laut.de-Kritik
Von der Guantánamo Bay und passiv-rauchenden Hunden.
Review von Joachim GaugerMan mag das bedauern oder nicht. Fest steht: den Reinhard Mey von früher gibt es nicht mehr, den Liedermacher, der allerlei deutsche Eigenheiten und Missstände humorvoll aufs Korn nahm und sich selber nicht zu ernst. Der auch mal über seine eigene Schusseligkeit lästerte ("Ankomme Freitag, den 13.") und deutsches Biedertum mit einem Augenzwinkern und nicht ohne Sympathie ins Lächerliche zog ("Hymne an Frau Pohl").
Das war in den 70er Jahren, und man muss ja zugeben: auch die Welt hat sich seitdem verändert. Vielleicht ist das Jahr 2004 einfach nicht die Zeit für Ironie und Satire. Über den Krieg gegen die so genannte 'Achse des Bösen' kann der friedensbewegte Intellektuelle nicht gut lachen, die fundamentale Verblendung der westlichen Eliten erfordert vielmehr knallharte Ideologiekritik.
Wenn Reinhard Mey sich aber den großen Themen unserer Zeit zuwendet, hat er immer noch eine verdammt spitze Feder, darf er immer noch als der einzige deutsche Liedermacher von Format gelten. Wer sonst hätte die lyrische Kompetenz, die jüngsten Menschenrechts-Verletzungen der US-Regierung zum Thema eines Liedes zu machen, ohne dass das allzu besserwisserisch oder gutmenschenhaft wirkt? Zu fluffig-lockeren Karibik-Beats prangert Mey in "Alles O.K. in Guantánamo Bay" mit sanftem Sarkasmus die Selbstgerechtigkeit von Bush und co. an: "Wir sind die Guten und die anderen sind die Schlechten, so einfach ist das mit den Menschenrechten."
Auch "Nanga Parbat", der Titelsong von Meys 23. Studioalbum, hat mit der Bergbesteigung der Messner-Brüder ein großes, fast schicksalhaftes Thema. Und wie bei "Guantánamo Bay" oder dem eher seichten "Spider Man" schmiegt sich die Musik beinahe kongenial der Geschichte an - die Früchte der Zusammenarbeit mit Produzent Manni Leuchter scheinen seit "Rüm Hart" deutlich gereift.
Zwischendurch verzeichnet "Nanga Parbat" aber auch einige Durchhänger. Natürlich kann man sich noch mit der Widersprüchlichkeit der christlichen Kirchen auseinandersetzen oder beklagen, dass dumme Deutsche ihre Köter 'Rambo' oder 'Tyson' nennen. Meys Bekenntnis zum Tierschutz in allen Ehren, aber wenn der Liedermacher den Menschen KZ-Mentalität bescheinigt, weil sie ihre Hunde passiv mitrauchen lassen, erinnert man sich doch an das böse Wort vom "nichtssagenden Schnurrenerzähler". Und irgendwie mag man dann auch den direkt folgenden und eigentlich sehr persönlichen Anti-Kriegs-Song "Die Waffen nieder!" nicht mehr so recht ernst nehmen.
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