf abgewandelte Chiffren, Schattierungen, denn auf Scheinwerfer-Streicher oder knallige Klangfarben. Der Notwist-Kopf hebelt übliche Parameter einfach aus, indem er Rhythmik und Harmonien munter ihr Aggregat wechseln lässt. Dabei wirken diese Dynamiken dennoch so organisch wie ein sich windender Schwarm.
"Libanon", die zweite Hälfte der Platte, trägt sieben weitere Stücke, die für Michael Shambergs Film "Maître, Lihseb Please" von 2006 komponiert wurden und zudem dem libanesischen Fotografen Fouad Elkoury und der als Malerin und Schriftstellerin tätigen Etel Adnan gewidmet sind. Die Besetzung besteht hier lediglich aus Sebastian Hess am Cello, Sängerin Victoria Bergman, einem Harmonium, enthaltsamerem Fiepen und einigen libanesischen Klang-Parabeln.
Das schmale Arrangement schafft aber dennoch einen endlosen Flur, in den sich nur eine einzige handfeste Melodie traut: Ein Dialog mehrerer Cello-Stimmen, die die Klammer zwischen dem ersten und letzten Märchen schließen. All diese Song-Entwürfe ziehen sich dabei stets herrlich aus der Affäre und eröffnen gleichzeitig ein so unspektakulär schönes Panorama, das es sich auch ohne Filmbild allein mit den Ohren abzuwandern lohnt.
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